Wen soll ein autonom fahrende Auto schützen und wessen Leben retten, wenn sich ein Unfall nicht mehr vermeiden lässt? Die Insassen des selbstfahrenden Autos oder Passanten auf oder entlang der Straße beziehungsweise andere Verkehrsteilnehmer? Darüber beraten Rechtsexperten, Ethikkommissionen, Verkehr- und Automobilexperten, Politiker und natürlich auch die Automobil-Hersteller. Ein Daimler-Manager redet nun erstmals erfrischend Klartext.
Daimler forscht genauso wie Audi/Volkswagen und BMW, aber auch Google, Ford, General Motors und natürlich Tesla am autonom fahrenden Auto. Allerdings hat sich Daimler mit seinen Mercedes-Benz-Fahrzeugen seit jeher eine besonders große Reputation in Sachen Unfall-Sicherheit und „Überleben auch bei schweren Unfällen“ aufgebaut – wenn man vom kläglichen Crashtest-Ergebnis des Citan im Jahr 2013 einmal absieht. Deshalb machte es Sinn, dass die englischsprachige Automobil-Zeitung Autoxexpress einen Verantwortlichen von Daimler die Frage stellte, wessen Leben ein autonom fahrender Mercedes-Benz im Zweifelsfall retten soll: Das der Insassen oder das anderer Verkehrsteilnehmer?
Insassen zuerst retten
Normalerweise drücken sich die Automobil-Hersteller hier um eine klare Antwort, um keine Ressentiments zu schüren. Doch Christoph von Hugo, Abteilungsleiter Aktive Sicherheit bei der Daimler AG, redet erfrischend Klartext: Künftige autonom fahrende Mercedes-Benz-Fahrzeuge werden zunächst einmal ihre Insassen schützen. In Situationen, in denen sich ein Unfall nicht ganz vermeiden lässt.
„Wenn Sie wissen, dass Sie zumindest eine Person retten können, dann retten Sie wenigstens diese. Retten Sie also die eine Person im Auto”, so Christoph von Hugo. Alternativ könnte man zwar das Auto „opfern“ und versuchen die Menschen auf der Straße zu retten, fährt von Hugo fort. Doch dann wisse man nicht sicher, was mit den Menschen außerhalb des Autos passiert. In komplexen Situationen sei die Sicherheit von Menschen außerhalb eines stabilen und crashsicheren Autos viel weniger einzuschätzen als das Schicksal der Fahrzeug-Insassen. Also mache es Sinn, die Leben der Menschen zu retten, deren Sicherheit man eher garantieren könne, meint von Hugo sinngemäß.
Sicherheit macht Autos schwerer
Die Aussage des Daimler-Managers dürfte keinen klar denkenden Menschen überraschen. Jeder Kunde, der ein Auto kauft, erwartet, dass ihn das Auto maximal schützt. Dieser Anspruch dürfte bei Käufern eines Mercedes besonders ausgeprägt sein. Es ist ja auch selbstverständlich, dass ein Kunde für sein Geld den maximalen Gegenwert verlangt. Und der größtmögliche Gegenwert ist nun einmal das eigene Leben.
Grundsätzlich sollen autonome Autos Unfälle ganz vermeiden
Doch grundsätzlich will Daimler seine Autos natürlich so bauen, dass sie Unfälle gänzlich vermeiden helfen sollen. Hierauf liegt der Forschungsschwerpunkt von Daimler. Wichtig dabei ist sicherlich die Car-to-Car-Kommunikation, bei der die Autos miteinander „reden“ und sich gegenseitig warnen oder gegebenenfalls gegenseitig auch die Vorfahrt einräumen können. Aber auch Car-to-X spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle: Wenn beispielsweise Bodensensoren das sich nähernde Auto vor plötzlichem Glatteis warnen. Von Hugo glaubt deswegen, dass die derzeit so heftig diskutierte ethische Frage, wessen Leben ein autonom fahrendes Auto retten soll, in der Praxis gar keine so große Rolle spielen wird. Weil autonome Autos in der Regel Unfälle generell vermeiden werden.
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