Die Raspberry-Modelle haben von ihren Entwicklern mit dem Broadcom Videocore IV eine leistungsfähige Grafikeinheit und einen HDMI-Ausgang bekommen. Dank Decodierung von Videos auf Hardware-Ebene stemmen die Platinen selbst die ruckelfreie Darstellung hochauflösender Filme mit 1920 mal 1080 Pixeln. Zusammen mit Kodi als fernsehertaugliche Oberfläche dient der Raspberry Pi gut als günstiger Streaming-Client im LAN oder als Player von Videodateien auf USB-Sticks.
Es gibt für den Raspberry Pi deshalb einige Distributionen mit der Medienzentrale Kodi im Mittelpunkt, und bekanntester Vertreter dieser Kategorie war Raspbmc. Das Debian-System kombinierte Raspbian mit der Medienzentrale, und der Raspberry ließ sich nebenbei auch noch für andere Netzwerkaufgaben konfigurieren. Der Preis dieser Flexibilität war jedoch eine schlechtere Performance von Kodi unter Raspbmc im Vergleich zu spezialisierten Kodi-Distributionen wie Open Elec.
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Das Open Source Media Center ersetzt Raspbmc
Im Juli hat der maßgebliche Entwickler hinter Raspbmc diese Distribution eingestellt, um sich einem neuen System für den Raspberry Pi zu widmen, das von Grund auf neu die Unzulänglichkeiten von Raspbmc anging. Zudem schlossen sich dem neuen Projekt die Entwickler von Crystalbuntu an, einer Ubuntu-Portierung für den Apple TV 1. Das Resultat ist das „Open Source Media Center“ oder kurz OSMC .
Die großen Unterschiede zum Vorgänger Raspbian: Die Basis bildet jetzt das neue Debian 8 „Jessie“ mit aktuellen Paketen, Kodi ist mit einer angepassten, schnelleren Oberfläche in Version 15.2 enthalten. Darüber hinaus gibt es weiterhin den gesamten Schatz der Debian-Pakete für die ARM-Plattform. Ein Raspberry Pi mit OSMC ist also ausbaufähig und kann nebenbei noch weitere Aufgaben erledigen, etwa als Mini-Server im Netzwerk. Trotzdem bleibt OSMC mit seiner Auswahl vorinstallierter Software kompakter als ein ausgewachsenes Raspbian – denn Kodi steht im Mittelpunkt. Auf einer SD-Karte verlangt das System 800 MB – außer Kodi, SSH-Server und Kommandozeilen-Tools ist nichts vorinstalliert. Es bleibt Anwendern überlassen, weitere Pakete aus den Debian-Quellen nach Wunsch per apt auf der Kommandozeile nachzurüsten.

Ungewöhnliche Installation
Anders als bei Raspbian, wo ein Image zwei Linux-Kernel für beide Generationen der Raspberry-Platine mitbringt, liegt OSMC für Raspberry Pi 1 und 2 in gesonderten Images vor. Neben den eigentlichen Images (150 bis 170 MB) gibt es auch noch Installer für Linux, Windows und Mac-OS X. Dieser optionale Installer erleichtert auf anderen Systemen als Linux die Übertragung des Abbilds auf eine SD-Karte. Zudem kann der Installer auch gleich den Download des Images übernehmen und die Netzwerkeinstellung des Zielsystems vorkonfigurieren.
Nach dem ersten Start auf dem Raspberry Pi installiert sich das zuvor übertragene Systemabbild selbständig und dehnt sich über die gesamte SD-Karte aus, was etwa fünf Minuten dauert. Danach zeigt OSMC für die weitere Einrichtung einen Willkommensbildschirm an, der mit der Sprachauswahl beginnt und dann Zeitzone, falls nötig die Netzwerkeinstellungen und das gewünschte Aussehen abfragt. Die Konfiguration lässt sich gut mit Tastatur erledigen, aber für die Eingabe per Fernbedienung gibt es auch eine Bildschirmtastatur für alphanumerische Felder.
Viele Einstellungen sind noch in Englisch, das fertig eingerichtete System liegt dann aber in Deutsch vor. Die Einrichtung von Benutzernamen und Passwort überspringt OSMC und erstellt automatisch den Benutzer „osmc“ mit dem Passwort „osmc“. Der SSH-Server zur Anmeldung mit diesen Anmeldedaten wird automatisch gestartet.

Kodi mit schlichter Oberfläche
OSMC startet nach dem Einschalten sofort zur Oberfläche von Kodi, die ein recht schlichtes Äußeres bekommen hat: weiße Textelemente und einfache Symbole auf blauem Hintergrund. Die übliche Kodi-Oberfläche „Confluence“ mit Hintergrundbildern steht aber im Menü „Einstellungen -> Darstellung -> Skins“ auch zur Auswahl. Bevor Kodi etwas abspielen will, ist es erst nötig, eine Bibliothek aufzubauen. Als Quelle kommen lokale Verzeichnis im Ordner „/home/osmc“ in Frage, Windows-Freigaben, NFS-Netzlaufwerke und UPnP/DLNA-Streams.
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Ein eigenes OSMC-Menü mit erweiterten Systemeinstellungen öffnet sich über den Punkt „My OSMC“ im Hauptmenü. Dort sind die speziellen Raspberry-Optionen untergebracht – ein bequemes Menü zum Übertakten, Systemaktualisierungen, die Einrichtung einer Fernbedienung und ein App Store. Letzterer bietet momentan aber nur einen Webserver, einen Samba-Server, den Bittorrent-Client und einen Taskplaner über Cron.
Wer eine Eingabeaufforderung sucht, um das Debian-System über die Shell zu verwalten, muss auf „Power -> Verlassen“ gehen und dann die Esc-Taste drücken. Alternativ steht aber der SSH-Server zur Fernwartung bereit. Ein Besuch der Shell ist auch dann nötig, wenn man das voreingestellte Passwort ändern möchte. Dazu dient der übliche Linux-Befehl „passwd“, denn auf der grafischen Oberfläche gibt es keine Benutzerverwaltung.
Fazit: Auch OSMC ist kein Leichtgewicht
Kodi läuft unter OSMC deutlich flüssiger und stabiler als noch unter Raspbmc. Kodi bleibt aber auf dem Raspberry Pi A/B träge und reagiert nach Menübefehlen sowie bei beim Vor-und Zurückspulen von Videodateien mit deutlichen Verzögerungen. Ein Übertakten lindert diese Leistungsengpässe nur ein Stück. Auf dem neuen Raspberry Pi 2 mit seinen vier ARM-Kernen fühlt sich OSMC aber wohler.
Wer einen älteren Raspberry nur noch als Player und Streaming-Client abstellen möchte und keine Ausbaumöglichkeiten zum Mini-Server braucht, ist mit dem sparsameren Open Elec besser bedient.







