Der Weg zum Selficon beginnt mit dem Touchscreen und seiner Verbreitung in Smartphones, iPads und anderen Tablets. Dann kamen Apps wie Upad, Jotter oder Noteshelf, mit denen auch Mails und Posts eigenhändig zu schreiben und zu illustrieren sind. Seit iOS 9 funktioniert das nun auch mit “Notizen”, und demnächst können wir vermutlich sogar in allen Mailprogrammen mit der Hand schreiben und zeichnen, so wie heute schon in Gmail.

©Prof. Jochen Gros
Handschrift auf dem Weg ins Internet
Grundsätzlich schreiben wir in Handschrift schneller als mit der virtuellen Tastatur. Aber natürlich hängt das davon ab, wie geübt jemand ist, welchen Stylus er verwendet und welche Schriftart er wählt.
Wenn der Text auf jeden Fall lesbar sein soll, sind vor allem Großbuchstaben gefragt, so wie in der Vorschule und beim Ausfüllen von Formularen. Deutlich schneller funktioniert die sogenannte Grundschrift mit gedruckten Groß- und Kleinbuchstaben. Und am besten wäre es wohl, wenn wir das einmal erlernte Handwerk der Schreibschrift – der “Schnürlischrift”, wie die Schweizer sagen – wieder im alltäglichen Gebrauch reanimieren könnten.
Doch für welche Typografie man sich auch entscheidet, die eigene Handschrift findet nun vom iPad aus einen direkten Weg ins Internet. Oder anders gesagt, unsere Handschrift schließt in Mails und Posts gewissermaßen zur digitalen Welt auf.
Fraglich bleibt allerdings, wie weit die im Touchscreen begründete “digitale Renaissance der Handschrift” tatsächlich geht.
Doch wer heute eine Mail mit der Hand schreibt, der findet in den digitalen Stiften, Pinseln und Farben auch Anreize zum Kritzeln und Malen. Und dann machen womöglich auch Einladungen, Glückwünsche, Grußworte usw. noch mehr Sinn, zumindest noch mehr Spaß, wenn eigenhändige Illustrationen dazukommen – angefangen womöglich mit simplen Emoticons oder Emojis. Diese Strichgesichter sind inzwischen schon so beliebt, dass sogar das “ Oxford English Dictionary ” ein Emoji zum globalen “Wort” des Jahres 2015 gekürt hat.
Tatsächlich hat diese Erfolgsgeschichte aber auch eine Kehrseite. Je öfter man ein Emoji verwendet, desto eher gerät es zum Klischee. Eigenhändige Skizzen dagegen werden zwar nie perfekt, aber sie wirken auf jeden Fall persönlich und individuell, selbst wenn sie noch so krakelig ausgeführt werden. Zudem könnte das Skizzieren mit digitalen Stiften und Pinseln durchaus noch viel weiter gehen: als nächstes etwa in Form von Strichmännchen und Strichweibchen.
Emoticons mit Mimik und Körpersprache
An dieser Stelle bietet es sich zunächst einmal an, auch die Strichmännchen im Stil von Handschrift zu zeichnen, d.h. mit einer möglichst durchgängigen Linie. Auf diese Weise sind die Figuren mit etwas Übung fast so flüssig zu zeichnen wie eine “Schnürlischrift”. Vor allem aber bekommen die Smileys jetzt auch noch Hand und Fuß – sozusagen als Smileymen und Smileywomen.

©Prof. Jochen Gros
Vorbild ist hier ein umfangreiches System von “Doodlegrammen ”, d.h. von Piktogrammen zum Selberkritzeln.
In Zukunft jedoch könnte das eigenhändige Zeichnen auch noch von Programmen unterstützt werden, die beispielsweise Striche ausbügeln, Vorlagen anbieten oder Autokorrekturen einführen – von Filtern und anderen Effekten noch gar nicht zu reden.
Vorerst allerdings werden wir die selbstgemachten Emoticons wohl erst einmal mit den virtuellen Pinseln und Farben kolorieren (und gelegentlich wie im Daumenkino animieren).

©Prof. Jochen Gros

©Prof. Jochen Gros

©Prof. Jochen Gros

©Prof. Jochen Gros

©Prof. Jochen Gros

©Prof. Jochen Gros

©Prof. Jochen Gros
Die Animation der selbstgemachten Emoticons funktioniert oft schon mit zwei oder drei Bildchen und einem einfachen GIFmaker, wie man hier sehen kann.
Und wem schließlich einzelne Selficons besonders gut gelingen oder wer seine Emoticons am Ende sogar animiert, der wird die Bildchen sicherlich auch bei der einen oder anderen Gelegenheit weiterverwenden – und zwar nicht nur via Copy and Paste.
Aber das ist jetzt schon eine andere Geschichte.