In Zeiten von Selfies und Snapchat geht es immer mehr darum, sich selbst zu inszenieren und zu präsentieren. Das macht auch vor simplen Telefonaten nicht halt – das Stichwort lautet hier: Videotelefonie. Statt einfach nur die Stimme des Gegenübers zu hören, sieht man während des Gesprächs einander ins Gesicht. Das kann Vor-und Nachteile haben. So überlegt man sich vermutlich zweimal, ob man einen Videocall des neuen Schwarms annimmt, wenn am Waschtag gerade mal nur das Biene-Maja-Shirt sauber ist. Andererseits können Geschäftsgespräche ganz anders verlaufen, wenn man dem Partner bei Verhandlungen in die Augen sehen kann.
Bekannte Firmen und Außenseiter
In unserem Test haben wir zehn Videochat-Apps überprüft. Darunter war neben dem wohl bekanntesten Anbieter „ Skype “ auch ein entsprechendes Angebot von Facebook. Google bietet mit „ Duo “ und „ Hangouts “ gleich zwei Lösungen für Videotelefonie, die sich im Funktionsumfang stark voneinander unterscheiden.
Mehr in Richtung soziales Netzwerk gehen die Apps von „ imo “, „ Line “, „ Tango “ und „ Viber “. „ Wechat “ ist Kommunikations-Marktführer in China, aber auch hierzulande bereits etabliert. Die App bietet einige interessante Features. Als Oldie unter den Testteilnehmern bietet zu guter Letzt auch der bekannte Direkt-Messagingdienst „ ICQ “ eine Videotelefonie-Funktion.
Übrigens gibt es bei der Mutter aller Messenger, „ Whatsapp “, noch keine Videochatfunktion. Es kursieren aber Gerüchte über eine Betaversion mit Videotelefonie im Internet.

Sie brauchen: Kamera-Phone und App
Alle von uns getesteten Lösungen lassen sich mit dem Mobilgerät verwenden. Darüber hinaus gibt es von den meisten Anbietern auch PC-Clients für Videotelefonie. Wir haben dies in der Tabelle in der Zeile „Plattformen“ aufgeführt.
Für den mobilen Einsatz benötigen Sie ein Mobilgerät – Smartphone oder Tablet – mit Frontkamera. Diese ist bei nahezu allen aktuellen Smartphones vorhanden – dem Selfie-Trend sei Dank. Die Auflösung der Kamera ist für Videotelefonie egal, kann aber natürlich Auswirkungen auf die Bildqualität haben. Ansonsten brauchen Sie für Videotelefonie die App des entsprechenden Anbieters, die Sie kostenlos im Google Play Store finden. Welche Android-Version dabei vorausgesetzt wird, gibt nicht jeder Entwickler an: Die meisten verlangen aber Android 4.0 oder höher.

Die Videotelefonate sind übrigens kostenlos, wenn Sie über WLAN telefonieren. Sonst fallen die üblichen Gebühren gemäß Ihrem Mobilfunktarif an. Einen Aufpreis infolge der Videodaten gibt’s nicht, lediglich Extras wie Masken oder Effekte können weitere Kosten verursachen.
Eine weitere wichtige Voraussetzung für Videotelefonie betrifft Ihren Gesprächspartner: Er muss nämlich meist die gleiche App installiert haben wie Sie. Ausnahmen bilden hier Google „Hangout“, „Skype“ und „Viber“ – allerdings sind die Gespräche dann kostenpflichtig!

Registrierung per Mobil-oder Festnetz
Haben Sie sich eine Videotelefonie-App aus dem Play Store auf Ihr Mobilgerät geladen, müssen Sie sich nach dem ersten Start registrieren. Üblicherweise geben Sie dazu Ihre Mobilfunknummer an. Sie erhalten danach eine SMS mit einem Prüfcode, der Ihre Nummer bestätigt.
Wer hier seine Handynummer nicht angeben möchte, kann bei den meisten Anbietern auch eine Festnetznummer eintragen. Sie erhalten dann statt der SMS einen automatisierten Anruf mit der Prüfnummer, die Sie bei der Registrierung eingeben. Allein beim Facebook „Messenger“, bei Google „Hangouts“ und „Wechat“ ist es nicht möglich, sich mit einer Festnetznummer zu registrieren.
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Dafür lässt „Wechat“ alternativ eine Mailadresse oder eine proprietäre Wechat-ID zu. Besonders flexibel bei der Registrierung zeigt sich „Skype“: Hier können Sie sich per Mobilfunknummer, Festnetznummer, Mailadresse oder spezieller Skype-ID registrieren und anmelden. Und bei „Line“ muss das Gegenüber bestätigen, dass es in Ihren Kontakten auftauchen möchte.
Ihre Kontakte können Sie übrigens meist aus den Smartphone-Kontakten übertragen. Zum Teil, etwa bei „Line“, funktioniert dies auch ohne Ihr Zutun gleich beim Einrichten der App.

Gruppenchat und Stummschalten
Abgesehen von Google „Duo“, „ICQ“, „Tango“ und „Viber“ lassen alle Apps auch Videogruppenanrufe mit zum Teil bis zu zehn Personen zu. Fairerweise muss man anmerken, dass Google Duo für den Videodialog ausgelegt ist, und ICQ den Videochat bereits in Aussicht gestellt hat.
Neben der Gruppenchat-Option können Sie bei den Videotelefonie-Apps während eines Anrufs die Kamera und das Mikrofon getrennt voneinander aus-und wieder anschalten. Ausnahme bilden hier Google „Duo“ und „imo“. Bei „Wechat“ lässt sich nur die Kamera (de-)aktivieren.
Erneute Anrufe lassen sich über den Verlauf tätigen. Hier erscheinen dann auch unbeantwortete Anrufe – Ihre und die des Gegenübers.

Extras wie Verschlüsselung & Co.
Abhörskandale in den vergangenen Jahren haben die Anwender von digitalen Medien sensibilisiert, was die Sicherheitsvorkehrungen bei ihrer Kommunikation angeht. Sei es Mail oder Telefon – niemand soll nach Möglichkeit mitbekommen, was da besprochen wird. Das ist natürlich auch bei Videotelefonie nicht anders. Die von uns getesteten Apps verfügen daher optimalerweise über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Einschränkungen gibt es hier beim Facebook „Messenger“ und bei „Wechat“, die das Feature nur für private Chats anbieten. „Tango“ verzichtet komplett auf Verschlüsselung. Die meisten Anbieter blenden ein kleines Schlosssymbol ein, wenn eine gesicherte Verbindung besteht.
Hinsichtlich ihrer Einrichtung und des Funktionsumfangs während eines Anrufs sind sich die getesteten Apps übrigens ziemlich ähnlich. In unserem Test haben wir jedoch Unterschiede gefunden, die sich nicht unbedingt auf den Haupteinsatzzweck beziehen.
So sollte man beispielsweise beim Facebook „Messenger“ erwähnen, dass man für dessen Verwendung kein Facebook-Konto braucht. Wer also eine beliebte Videochat-App verwenden möchte, ohne selbst zum „Verein“ gehören zu müssen, ist hier richtig. Gleiches gilt auch für Google „Duo“, das kein Google-Konto voraussetzt. Außerdem bietet „Duo“ als Besonderheit die Möglichkeit, nahtlos zwischen Mobilfunk und WLAN umzuschalten.
Eine weitere Zusatzfunktion bei „Duo“ nennt Google „Kuckuck“: Mit ihr sehen Sie einen Vorabstream des Anrufers, ohne dass Sie den Anruf bereits annehmen müssen. Ein reines Telefonat ohne Video ist mit „Duo“ jedoch nicht möglich.

„ICQ“ lässt dem Anrufer die Möglichkeit, die Kamera zu wechseln, etwa um dem Gesprächspartner die Perspektive des Anrufers zu bieten. Auch „Tango“ hat den Kamerawechsel im Gepäck, dazu reichlich Masken, Effekte und Spiele.
Mit „imo“ und „Viber“ lassen sich während des Videoanrufs Textnachrichten verschicken. „Viber“ wechselt zudem wie „Duo“ nahtlos zwischen WLAN und Mobilfunk. Auch muss die App nicht aktiv sein, um Anrufe zu empfangen, und Sie können Anrufe auf ein weiteres Gerät umleiten. Masken, Sticker und andere Effekte packt „Viber“ praktischerweise in einen eigenen Menüpunkt.
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Einige eher nervige Eigenheiten zeigt „Line“: Hier bekommen Sie nach der Anmeldung zahlreiche Nachrichten in eigener Sache, Ihre Kontakte werden automatisch hinzugefügt, und die App stört mit Quizfragen. Dafür gibt’s hauseigene Apps und Spiele in einem eigenen Menüpunkt.
Etwas dubios hinsichtlich des Datenschutzes ist „Wechat“. Zwar schreiben die Entwickler, wie bereits erwähnt, über Sicherheitsvorkehrungen. Die Funktionen „Schütteln“ und „Personen in der Nähe“ lassen jedoch an deren Zuverlässigkeit zweifeln: Bei „Schütteln“ machen Sie genau das mit Ihrem Smartphone und bekommen anschließend einen Zufalls-Chatpartner zugeteilt. Die Funktion „Personen in der Nähe“ zeigt Ihnen die „Wechat“-User in Ihrer Umgebung an. Beide Funktionen kommen Menschen mit starkem Vernetzungswunsch entgegen. Wer jedoch sicher chatten möchte, sollte von „Wechat“ eher Abstand nehmen – auch, weil die Server in China stehen.

Anmeldung, Video-und Audioqualität
Mit welchen Daten Sie sich bei der Videotelefonie-App anmelden, hängt davon ab, mit welchen Infos Sie sich registriert haben. Wie weiter oben bereits angemerkt, stehen Ihnen bei Google „Duo“, „ICQ“, „imo“, „Line“, „Tango“ und „Viber“ die Optionen Handy-oder Festnetznummer zur Auswahl. Bei „Wechat“ kommt zusätzlich eine spezielle ID hinzu, bei „Skype“ eine ID sowie Ihre Mail-adresse. Lediglich der Facebook „Messenger“ und Google „Hangouts“ lassen für die Anmeldung nur eine Mobilfunknummer zu. Erwähnenswert: Bei „Wechat“ lässt sich ein Kontakt per QR-Code hinzufügen. Das funktioniert aber natürlich nur, wenn sich beide Personen tatsächlich gegenüberstehen.
Was die Audio-und Videoqualität angeht, so hängt diese von der Hardware Ihres Mobilgeräts ab. Gleiches gilt für das Mikrofon beziehungsweise die Lautsprecher und die Audioqualität. Aber: In unserem Test zeigten der Facebook „Messenger“, „ICQ“ und „Wechat“ einige Aussetzer, „Tango“ sogar starke Bildfehler. Besonders beeindruckt haben uns dagegen Googe „Duo“ und „imo“.
Fazit: Welche App sich für wen eignet

In unserem Test haben wir uns mit zehn Videotelefonie-Apps beschäftigt, die alle ihre Vor-und Nachteile haben:
Mit über 32 Millionen Downloads ist der Facebook „Messenger“ die am weitest verbreitete App für Videotelefonie. Für sie spricht ferner, dass sie kein Facebook-Konto voraussetzt. Nachteil: Der Stream hatte im Test deutliche Aussetzer.
In Gegensatz dazu beeindruckte Google „Duo“ mit klarem Bild und gutem Ton. Auch die „Kuckuck“-Funktion, der rasend schnelle Verbindungsaufbau sowie der nahtlose Übergang vom WLAN ins Mobilfunknetz und umgekehrt gefiel uns sehr gut. Der Nachteil dieser App ist jedoch auch ihr Konzept: keine Gruppenchats.
Die bekommen Sie mit „Hangouts“ von Google. Da die App auf jedem Androiden vorinstalliert ist, dürfte die Verbreitung ähnlich hoch wie beim Facebook „Messenger“ sein – allerdings bedeutet „Verbreitung“ nicht automatisch „im Einsatz“.
„ICQ“ dürfe so manch älterer Jahrgang noch als Chatclient kennen. Die gleichnamige Messaging-App bietet praktische Interessengruppen für öffentliche (Text-)Chats. Ihre Videotelefonie-Funktion hatte aber auch, wie der Facebook „Messenger“, Bildprobleme. Gruppenchats sind derzeit nicht möglich, laut „ICQ“ aber geplant.
Besonders übersichtlich, was die Menüstruktur angeht, ist „imo“ . Hier haben Sie ferner die Möglichkeit, während eines Videoanrufs Textnachrichten zu verschicken. Als einzige App im Test können Sie bei „imo“ jedoch Mikrofon und Kamera nicht ausschalten.
„Line“ erwies sich als extreme Quasselstrippe , sei es mit Nachrichten in eigener Sache, sinnlosen Quizfragen oder anderen Meldungen. Auch gefiel uns nicht, dass die App ungefragt alle Kontakte übernimmt. Immerhin: Das Gegenüber muss bestätigen, bevor die Konversationen beginnen.
Mit „Skype“ hatten wir natürlich die Mutter aller Videotelefonie-Apps im Test. Der Dienst erwies sich als extrem flexibel, was die Anmeldeformalitäten anbelangt. Darüber hinaus lässt er – gegen Gebühr – auch Anrufe an Nicht-Skype-Kun-den zu und hatte eine gute Streamqualität.
Wer’s lieber etwas spielerischer und bunter mag, der findet in „Tango“ die perfekte Videotelefonie-App. Ausgestattet mit vielen Masken, Filtern und anderen Effekten, bietet „Tango“ den meisten Spaß beim Chatten. Großer Nachteil: „Tango“ lieferte im Test ein schlechtes, sehr grobkörniges Videobild. Außerdem störte uns die Werbung und dass die Chats nicht verschlüsselt werden. Zu guter Letzt vermissten wir Gruppenchats.
Bei „Wechat“ handelt es sich um den Nummer-Eins-Chatdienst Chinas. Dementsprechend stehen die Server in China. Was die Sicherheitsvorkehrungen angeht, so verspricht Anbieter Tencent verschlüsselte private Chats. Funktionen wie der Zufalls-Chat oder die Anzeige der sich in der Nähe befindenden „Wechat“-User lassen jedoch am Datenschutz zweifeln. Immerhin können Sie Kontakte sehr einfach per QR-Code hinzufügen.
Wie Google „Duo“ ermöglicht auch „Viber“ den nahtlosen Übergang vom WLAN ins Mobilnetz und zurück. Hinzu kommt eine praktische Weiterleitung auf ein anderes Gerät. Für „Viber“-Kunden kostenlos, können Sie mit „Viber Out“ zudem auch kostenpflichtig in andere Netzte telefonieren. Nachteil: keine Gruppenchats.
