Bei der Diskussion mit eingefleischten Linux-Nutzern tritt der Pragmatiker schnell in das sprichwörtliche Fettnäpfchen. Zwei Themen sind stets besonders heikel. Das eine sind kommerziell vertriebene Programme, deren Entwickler sich weigern, den gesamten Quellcode frei zugänglich zu machen. Unter ideologischen Linux-Verfechtern besteht offenbar eine Abneigung, Softwareentwickler für ihre Arbeit zu bezahlen. Das zweite rote Tuch sind Cloudangebote von Google, Microsoft oder Dropbox. Hier endet die Diskussion schnell mit dem Hinweis, dass es gar keine Cloud gibt. Die Daten befinden sich vielmehr auf dem Computer eines anderen, dem man besser keine Daten anvertrauen sollte. Es folgt dann das typische Plädoyer für die Nutzung eines NAS-Servers mit Nextcloud oder ähnlichen Lösungen. Falsch ist das sicher nicht, es verkennt aber die Tatsache, dass nicht jeder aufwendige technische Eigenlösungen leisten kann und dass manche Cloudfunktion schlicht vorbildlich ist und einfach Spaß macht.

WordPress, Wiki, Minecraft & Co. per Mausklick
Ganz oben auf der Cloud-Komfortliste steht das Cloudcomputing. Ein virtueller Computer ist bei Amazons Web Services (AWS, https://aws.amazon.com/de/ ) mit wenigen Mausklicks eingerichtet. Wer Kunde bei Amazon ist, lässt den externen Rechner dann gleich über sein Konto abrechnen. Wer zum Beispiel einen Minecraft-Server betreiben will, muss dazu niemand in sein privates Heimnetz lassen. Ein kleiner Ubuntu-Server bei AWS plus wenige Kommandos im Terminal genügen, um die Software zu installieren und den Server zu starten. Noch einfacher wird der Betrieb von Serverprogrammen, wenn Sie die vorgefertigten Lösungen von Bitnami verwenden ( https://bitnami.com/ ). Diese funktionieren auch als Docker-Lösung oder Container auf lokalen Maschinen, lassen sich aber auch auf den Cloudcomputern von Google, Amazon und IBM betreiben.
Das kostet ein paar Euro, aber eben nur so lange, als das System läuft. Und da der Minecraft-Server in der Cloud nichts mit dem Heimnetz zu tun hat, bleibt das Heimnetz von Bots und anderen Schädlingen unbehelligt. In diesem Fall bieten Cloudlösungen höhere Sicherheit als ein Eigenbau-Server, den Sie per Portfreigabe nach außen öffnen müssen.

Der Cloudzugriff – womit?
Wie tief sich der Linux-Desktop in der Nische befindet, zeigt sich bei der Cloudnutzung deutlich. Denn teilweise wird es schwierig, eine offizielle Software zu finden, um den Speicherplatz im Internet mit dem Linux-Rechner zu synchronisieren. Linux-Clients für Google, Microsoft, Dropbox und Amazon sind die große Ausnahme. Und selbst, wenn sie angeboten werden, funktionieren sie unter Umständen mit der eigenen Konfiguration nicht. Wer sein Linux nicht mit dem Dateisystem Ext4 betreibt, hat dann etwa Schwierigkeiten, die Dropbox-Software zu verwenden. Nutzer von Windows, Mac, Android und selbst iOS kennen solche Probleme nicht. Wer Daten zwischen verschiedenen Systemen auf dem gleichen Stand halten will, schaut am besten zuerst auf die Supportseiten des Anbieters. Möglicherweise finden sich dort Hinweise darauf, dass es doch einen Client gibt.
Einen universellen Ansatz fährt Rclone ( https://rclone.org/ ). Es nutzt die Mechanik des bekannten Programms Rsync und kann mit einer ganzen Reihe von kommerziellen Clouddiensten Daten abgleichen – darunter auch exotische Angebote wie Backblaze. Berührungsängste mit der Kommandozeile dürfen Nutzer dabei aber nicht haben, denn die Software läuft ausschließlich in einem Terminal, was die Installation etwas spröde macht. Auch auf der Seite des Cloudangebots sind oft ein paar Vorarbeiten zu erledigen. Sofern vorhanden und möglich, nutzt Rclone die direkten Schnittstellen von Dropbox & Co.
Die Installation von Rclone ist dank binärer Pakete auch für Einsteiger problemlos. Die Einrichtung der verschiedenen Dienste ist ausführlich in englischer Sprache dokumentiert. Dank einer weiteren Software, dem Rclone-Browser, wird das Synchronisieren später einfacher. Insync ist da kommerzielle Alternative ( https://www.insynchq.com ), die auch für Linux angeboten wird und Google Drive als Ziel für die Synchronisation anbietet. Der Abgleich mit Onedrive befindet sich noch im Betastadium.

Wer auf den Datenabgleich verzichten kann und auf den Cloudspeicher wie auf einen externen Datenträger zugreifen will, hat es einfacher. Viele Dienste bieten einen Zugriff über das Webdav-Protokoll, das von den meisten Dateimanagern direkt unterstützt wird. Welche Adressen und Zugangsdaten genutzt werden müssen, steht dann im Hilfebereich des Anbieters. Der spezialisierte Dateimanager Polo bietet direkten Zugriff für Amazon Drive, Dropbox, Google Drive und Microsoft Onedrive. Sein Entwickler muss aber in Foren regelmäßig Kritik einstecken, weil es ein kommerzielles Plug-in dafür gibt. Wer auf dessen Funktionen verzichten kann (Videodownload, Bildbearbeitungs- und PDF-Funktionen), greift kostenlos auf seinen Cloudspeicher wie auf eine Festplatte zu.

Vertrauliche Daten verschlüsseln
Selbständige und Unternehmer müssen sich genau überlegen, ob und was sie in der Cloud speichern. Die Verlagerung von Daten und Informationen mit Personenbezug ins Ausland (das gilt für fast alle Cloudspeicher außer Strato Hidrive) ist wegen der Datenschutzgrundverordnung nicht ohne Weiteres möglich. Diese Einschränkung gilt für private Anwender nicht. Allerdings war es in den vergangen Jahren unmöglich, den Schlagzeilen um Datenzugriffe durch US-Behörden, Abhöraktionen und Datenlecks bei diversen Plattformen aus dem Weg zu gehen. Schon vor diesem Hintergrund ist es mehr als empfehlenswert, die Daten nur verschlüsselt in der Cloud abzulegen.
Lösungen für diese Aufgabe gibt es genug. Bei der Auswahl spielt in erster Linie die Frage eine Rolle, auf welchen anderen Betriebssystemen die Daten benötigt werden. Nicht jedes Verschlüsselungswerkzeug ist für Linux, Windows, Mac-OS X, Android und iOS gleichermaßen verfügbar. Eine Option besteht in der Nutzung einer Software wie Veracrypt oder Cryptomator ( https://cryptomator.org/de/ ). Diese legen verschlüsselte Container an, die wie ein zusätzliches Laufwerk auf dem System des Nutzers eingebunden werden. Während der Arbeit im geöffneten Container erscheinen die Daten wie unverschlüsselte lokale Dateien. Auf dem Server des Anbieters liegen aber nur die verschlüsselten und damit nicht lesbaren Inhalte vor. Der in der Bedienung sehr komfortable Cryptomator wird auch in einer Version für iOS und Android angeboten.

Wer sich nicht scheut, mit dem Terminal zu hantieren, kann verschlüsselte Dateisysteme verwenden. Diese erledigen allerdings nur die Chiffrierung der Inhalte. Enc FS ist als Klassiker in den Paketquellen aller Distributionen enthalten. Es gibt mit Cryptkeeper sogar eine grafische Oberfläche dafür, die das Auswendiglernen von Kommandos überflüssig macht. Auch Cry FS erfüllt diesen Zweck ( https://www.cryfs.org ), hier erfolgen Verschlüsselung und Mounten der verschlüsselten Bereiche über das Terminal. Alternativ zu allen eigens installierten Verschlüsselungslösungen kann das Ausweichen auf verschlüsselte Cloudspeicher sein, wie sie beispielsweise das Schweizer Unternehmen Tresorit anbietet ( https://tresorit.com ). Dieser kostenpflichtige Clouddienst verschlüsselt serverseitig.
Lesetipp Dropbox mit Linux: Cloud als Laufwerk einhängen
Zusammenarbeit in der Cloud
Gemeinsam an einer Tabelle arbeiten, die auch zu Excel kompatibel ist? Ideen direkt austauschen? Mit Cloudangeboten gelingt das sehr gut. Googles Tabellen sind hier konkurrenzlos. Schon die Grundfunktionen dürften Gelegenheitsnutzern für Kalkulationen genügen, zumal das gemeinsame Bearbeiten von Inhalten und Formeln problemlos ist. Uneinholbar gegenüber anderen Angeboten wird die Tabellenkalkulation in der Cloud aber durch viele Spezialfunktionen, die allerdings eher zurückhaltend dokumentiert sind.
Ein Beispiel gefällig? Mit den Google-Tabellen können Sie ganze Textpassagen in eine andere Sprache übersetzen lassen. Die Formel „=GOOGLETRANSLATE(A1;“de”;“fr”)“ weist Google an, den Inhalt von Feld A1 als deutsche Sprache anzusehen, die in das Französische übersetzt werden soll. Selbstverständlich beherrschen Google-Tabellen auch bedingte Formatierungen oder Formeln wie folgende:
=sumif(F3:F88;">0";D3:D88)
Diese Funktion addiert Werte in Spalte D, sofern in Spalte F der Wert größer „0“ ist. Einziger Unterschied zu Libre Office Calc oder Microsoft Excel ist der englische Funktionsname „sumif“ statt „summewenn“. Unscheinbar wirkt auch die kleine Schaltfläche „Erkunden“ am rechten unteren Rand einer Tabelle. Sobald ein Bereich markiert und der Schalter gedrückt ist, beginnt das System mit eigenständigen Analysen inklusive einer grafischen Auswertung.

Zwar sind die Entwickler freier Cloudlösungen (wie Nextcloud) darum bemüht, mehr Funktionen für die Teamarbeit anzubieten, aber weder der einfache Texteditor noch die digitale Pinnwand reichen an die kommerziellen Dienste von Google oder Microsoft heran. Nutzer, die nicht täglich ein Office-Programm benötigen, um damit lokale Dokumente zu bearbeiten, werden sogar ausschließlich mit solchen Onlineangeboten auskommen. Speziell das Präsentationsprogramm von Google bietet aktuelle und moderne Vorlagen, die selbst Libre Office alt aussehen lassen.
Hinzu kommt der Aspekt, dass hier mit anderen in Echtzeit an den Inhalten gearbeitet werden kann. Das ist auch rechtetechnisch gut und genau zu regeln, sofern alle Beteiligten ein Konto beim jeweiligen Cloudanbieter besitzen.
Browserbookmarks synchronisieren
Wer mehrere Geräte nutzt und seinen Browser über verschiedene Systeme synchronisiert, kann seine Recherchen überall mit denselben Lesezeichen und gespeicherten Kennwörtern fortsetzen. Google Chrome bietet eine solche Funktion von Haus aus, aber nicht jeder möchte diesen Browser einsetzen. Wer Firefox nutzt, kann dessen integrierten Sync-Dienst verwenden. Ein hervorragender, wenn auch kostenpflichtiger Service ist Pocket, der verschiedene Browser unterstützt und als App als Ergänzung für das Smartphone verfügbar ist.
Diverse Erweiterungen für jedes Betriebssystem erleichtern die Speicherung von Fundstellen im Web. Dabei kann Pocket mehr als nur Lesezeichen speichern. Die Einträge lassen sich per Tags organisieren und der Dienst sichert eine lesefreundliche Kopie der Webseite, also ohne Werbebanner. In der Premiumvariante ist es ergänzend möglich, sich eine dauerhafte Version der Seite anzulegen, die auch dann verwahrt bleibt, wenn sich der Originalinhalt verändert.

Termine und Kontakte in der Cloud
Das Smartphone wird inzwischen gern als „Fernbedienung des Lebens“ bezeichnet. Wenn Sie Ihre Termine sowohl am Rechner als auch mit dem Handy verwalten wollen, geht die Synchronisation am einfachsten mit der Cloud. Relativ unkompliziert ist es, wenn Sie ein Smartphone mit dem Betriebssystem Android verwenden. Dann landen Termine und Kontakte ohnehin bei Google in der Cloud. Je nach der von Ihnen gewählten Distribution lässt sich der Abgleich mit wenigen Mausklicks oder nur mit größerem Aufwand bewerkstelligen:
Vorbildlich einfach ist das unter Ubuntu gelöst. Unter „Einstellungen –› Online-Konten“ hinterlegen Sie Ihre Zugangsdaten von Google. Sie durchlaufen den Anmeldeprozess und geben die benötigten Daten frei. Binnen weniger Augenblicke sollten dann beispielsweise in der Anwendung „Kalender“ bereits Ihre Termine erscheinen.
Nutzen Sie eine andere Distribution, die keine Onlinekonten direkt unterstützt, führt die Installation von Thunderbird und des Kalender-Plug-ins zum gleichen Ziel. Darin dürfen externe Kalender abgerufen werden. Sie müssen also lediglich die URL für die Freigabe zum Google-Kalender eintragen. Diese finden Sie im Kontextmenü „Einstellungen“ des Kalenders unter Google.
Eine deutlich größere Herausforderung haben Sie vor sich, wenn Sie Termine synchronisieren wollen, die auf einem iPhone gepflegt werden. Hier führt dann der Weg über das Caldav-Protokoll. Das Programm Evolution kann beispielsweise darüber auf Kalender zugreifen. Damit das funktioniert, müssen Apple-Nutzer über die iCloud-Website im Bereich „Sicherheit“ zunächst ein App-Kennwort hinterlegen. Dieses Passwort müssen Sie sich gut merken oder notieren. Am Konto melden Sie sich später unter Evolution mit Ihrer Apple-ID und diesem App-Kennwort an. Das Passwort für die Apple-ID wird nicht funktionieren. War die Anmeldung erfolgreich, können Sie sich dann die freigegebenen Kalender abonnieren. Analog funktioniert auch der Abgleich der Adressbücher und Kontakte.
Denken Sie an ein Offsite-Backup
Möglicherweise gehören Sie zu den risikofreudigen Naturen, denen die Datensicherung egal ist. Wenn das nicht der Fall ist, sollten Sie neben einer lokalen Sicherung noch eine sogenannte Offsite-Sicherung auf einem externen Datenträger haben. Das ist ein vollständiges Backup, das nicht in räumlicher Nähe der zu sichernden Systeme aufbewahrt wird. Denken Sie etwa an einen Wasserschaden, der dann nicht nur Desktop und Notebook betrifft, sondern auch die NAS-Festplatte, auf der sich die gesicherten Daten befinden. Mit einer Datensicherung in der Cloud verfügen Sie in diesem Fall immer noch über eine Rückversicherung. Zum Lieferumfang von Ubuntu gehört Deja Dup, das dort schlicht Datensicherung heißt. Als Speicherort können Sieden Datenspeicher zu einem der angelegten Onlinekonten hinterlegen.

Für fortgeschrittene Nutzer, die etwas mehr Einflussmöglichkeiten auf die Sicherung nehmen wollen, bietet sich Duplicati an, das auch für Windows und den Mac zur Verfügung steht. Als Ziele unterstützt die Software neben Standardprotokollen wie dem Zugang per FTP unter anderem auch Onedrive, Dropbox, Google Drive und die Infrastruktur von Amazon. Duplicati arbeitet zuverlässig, allerdings kommt es bei Google Drive gelegentlich vor, dass der „Token“ für den Zugriff auf die Daten unvermittelt abläuft und die Datensicherung erst nach erneuter Initialisierung fortgesetzt werden kann.
Bevor Sie die Daten in die Cloud laden, sollten Sie sich das Kleingedruckte des Anbieters durchlesen. So fallen für das Zurückspielen der gesicherten Dateien zum Teil zusätzliche Gebühren an.