Bundesjustizminister Heiko Maas beklagt, dass Facebook nur 46 Prozent der Hass-Kommentare löschen würde. Doch wie arbeitet das Löschteam von Facebook überhaupt? Das will die Süddeutsche Zeitung (SZ) herausgefunden haben. Demnach kämpfen 600 Menschen in der seit Herbst 2015 existierenden Berliner Facebook-Niederlassung gegen Hasskommentare, Kinder-Pornografie und Fake News. Das Team überwacht nicht nur deutschsprachige Beiträge, sondern auch Postings in den Sprachen Arabisch, Türkisch, Italienisch und Französisch.
Schlechte Bezahlung
Die Mitarbeiter, von denen viele kein Deutsch sprechen sollen, werden schlecht bezahlt: „Nur knapp über Mindestlohn”, berichtet die SZ. Sie sind nicht einmal direkt bei Facebook angestellt, sondern bei Arvato, einem Unternehmen des Bertelsmann-Konzerns. Facebook hat die Schmutzarbeit also ausgelagert.
Enormer Zeitdruck
Großer Zeitdruck und Stress sind Alltag bei den Facebook-Kontrolleuren. Denn jeder Mitarbeiter der untersten Hierarchiestufe muss 2000 Beiträge pro Tag prüfen! Da sind Fehler und Unachtsamkeiten unvermeidlich.
Die Mitarbeiter der höheren Hierarchieschichten checken auch Videos. Sie haben pro Video acht Sekunden Zeit für ihre Entscheidung, ein Video zu löschen oder es nicht zu löschen.
Grauenvolle seelische Belastung
Die Facebook-Kontrolleure sehen grauenvolle Bilder und Videos und müssen schreckliche Texte lesen. Sie blicken jeden Tag auf Folter, Mord, Vergewaltigungen und Kindesmissbrauch. Das zehrt an den Nerven und belastet die Kontrolleure, die Facebook offensichtlich mit ihren Problemen weitgehend allein lässt. In dem Team, das arabische Facebook-Beiträge überwacht, arbeiten auch Menschen, die vor dem Krieg in Syrien geflohen sind. Sie müssen in Schichtarbeit Enthauptungsvideos und Terrorpropaganda sichten.
Vor allem scheint dem Bericht zufolge Facebook die Mitarbeiter des Löschteams nicht ausreichend auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Es gibt also anscheinend keine ausreichende psychologische Schulung.
Geheime Löschregeln
Facebook spricht nicht öffentlich über seine Lösch-Regeln. Die Mitarbeiter des Lösch-Teams dürfen ebenfalls nicht darüber sprechen, einige machten das gegenüber der SZ aber doch.
Das geheime Regelwerk für die Löschungen bestehe laut SZ „aus Hunderten Beispielen und Details“. Für die Entscheidung, ob ein Bild gelöscht werden soll oder nicht, ist die Kombination von Bild und Text entscheidend. Demnach sei die Veröffentlichung des Fotos eines Sterbenden im Prinzip okay. Nur wenn darunter ein jubelnder oder geschmackloser Kommentar stehe, solle das Bild gelöscht werden.
Facebook macht auch genaue Vorgaben für das Löschen von Texten. So sollen Sätze, in denen „Migranten als dreckige Diebe” bezeichnet werden, stehen bleiben. Werden die Migranten dagegen als “Terrorist, Mörder oder Sexualstraftäter” bezeichnet, sollen sie gelöscht werden.
Die Löschregeln sind nicht immer eindeutig, wenn es um die Beurteilung von Gewalt geht. So dürfen die Facebook-Kontrolleure mitunter Bilder gar nicht löschen, die sie für brutal halten. Weil Facebook das eben anders sieht – bei Fotos mit erotischen Inhalten ist Facebook dagegen geradezu überempfindlich und zensiert ohne Rücksicht auf Verluste.
Berlin und die Philippinen
Berlin ist natürlich nicht der einzige Standort für solche Löschteams. So arbeiten beispielsweise auch auf den Philippinen viele Kontrolleure für Facebook, aber auch für Google und Microsoft sowie andere westliche Konzerne. Mobilgeeks spricht von über 500.000 Menschen, vielleicht sogar einer Million Menschen, die dort Bilder und Videos löschen und dabei Unaussprechliches sehen. Und sicherlich noch viel schlechter bezahlt und betreut werden als ihre Berliner Kollegen.
Exklusiv-Report: Arbeitsplatz Virenlabor aus den Philippinen