Update 25.7.2018:
Werden Pflanzen mit moderner Gentechnik verändert, lassen sich manche nicht mehr von Züchtungen unterscheiden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) will heute, 25.7.2018, entscheiden, ob solche Pflanzen unter das strenge Gentechnikrecht fallen oder – wie Züchtungen auch – frei angebaut und als Lebensmittel verkauft werden dürfen. Auch im Ökolandbau wären sie nach den gesetzlichen Vorgaben dann erlaubt, schreibt Spiegel online und beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.
Update Ende
Seit drei Jahren haben wir ein molekulares Werkzeug in der Hand, das uns die Einführung von punktgenauen Modifikationen in der DNA von nahezu allen Lebensformen ermöglicht. Erst unter Mikrobiologen, etwas später in der gesamten naturwissenschaftlich-medizinischen Fachwelt und nun in den Medien schlägt die CRISPR-Thematik große Wellen – mit viel Begeisterung, gemischt mit Vorbehalten und Bedenken. Ich möchte hier einmal die Grundlagen der Technologie und einige ihrer Anwendungsfelder vorstellen.
CRISPR: Ein biologisches Antivirus-Programm
Die Entdeckung von CRISPR in Bakterien geht zurück auf das Jahr 1987. Mikrobiologen entdeckten in der DNA von Darmbakterien (Escherichia coli) ungewöhnliche Abschnitte, deren Funktion noch einige Zeit unbekannt blieb. Erst nach mehr als 10 Jahren stellten Bioinformatiker fest, dass solche DNA-Abschnitte weitverbreitet und in vielen Bakterien zu finden sind. Diese DNA-Bereiche erhielten den Namen CRISPR (ausgesprochen: krisper) – ein Akronym für C lustered R egularly I nterspaced S hort P alindromic R epeats, was den physikalischen Aufbau dieser ungewöhnlichen DNA-Abschnitte beschreibt.
CRISPR-Regionen sind eine Anhäufung von regelmäßig unterbrochenen, kurzen (palindromischen) DNA-Wiederholungen. Im Jahre 2007 wurde die Funktion dieser Bereiche erstmals experimentell in Milchsäurebakterien aufgeklärt. Es stellte sich heraus, dass CRISPR ein Abwehrsystem von Bakterien gegenüber Viren ist und diese ungewöhnlichen DNA-Wiederholungen eine Art immunologisches Gedächtnis darstellt.
Bis zu diesem Zeitpunkt war es nicht bekannt, dass Bakterien überhaupt ein adaptives und vererbbares Immunsystem besitzen. Diese Entdeckung löste die erste Faszination unter den Mikrobiologen aus. Die CRISPR-Forschung entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der innovativsten Gebiete innerhalb der Mikrobiologie. Beim CRISPR handelt es sich also um ein biologisches Antivirus-Programm, das schädliche virale DNA erkennt und diese durch Einführung von Schnitten inaktiviert.
In der CRISPR-Technologie wird genau dieses Prinzip verwendet. Man programmiert das Cas9-Protein (Cas9: C RISPR- as soziertes Protein 9 ) im Labor so um, dass nicht eine virale DNA, sondern beliebige DNA-Moleküle, etwa die DNA in einer pflanzlichen oder menschlichen Zelle, erkannt und an genau definierten Positionen geschnitten werden. Die Bezeichnung von Cas9 als “molekulares Skalpell” oder “Präzisions-Gen-Schere” in diversen Medien rührt also von der Möglichkeit her, die DNA innerhalb einer Zelle an definierten Stellen punktgenau schneiden zu können.
Versuche, synthetische DNA-schneidende Proteine im Labor zu entwickeln – und die natürliche Lösung
In der biologisch-medizinischen Forschung gab es schon länger die Erwartung, ein molekulares Werkzeug, ein Proteinmolekül, im Labor zu entwickeln, was das Schneiden der DNA an einer gewünschten Position ermöglicht.
Wenn man sich die genetische Information als eine Sprache vorstellt, so besteht das genetische Alphabet aus nur vier Buchstaben. Die Abfolgen aus diesen vier Buchstaben (die Nukleotide A, G, C, T) kodieren die gesamte biologische Vielfalt in der Natur. Eine einzige menschliche Zelle besitzt etwa 3 Milliarden dieser Buchstaben, die in einer ganz bestimmten Abfolge (DNA-Sequenz) geordnet sind.
Möchte man nun an einer definierten Position eine Änderung einführen oder eine Korrektur durchführen, muss das Protein exakt diese eine DNA-Stelle spezifisch erkennen, die sich von den umgebenden Regionen nur durch die Reihenfolge der Nukleotide unterscheidet. Diese Eigenschaft eines Proteins bezeichnet man als seine DNA-Sequenz-Spezifität.
Es gibt viele spannende Ansätze, die seit etwa 2004 zur Editierung von Genomen (Genom: Gesamtheit aller DNA-Informationen in einer Zelle) entwickelt und eingesetzt werden. Dazu gehören die Zinkfinger- und TAL-Nukleasen (Nuklease: DNA-schneidendes Protein). Die Schwierigkeit bei diesen Technologien ist, dass für jede neue Zielstelle an der DNA ein neues, maßgeschneidertes Zinkfinger- bzw. TAL-Protein im Labor hergestellt werden muss, was sehr zeitaufwändig und kostspielig ist.
Ein weiteres Problem ist, dass es nicht vorhersagbar ist, ob diese aufwändig im Labor hergestellten synthetischen Nukleasen am Ende auch funktionell sein werden und ob sie die erwartete Präzision besitzen. Sofern das Protein auch andere Bereiche der DNA schneidet (sogenannte Off-target-Stellen), ist es in der Anwendung nutzlos.
Während sich die Forscher im Labor mit der Herstellung von synthetischen Nukleasen beschäftigt haben, kam mit der Entdeckung des Cas9-Proteins die einfache Lösung von der Natur selbst. In Bakterien hat sich das Cas9-Protein nach Millionen Jahren Evolution in der Art und Weise entwickelt, dass seine Sequenz-Spezifität sich sehr simpel modulieren lässt. Damit war plötzlich eine natürliche Lösung für die Entwicklung eines “molekularen Präzisions-Skalpells” da.
Cas9: Eine Nuklease aus der Natur
Cas9 ist ein bakterielles Protein mit einer Nuklease-Aktivität (also ein DNA-schneidendes Enzym), das man an nahezu beliebige Stellen im Genom dirigieren kann. Das Umprogrammieren der DNA-Sequenz-Spezifität von Cas9 erfolgt durch ein kurzes RNA-Molekül, was an das Cas9 bindet und – vergleichbar zum POI- (Point Of Interest) System in der GPS-Technologie – Cas9 punktgenau an eine gewünschte Position entlang einer DNA navigiert.
Eine bedeutende Stärke der CRISPR-Technologie ist die Einfachheit, solche RNA-Gen-Sonden im Labor zu konstruieren und damit das Cas9-Protein an nahezu beliebige DNA-Positionen zu leiten, ohne dabei komplexe Zinkfinger- oder TAL-Proteine herstellen zu müssen.
Möchte man beispielsweise das Gen A verändern, designt man sich eine CRISPR-RNA gegen das Gen A, die die Position des Cas9-Proteins innerhalb des Gens A definiert; möchte man Gen B modifizieren, dann ist eine CRISPR-RNA gegen Gen B zu konstruieren. Bis zu 20 solcher CRISPR-RNAs können an einem halben Arbeitstag im Labor durch einen erfahrenen Mitarbeiter hergestellt werden.
An dieser Stelle möchte ich aber betonen, dass die technische Einfachheit der Technologie relativ zu sehen ist, beispielsweise im Vergleich zur Herstellung von Zinkfinger- oder TAL-Nukleasen. Die Umsetzung der CRISPR-Technologie erfordert gut ausgestattete molekular- und zellbiologische Labore und Fachkenntnisse. Die in manchen Medien angesprochenen Sorgen, dass etwa Hobby-Forscher (Bio-Hacker) in einem Kellerraum CRISPR selber zusammenbauen und anwenden, sind unbegründet.
Vereinfacht hat die CRISPR-Technologie auch die simultane Bearbeitung mehrerer Gene in einer Zelle (Multiplexing). Hierzu werden in einer Zelle dem Cas9-Protein mehrere CRISPR-RNAs angeboten, die die Positionen der Ziel-Gene definieren.
Eine weitere Besonderheit der CRISPR-Cas9-Technologie ist in der Universalität des genetischen Codes begründet: In allen Organismen kodieren dieselben Bausteine (Nukleotide A, G, C, T) nach dem gleichen Muster für eine biologische Information. Dadurch ist die CRISPR-Cas9-Technologie prinzipiell in allen Lebewesen einsetzbar. Und tatsächlich funktioniert die CRISPR-Cas9- Technologie an der DNA von “simplen” Bäckerhefen bis hin zu Champignons, Insekten oder eben menschlichen Zellen.
Warum das Einführen von Schnitten in die DNA so wertvoll ist
Das Aufschneiden der DNA an der gewünschten Stelle ermöglicht so einiges: das Ausschalten von Genen (knock-out), das Einfügen von neuen DNA-Sequenzen (knock-in) oder die Korrektur von mutierten Genen.
Für das Ausschalten von Genen reicht die Einführung von Cas9 mit der entsprechenden CRISPR-RNA in die Zellen aus. Der von Cas9 eingeführte Bruch in die DNA wird von der Zelle wieder repariert. Der Trick ist, dass bei einer fehlerfreien Reparatur der DNA die Zielstelle wieder regeneriert ist und daher erneut von Cas9 erkannt und geschnitten wird. Folglich wird die DNA von Cas9 so lange geschnitten und von der Zelle repariert, bis bei der Reparatur kleine Fehler passieren und die Abfolge der Nukleotide sich minimal verändert. Diese minimale Änderung in der DNA-Zielstelle führt dazu, dass sie von Cas9 nicht mehr erkannt wird. Die eingeführten kleinen Fehler (meist fehlen einige wenige Nukleotide) führen dazu, dass das Gen nicht mehr funktionell ist.
Für das Einfügen zusätzlicher DNA-Elemente oder die Korrektur von Gen-Mutationen wird der Zelle zusätzlich zu Cas9 und der CRISPR-RNA ein kurzes DNA-Molekül mit korrigierter DNA-Sequenz angeboten (Template-DNA). Die DNA-Sequenzen im Bereich der Cas9-Schnittstelle werden durch die Template-DNA ersetzt (cut and paste).
Bei all diesen Anwendungen werden nach einer bestimmten Zeit das Cas9-Protein und die CRISPR-RNA in der Zelle abgebaut. Die ganze Prozedur lässt daher, bis auf die gezielt eingeführten Modifikationen in der DNA, keine weiteren Veränderungen in der Zelle oder dem Organismus zurück.
Letzten Endes erlaubt uns die Einführung von DNA-Schnitten eine nahezu beliebige Änderung oder Umschreibung von genetischen Informationen (Genome Editing). Schon seit einigen Jahren ist das schnelle und kostengünstige Auslesen der genetischen Information möglich (Next Generation Sequencing). Mit CRISPR sind wir nun auch in der Lage, diese Informationen durch Überschreiben, Ergänzen oder Löschen zu bearbeiten.
Die Bedeutung der CRISPR-Cas9-Technologie für die Forschung
Die Inaktivierung eines Gens und die Untersuchung der Folgen für die Zelle erlaubt idealerweise die Zuordnung einer bestimmten Funktion für ein bestimmtes Gen. Solche Untersuchungen werden als Rückwärts-Genetik (Reverse Genetics) bezeichnet, d.h. die Sequenz eines Gens ist bekannt, ohne dass Informationen über die Gen-Funktion vorliegen.
Durch die Entwicklung der CRISPR-Cas9-Technologie hat die Rückwärts-Genetik einen neuen Anschub bekommen, und zwar auch in solchen Organismen, in denen vorher die Einführung von genetischen Veränderungen schwierig bzw. nicht möglich war.
Revolutioniert hat die CRISPR-Technologie auch die Vorwärts-Genetik (Forward Genetics), also die Identifizierung eines Gens, das für eine bestimmte Ausprägung/Funktion zuständig ist. Beispielsweise zeigen Menschen, die eine bestimmte Mutation im CCR5-Gen besitzen, eine Resistenz gegen Infektionen mit dem HI-Virus (HIV).
Will man nun herausfinden, ob weitere Gene an der Resistenzbildung beteiligt sind, kommt Vorwärts-Genetik zum Einsatz (in diesem Fall: Gene unbekannt – Ausprägung: HIV-Resistenz). Mit einer speziellen Form der CRISPR-Cas9-Technologie, dem sogenannten genom-weiten Screening, kann sehr schnell und präzise nach den Genen gesucht werden, die an der Resistenzbildung beteiligt sind. Erst kürzlich wurden durch CRISPR-Screenings bis zu sechs weitere Gene identifiziert, die an der Resistenzbildung von menschlichen Zellen gegen eine HIV-Infektion beteiligt sind.
Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von CRISPR in der Vorwärts-Genetik ist die Identifizierung von Genen, die an der Tumorentstehung oder Resistenzbildung von Krebszellen gegen Chemotherapeutika beteiligt sind. Auch hierzu sind mehrere Studien publiziert worden, die ganz neue Einblicke in die Tumorbiologie und somit auch mögliche Ansätze für die Entwicklung neuer Therapien geben.
Einsatzbereiche der CRISPR-Cas9-Verfahren in der Biotechnologie
Alle Zweige der industriellen Biotechnologie profitieren gleichermaßen von der Entwicklung der CRISPR-Verfahren. Die Modifikation von Organismen (hauptsächlich Mikroorganismen) in der weißen Biotechnologie ermöglicht es, die Produktionsausbeuten von industriell wichtigen Stoffen zu erhöhen oder sogar komplett neue biologische Herstellungswege für industrielle Produkte zu generieren.
In der grünen Biotechnologie (Landwirtschaft) erlaubt die CRISPR-Technologie, Pflanzen zu modifizieren, um nutzbringende Eigenschaften zu erhalten (beispielsweise ertragreichere Sorten mit höherer Widerstandsfähigkeit gegenüber Dürre/Schädlingen). Derzeit ist in Europa die Frage nicht geklärt, ob die mit CRISPR modifizierten Organismen als gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) zu klassifizieren sind. Eine Frage, die auch nicht so einfach zu beantworten ist. CRISPR lässt keine Restaktivität oder sonstige Spuren einer Fremd-DNA zurück. Folglich sind CRISPR-modifizierte Pflanzen kaum mehr von solchen zu unterscheiden, die durch klassische Züchtungsverfahren hergestellt worden sind.
Der Einsatz von ionisierender Strahlung oder mutagenen Chemikalien in der Pflanzenzüchtung ist weitestgehend akzeptiert, um neuere Varianten von Nutzpflanzen zu erhalten. Ionisierende Strahlung führt zu DNA-Schäden an zufälligen Bereichen im Erbgut – also ähnlich wie CRISPR-Cas9. Nur eben mit dem Unterschied, dass im Gegensatz zur Bestrahlung die Positionen der DNA-Brüche mit CRISPR-Cas9 nicht dem Zufall überlassen sind, sondern präzise an den von einem Experimentator festgelegten Stellen stattfinden.
Die Folgen der DNA-Brüche und -Schäden sind in allen Fällen ähnlich. Zell-eigene Reparaturmechanismen reparieren die betroffenen Stellen, währenddessen spontane Veränderungen an der DNA entstehen können. Diese Veränderungen wiederum können unter Umständen in neuen Varianten mit neuen und gewünschten Eigenschaften resultieren.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass laut Pressemeldungen ein schwedischer Professor einen CRISPR-modifizierten Kohl verspeist hat, wohl um öffentlichkeitswirksam die Unbedenklichkeit des Verzehrs von CRISPR-modifizierten Pflanzen zu demonstrieren.
Viele Hoffnungen hat die CRISPR-Technologie auch für die Anwendung in der Gentherapie bzw. personalisierten Medizin geweckt ( rote Biotechnologie ). Bei der Behandlung von monogenetischen Erkrankungen, also Erbkrankheiten, die durch eine Mutation eines einzelnen Gens hervorgerufen werden, kann man in der Zukunft prinzipiell von den Möglichkeiten der CRISPR-Cas9-Technologie profitieren. Beispiele für unheilbare monogenetische Erkrankungen sind Muskeldystrophie, Chorea Huntington oder Mukoviszidose. In kultivierten menschlichen Zellen im Labor ist in den ersten Ansätzen ein Erfolg bei der Reparatur solcher Gen-Defekte mit CRISPR erzielt worden. Hierzu werden die veränderten Bereiche der betroffenen Gene mit Cas9 entfernt und durch korrigierte DNA-Abschnitte ersetzt. Auch das Herausschneiden von HIV-Genen aus infizierten menschlichen Zellen im Labor war erfolgreich.
Trotz dieser ersten vielversprechenden Ansätze im Labor ist die CRISPR-Technologie noch keineswegs für eine Gen-Therapie bei Menschen ausgereift. Es sind noch einige technische Hürden zu nehmen, bevor eine somatische (nicht die Keimbahnzellen betreffende) Gen-Therapie mit CRISPR in Betracht gezogen werden sollte.
Für die Anwendung im menschlichen Körper liegt eine Herausforderung beispielsweise darin, die CRISPR-Cas9-Komponenten in die betroffenen Zellen einzuschleusen. Klassischerweise werden hierzu inaktivierte Viren als Genfähren verwendet. In der Umsetzung mit CRISPR müssen die Einschleusungsverfahren noch optimiert und angepasst werden. Auch die Off-target-Problematik von Cas9-Proteinen bedarf noch intensiverer Untersuchungen und muss in jedem Einzelfall zweifelsfrei ausgeschlossen werden.
In China, und bald wahrscheinlich auch in den USA, gab es dieses Jahr grünes Licht für die ersten Tests an Krebspatienten. Allerdings nicht für eine Gen-Therapie im menschlichen Körper, sondern für das Umprogrammieren von isolierten Immunzellen (CAR-T-Therapie). Ziel ist es, die Immunzellen mittels CRISPR spezifisch auf die diagnostizierte Krebsart zu trimmen, so dass nach der Zurückführung der editierten Immunzellen in den Patientenkörper eine effizientere Erkennung und Inaktivierung der entarteten Krebszellen erfolgen kann.
Tiefgreifende und hochriskante Anwendungen: Keimbahn-Therapie und “Gene Drive”
Berechtigte Sorgen betreffen die Verwendung der CRISPR-Technologie in der sogenannten Keimbahn-Therapie, bei der das Ziel die Veränderung der Gene in Eizellen, Samenzellen oder befruchteten Eizellen ist. Außer dass so ein Eingriff ethisch nicht vertretbar ist, ist es in Deutschland laut Embryonen-Schutzgesetz auch verboten. Im Gegensatz zu den oben genannten Gen-Therapie-Maßnahmen in menschlichen Körperzellen (somatische Gen-Therapie) wären die in einer Eizelle eingeführten Gen-Modifikationen in allen Zellen des ausgetragenen Säuglings vorhanden, einschließlich der Keimzellen. Damit werden die eingeführten Veränderungen auch an die Nachkommen weitergegeben, und diese Folgen sind kaum kalkulierbar.
Ein weiteres problematisches Gebiet ist die Nutzung der Technologie für “Gene Drive”, bei der sich die Veränderung durch CRISPR-Cas9 – einmal eingeführt – in alle Nachfolge-Generationen einer Population selbstständig verbreitet. Dabei werden die natürlichen Vererbungsgesetze außer Kraft gesetzt, was bereits erfolgreich im Labor in Mücken angewandt worden ist. Eine potentielle Anwendung ist beispielsweise, die Mücken im Labor so zu verändern, dass sie keine Malaria-Erreger mehr weiterverbreiten können. Werden solche Mücken mit “Gene Drive”-Elementen ausgestattet und in die Natur freigesetzt, könnte sich die Veränderung nach einigen wenigen Generationen so weit durchsetzen, dass eine Eliminierung der ursprünglichen (Krankheit übertragenden) Mücken durch CRISPR-modifizierte Mücken stattfinden kann. Hier ist das Ziel, eine gesamte Population einer Art gentechnisch zu verändern. Auch hier überwiegen derzeit die Risiken den Nutzen eines Eingriffs bei weitem.
Zusammenfassung und Ausblick
Es kommt sehr selten vor, dass eine wissenschaftliche Entdeckung das Interesse der Gesellschaft dermaßen auf sich zieht. Es vergeht keine Woche, in der man nicht einen Beitrag über CRISPR in den Medien liest oder hört. Was gut ist – denn im Gegensatz zu anderen neuen (nicht biologischen) Technologien laufen die Diskussionen vor einer breiten oder massenhaften Einführung der Technik.
Allerdings geht es in den Diskussionen über die CRISPR-Cas9-Technologie oft unter, wie viele neue Erkenntnisse wir in der kurzen Zeit mittels CRISPR bereits erworben haben und in Zukunft noch erwerben werden.
Weniger bekannt in der Öffentlichkeit ist die Tatsache, dass in leicht modifizierten Versionen des Cas9-Proteins dieses nicht nur als eine DNA-Nuklease (“molekulares Skalpell, Gen-Schere”) verwendet wird, sondern auch als Gen-Regulator stille Gene aktivieren bzw. aktive Gene stilllegen kann.
Auch kaum bekannt ist die Tatsache, dass es noch einige andere CRISPR-Proteine gibt. Beispielsweise baut das Cas3-Protein die Ziel-DNA komplett ab. Denkbar ist die Nutzung dieser Aktivität von Cas3 bei der Bekämpfung von antibiotika-resistenten Bakterien. Wenn Cas9 ein “molekulares Skalpell” ist, hat man mit Cas3 eine “molekulare Kettensäge”.
CRISPR-Cas9 ist eine revolutionäre und vielseitige Methodik. Sie wird helfen, die Funktionen von Genen zu untersuchen, die Entstehungen von Krankheiten besser zu verstehen und dazu beitragen, neue Therapien zu entwickeln.