Linux-Live-Systeme sind technisch eingefroren: Systemveränderungen überleben keinen Neustart. Das ist überall dort ein großer Vorteil, wo ein System unerfahrenen, wechselnden oder destruktiven Nutzern bereitgestellt wird. Vorreiter für Linux-Live-Systeme ist Knoppix, weitere prominente und spezialisiertere Live-Systeme sind etwa Parted Magic, Tails , Lightweight Portable Security, Puppy Linux oder Bankix. Außerdem bieten alle namhaften Distributionen Live-Systeme mit Installationsoption, die vorab ein risikoloses Ausprobieren des Systems erlauben. Alle solche Live-ISOs lassen sich problemlos startfähig auf CD/DVD brennen oder mit Unetbootin auf USB-Stick schreiben. Jedoch erfüllt etwa ein Knoppix oder Ubuntu von der Stange oft nicht alle Komfort-und Software-Wünsche. Es fehlt eventuell wichtige Software, Browser oder Mail-Client bleiben unkonfiguriert. Manche Live-Systeme stellen außerdem beim Start lästige Fragen nach der Systemsprache oder ob man installieren möchte. Wir zeigen mit welchen Werkzeugen Sie sich individuell Live-Systeme einrichten.
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Begriffsklärung: Live oder portabel?
Linux ist uneingeschränkt portabel. Jedes Linux lässt sich auf USB-Medien installieren und in die Hostentasche stecken. Portable Systeme sind aber etwas anderes als Live-Systeme: Ein portables Linux verhält sich genau wie ein auf Festplatte installiertes – Sie können Software installieren, Benutzerdateien speichern und die Konfiguration ändern. Ein Live-System hingegen, auch wenn es sich auf einem beschreibbaren Medium befindet, speichert Änderungen nicht dauerhaft. Das Dateisystem wird in den Arbeitsspeicher geladen, und somit gehen die in der Sitzung durchaus möglichen Änderungen beim Herunterfahren wieder verloren. Typischerweise erkennen Sie ein laufendes Live-System mit dem mount-Befehl im Terminal, der ein „loop0“-Device, ein „cloop“-Device (komprimiert), ein „squashfs“ (komprimiert) oder auch ein „aufs“-Dateisystem (Another Union File System) anzeigt. Das alles sind technische Lösungen, ein nicht beschreibbares Dateisystem scheinbar beschreibbar bereitzustellen. Diese Technik dient nicht in erster Linie dem Bedienkomfort für den Nutzer, sondern ist eine technische Notwendigkeit, damit Live-Systeme von CD und DVD laufen können: Linux ist nicht per se für die Ausführung auf schreibgeschützten Medien ausgelegt und muss im Betrieb temporäre Daten und Logdateien ablegen.
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Zum Teil verschwimmen die Grenzen zwischen „live“ und „portabel“, wenn Live-Systeme spezielle Methoden vorsehen, um Dateien, Einstellungen oder neue Software außerhalb des Pseudo-Dateisystems zu speichern und somit dauerhaft in das Live-System einzubinden: So speichert etwa ein Porteus im Standardmodus („Graphics Mode“) Konfigurationsänderungen oder angelegte Benutzerdateien auf dem realen Dateisystem unter „/porteus/changes“, und nur der Startmodus „Always fresh“ ignoriert live-typisch alle Änderungen, indem er nur die Basiskomponenten („/porteus/base/“) berücksichtigt. Ein Puppy Linux fragt beim Shutdown nach, ob Sie Einstellungen oder Benutzerdateien der aktuellen Sitzung dauerhaft speichern möchten. In diesem Fall dient eine Sicherungsdatei (etwa „precisesave.2fs“) als Container, deren Pfad der Benutzer geeignet wählen muss. Diese wird dann beim nächsten Start automatisch in das Dateisystem geladen.

Die zahlreichen Möglichkeiten, ein Linux portabel, live oder live mit Änderungsfunktionen zu realisieren, machen die Entscheidung nicht einfacher. Es hängt vom Einsatzmotiv ab, welchen Typus Sie bevorzugen sollten.
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Motive und Werkzeuge für Live-Systeme
Live-Systeme eignen sich zum Testen von Systemen und Software, als öffentliche Kiosk-Surfsysteme, als Schulungssysteme, als Reparatur-und Rettungssysteme, als Sicherheitssysteme fürs Banking und für riskante Webaktionen. Natürlich können Sie auch dazu dienen, die Zugangsbeschränkungen oder sonstigen Richtlinien des auf Festplatte installierten Systems zu umgehen. Je nach Einsatzzweck ist die nachträgliche Anpassungsfähigkeit des Systems entweder erwünscht oder kontraproduktiv:
- Wenn Sie jeden Wartungsaufwand vermeiden oder größtmögliche Sicherheit erreichen wollen, nehmen Sie ein klassisches Live-System von der Stange – etwa Knoppix oder das Installations-ISO von Ubuntu oder Mint.
- Ein klassisches, eingefrorenes Ubuntu-basiertes Live-System, das Sie aber vorab individuell mit Software und Einstellungen anpassen können, erreichen Sie am einfachsten mit Systemback. Diese Methode ist für jeden Anwender mit etwas Sorgfalt gangbar und erzielt ein detailliert eingerichtetes System. Systemback macht den Einsatz der wesentlichen komplizierteren squash-tools zur Anpassung von Live-ISOs weitgehend überflüssig. Einziger kosmetischer Nachteil ist das Bootmenü von Systemback statt des originalen der Distribution.
- Deutlich aufwendiger, aber mit seinen eigenen Vorzügen ist der Weg über das Ubuntu Customization Kit.
- Wer sich sein Live-System von Grund auf neu bauen will, findet mit dem Lesslinux-Builder ein anspruchsvolles Werkzeug. Hier geht es eindeutig in die Profiecke, wie der Crashkurs auf Seite 56 zeigt.
- Ein ausgesprochen flexibler Live-Werkzeugkasten für engagierte Systembastler, die nicht bei null starten wollen, ist das bereits genannte Porteus. Die ab Seite 52 gezeigten Möglichkeiten sind bei weitem nicht alles, was Porteus zu bieten hat: Das modulare Konzept, den gewünschten Systemzustand beim Start über komprimierte „zxm“-Pakete zusammenzubauen, ist eine Spielwiese für Experimentierfreudige. Was Porteus lädt, lässt sich über Bootparameter (Cheatcodes) in der Datei „/boot/syslinux/porteus.cfg“ im Detail steuern. So sorgt etwa der Parameter „base_only“ für den Start des unveränderten Originalsystems („Always fresh“ am Bootmenü), weil nur die „zxm“-Module aus dem Verzeichnis „/porteus/base“ berücksichtigt werden. Da aber auch die Bestückung dieses „base“-Ordners durch den Austausch von „xzm“-Dateien geändert werden kann, wird auch der „eingefrorene“ Zustand variabel. Der normale Bootparameter zum Laden von einzelnen Software-(oder Einstellungs-)Modulen lautet „load=“ mit nachfolgenden Modulnamen. Die „xzm“-Dateien müssen in diesem Fall unter „/porteus/optional“ liegen. Um wiederum alle bisher erstellen „xzm“-Module (wie das geht, zeigt der Artikel ab Seite 52) aus dem Standardordner „/porteus/modules“ zu laden, genügt der Parameter „changes=/porteus“. Das Verständnis, was Porteus mit welchen Parametern aus welchem Ordnern lädt, erfordert genaues Lesen der Datei „cheatcodes.txt“ unter „/porteus/boot/docs“ und etwas empirische Erfahrung. Die Investition lohnt sich aber allemal.