Seit der ersten Hälfte der 1970er Jahre ging die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland fast kontinuierlich zurück. Tempolimit 100 auf Landstraßen, Promillegrenze, Gurtpflicht und die ständigen technischen Verbesserungen – im Bereich der aktiven Sicherheit (ESP, bessere Bremsen und Fahrwerke, neuerdings ACC, Spurhalteassistenten, Spurwechselassistenten und Notbremsassistenten) und bei der passiven Sicherheit (stabilere Fahrgastzellen, Knautschzonen, Seitenaufprallschutz, Airbags, Gurtstraffer etc) – sorgen dafür, dass trotz immer mehr Fahrzeugen auf den Straßen immer weniger Menschen sterben, auch wenn die Autos dadurch schwerer werden. Doch seit Kurzem wendet sich das Blatt: Es sterben wieder mehr Menschen im Verkehr, wie die Dekra berichtet.
Hintergrund: Sicherheit macht Autos schwerer
In Deutschland stieg 2015 die Zahl der Verkehrstoten das zweite Jahr in Folge an – um 2,4 Prozent auf 3459 Getötete. Doch das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für die gesamte EU: In den 28 Mitgliedstaaten der EU kamen 2015 rund 26.000 Menschen im Straßenverkehr ums Leben – das bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 1,2 Prozent, wie die Dekra meldet. In Frankreich starben im vergangenen Jahr 3461 Menschen auf den Straßen (+2,3 Prozent). Auch in Italien stieg nach der vorläufigen Statistik die Zahl der Verkehrstoten um 1,1 Prozent auf 3419. Es ist der erste Anstieg seit 2001. Deutschland, Frankreich und Italien machen laut Dekra zusammen knapp 40 Prozent aller Verkehrstoten in der EU aus.
Menschliches Versagen
Die Hauptursache von Unfällen mit Personen- und/oder Sachschaden ist menschliches Versagen: Der Mensch ist für etwa 90 Prozent der Unfälle verantwortlich, wie die Dekra schreibt. Hier können Fahrerassistenzsysteme und schließlich vollautomatisierte Fahrzeuge eine deutliche Verbesserung bewirken.
Smartphones lenken immer öfter ab
Doch warum krachte es zuletzt wieder häufiger? Die Antwort der Dekra: Während viele Maßnahmen, insbesondere auch elektronische Assistenzsysteme, in den vergangenen Jahren die Straßen sicherer gemacht haben, wird dieses positive Potenzial durch zunehmende Ablenkung im Verkehr teilweise zunichte gemacht. Ablenkung am Steuer ist ähnlich gefährlich wie Alkohol.
Autofahrer wenden ihre Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr ab, weil sie beispielsweise ihre Smartphones bedienen. Die Gefahren hierdurch sind nicht zu unterschätzen. Hierbei darf man ergänzend sicherlich auch die immer umfangreicheren Infotainmentsysteme moderner PKWs hinzufügen, die ebenfalls erhebliches Ablenkungspotenzial bieten, wenn sie nicht vorschriftsmäßig bedient werden.
Update 5. Oktober 2016: In Weiden in der Oberpfalz steht ein 23 Jahre alter Mann vor Gericht. Er hat einen tödlichen Auffahrunfall verursacht. Dabei besteht der dringende Verdacht, dass der Mann gerade mit seinem Smartphone beschäftigt war, als er mit seinem PKW auf einen Traktor auffuhr und dabei den Landwirt tödlich verletzte.
Junge Frau übersah Panzerkolonne – Handy im Spiel?
Ein andere Fall von vermutlicher Ablenkung durch ein Smartphone ging 2015 dagegen glimpflich aus: Die 18 Jahre alte Fahrerin eines Toyota Yaris tippte vielleicht auf ihrem Handy herum, als sie eine vorfahrtberechtigte Panzerkolonne übersah und unter einen riesigen Kampfpanzer geriet (Foto siehe oben). Offiziell ist zwar nicht bekannt, weswegen die junge Fahrerin eine ganze Kolonne riesiger Kampfpanzer übersehen könnte (die Fahrerin wird nicht zugegeben haben, dass sie verbotenerweise auf ihr Handy blickte). Doch der Verdacht liegt nahe, dass die junge Dame mit ihrem Handy beschäftigt war.
Auch Fußgänger gefährdet
Doch die Ablenkungsgefahr beschränkt sich nicht nur auf die Autofahrer, sondern betrifft auch Fußgänger: Die Dekra-Unfallforschung hat in sechs europäischen Hauptstädten beobachtet, dass insgesamt fast 17 Prozent der Fußgänger beim Überqueren der Straße ihr Smartphone benutzten.
Schock-Video warnt vor Handy-Nutzung im Verkehr:
Rund 22 Prozent aller Verkehrstoten in der Europäischen Union sind laut Dekra Fußgänger. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wird etwa jeder zehnte Todesfall auf deutschen Straßen durch falsches Verhalten von Fußgängern verursacht.
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