Im Fokus der Linux-Entwickler stehen meist Server, wo Linux am häufigsten anzutreffen ist. Die knapp bemessene Zeit für die Treiberentwicklung wird daher vorwiegend in die Verbesserung der Rechenleistung investiert. Stromsparfunktionen, die zudem spezielle Anpassungen an das jeweilige Gerät erfordern, werden oft nicht ausreichend optimiert. Außerdem sind einige Stromsparfunktionen aus Kompatibilitätsgründen nach der Installation eines Linux-Systems noch nicht aktiviert. Wenn der Akku nicht lange genug durchhält, kann man das ändern. Zwei Tools helfen bei der Konfiguration.
Energiebedarf des Notebooks ermitteln

Vor der Optimierung sollte man den Leistungsbedarf des Geräts messen. Später lässt sich dann beurteilen, ob eine Maßnahme tatsächlich etwas bewirkt. Verwenden Sie in einem Terminal die Befehlszeile
cat /sys/class/power_supply/BAT?/power_now
Bei abgezogenem Netzteil erhalten Sie einen Wert in Mikrowatt, der den aktuellen Energiebedarf des Linux-Systems liefert. Teilt man den beispielsweise angezeigten Wert „19980000“ durch 1000000, ergibt das 19,98 Watt. Ebenfalls im Terminal arbeitet der Energiemonitor Powertop von Intel, der zahlreiche Informationen liefert. Das Tool liegt in den Standard-Paketquellen aller wichtigen Linux-Distributionen bereit. Nutzer von Debian, Ubuntu oder Linux Mint installieren Powertop mit
sudo apt-get install powertop
und erhalten nach dem Aufruf
sudo powertop
nach einigen Sekunden das Ergebnis. Sie sehen die Entladungsrate in Watt und den Energiebedarf einzelner Prozesse. Mit der Tab-Taste navigieren Sie zur jeweils nächsten Kategorie.
Auf der Seite „Einstellbarkeit“ gibt Powertop eine Reihe von Empfehlungen zur Systemkonfiguration aus, die aktivierte und deaktivierte Stromsparfunktionen zeigt. Temporär aktiviert ein Druck auf die Eingabetaste eine einzelne Option. Um alle vorgeschlagenen zusätzlichen Stromsparfunktion einzuschalten, verwenden Sie diesen Befehl:
sudo powertop --auto-tune
Da dies nur für die aktuelle Sitzung gilt, sollte ein Cronjob diesen Befehl bei jedem Systemstart starten. Nach der Eingabe von
sudo crontab -e
tragen Sie den zusätzlichen Job
@reboot /usr/sbin/powertop --auto-tune
als weitere Zeile ein.
Ruhezustand zum Energiesparen nutzen
Wenn man den Rechner gerade nicht aktiv benutzt, hilft der Ruhezustand (Suspend) beim Stromsparen. Die Funktionen dafür sind standardmäßig konfiguriert. Bei Ubuntu 20.04 beispielsweise klicken Sie auf das Symbol rechts oben in der Leiste und gehen auf „Ausschalten / Abmelden –› Bereitschaft“. In diesem Modus wird der Hauptspeicher weiter mit Strom versorgt. Wenn Sie den Rechner per Tastatur oder Maus wieder aufwecken, laufen weiterhin alle zuvor gestarteten Programme. Allerdings funktioniert das nicht immer ohne Probleme. Manchmal wacht der Rechner nicht auf oder die WLAN-Verbindung funktioniert nicht mehr. Sehen Sie im Firmwaresetup (Bios) nach, ob es Optionen für die Stromsparzustände gibt. Sofern vorhanden, sollte „Suspend to RAM (S3)“ aktiviert sein.
In den „Einstellungen“ können Sie bei Ubuntu 20.04 unter „Energie“ festlegen, ob der Rechner nach einer bestimmten Zeit automatisch in Bereitschaft gehen soll. Außerdem gibt es Optionen für die automatische Abschaltung von WLAN und Bluetooth bei Nichtbenutzung.
Nutzer von Linux Mint finden ähnliche Optionen über das Menü und „Einstellungen –› Energieverwaltung“.
Schlafzustand (Hibernation) aktivieren

Dieser Modus ist standardmäßig nicht verfügbar und muss manuell aktiviert werden. Im Schlafzustand wird der Inhalt des Hauptspeichers auf die Festplatte geschrieben und der Rechner dann komplett ausgeschaltet. Dadurch lässt sich mehr Energie sparen als beim Ruhezustand. Ubuntu 20.04 und Linux Mint 20 verwenden die Swapdatei „/swapfile“ als Auslagerungsdatei. Darin wird auch der RAM-Inhalt beim Schlafzustand gespeichert.
Schritt 1: Die Swapdatei muss dafür doppelt so groß sein wie der Hauptspeicher im Gerät. Die Größe von Swapfile und RAM ermitteln Sie mit diesen beiden Befehlszeilen:
swapon -s
cat /proc/meminfo
Schritt 2: Ist die Swapdatei nicht vorhanden oder zu klein, erstellen Sie eine neue – bei acht GB RAM beispielsweise mit diesen vier Zeilen:
sudo dd if=/dev/zero of=/swapfile bs=1M count=16000
sudo chmod 600 /swapfile
sudo mkswap /swapfile
sudo swapon -v /swapfile
Schritt 3: Kontrollieren Sie die Einbindung der Swapdatei in der Datei „/etc/fstab“ und fügen Sie folgende Zeile bei Bedarf neu hinzu (sudo nano /etc/fstab):
/swapfile none swap sw 0 0
Starten Sie danach Linux neu.
Schritt 4: Installieren Sie jetzt zwei zusätzlich Softwarepakete:
sudo apt install hibernate uswsusp
Danach ermitteln Sie mit
sudo swap-offset /swapfile
den Offset und mit
findmnt -no SOURCE,UUID -T /swapfile
die UUID für die Partition, auf der die Datei liegt.
Schritt 5: Öffnen Sie die Grub-Konfigurationsdatei mit diesem Befehl:
sudo nano /etc/default/grub
Ändern Sie die Angaben wie folgt:
GRUB_CMDLINE_LINUX_DEFAULT="quiet splash resume=UUID=[UUID] resume_offset=[Offset]"
Für die Platzhalter in eckigen Klammern setzen Sie die in Schritt 4 ermittelte UUID und den Offset ein.
Schritt 6: Öffnen beziehungsweise erstellen Sie die Konfigurationsdatei für die initiale Ramdisk:
sudo nano /etc/initramfs-tools/conf.d/resume
Tragen Sie dort diese Zeile ein:
resume=UUID=[UUID] resume_offset=[Offset]
Die Platzhalter ersetzen Sie wieder wie in Schritt 5.
Schritt 7: Um die Konfiguration zu aktualisieren, verwenden Sie diese zwei Befehle:
sudo update-grub
sudo update-initramfs -u -k all
Starten Sie Linux neu. Danach aktivieren Sie den Ruhezustand:
sudo systemctl hibernate
Wenn das System nach dem Einschalten des Rechners anstandslos fortgesetzt wird, können Sie den Schlafzustand verwenden. Für die bequemere Nutzung installieren Sie unter Ubuntu 20.04 die Gnome-Erweiterung „ Simpler Off Menu “. „Hibernate“ lässt sich damit neben „Bereitschaft“ in das Menü der Systemleiste einbauen. Damit sich Gnome-Erweiterungen über die Website installieren lassen, aktivieren Sie zuerst das Firefox-Addon „ Gnome Shell integration “ und installieren das Paket „chromegnome-shell“. Wer Linux Mint Cinnamon nutzt, installiert das Applet „Shutdown Menu with Icons“ („Herunterfahren-Menü mit Icons“). Wenn Sie bisher noch keine Applets eingerichtet haben, finden Sie hier eine Anleitung .
Stromsparfunktionen über TLP aktivieren
Zahlreiche Feineinstellungen zum Betrieb mit möglichst wenig Energiebedarf fasst das Projekt „Linux Advanced Power Management“ (TLP) zusammen. Die Installation von TLP erfolgt unter Debian/Ubuntu/ Mint mittels
sudo apt-get install tlp
und aktiviert ein grundlegendes Set an Stromsparfunktionen. Die Konfiguration erfolgt über die Datei „/etc/tlp.conf“, die englischsprachige Kommentare zu jeder Einstellung enthält. Ausführliche Erklärungen auf Deutsch finden Sie unter http:// thinkwiki.de/TLP_Einstellungen .
Bluetooth: Alte Chips abschalten
Maßgebliche Sende- und Empfangseinheit ist bei Notebooks üblicherweise der WLAN-Chipsatz. Trotzdem verlangt auch Bluetooth Energie, bei alten Bluetooth-Versionen vor Version 4.0 des Protokolls sogar nicht mal wenig: Ein bis zwei Watt verlangt ein aktivierter Bluetooth-Chip der früheren Generationen, selbst wenn gar kein Gerät verbunden ist. Zunächst lohnt sich ein Blick auf das verwendete Bluetooth-Protokoll, den das Kommando
hciconfig -a
erlaubt. In der Ausgabe ist die Bluetooth-Version in Zeile „HCI Version“ angegeben. Handlungsbedarf besteht nur, wenn eine ältere Version als Bluetooth 4.0 zum Einsatz kommt. Falls generell keine Bluetooth-Peripherie verbunden werden soll, kann man über einen Rechtsklick und „Ausschalten“ auf dem Bluetooth-Symbol in der Taskleiste diese Funktion komplett deaktivieren. Die Bios- beziehungsweise Uefi-Einstellungen vieler Notebooks können diese Funktion ebenfalls dauerhaft abschalten.
Neue Kernel alleine helfen nicht
In den letzten Jahren sind Kompatibilitätsprobleme zwischen typischer Notebookhardware und dem Linux-Kernel seltener geworden. Man könnte meinen, dass mit neuen Kernels auch weitere Stromsparfunktionen Einzug halten und ein früher Wechsel auf einen neueren Kernel hilft. Dem ist aber nicht so. Zwischen Kernel 3.18 und 4.15 hat sich bei der Energieaufnahme über diesen Zeitraum von zwei Jahren kaum etwas getan. Im Gegenteil: Es gab einige Regressionen, die zwischenzeitlich einzelne Kernel-Versionen etwas stromhungriger gemacht hatten. Nun will Red Hat die ungenutzten Kernel-seitigen Energiesparfunktionen zur Chefsache machen und die Fortschritte in den kommenden Fedora-Versionen vorstellen.
Bis diese Anstrengungen Früchte tragen und durch Upstreampatches in andere Linux-Distributionen einfließen, werden aber noch Monate vergehen. Für Anwender bedeutet das: Die Optimierungen an einem installierten Linux-System bleiben auf Notebooks auf weitere Sicht wichtiger als der Einsatz einer stets neuesten Kernel-Version.
Grafikchip: Framebuffer optimieren
Auf Notebooks mit Intel-Chipsatz und einem integrierten Grafikchip kann eine Kompression des Grafikspeichers den Energiebedarf des Systems messbar senken – etwa um 0,5 bis 0,7 Watt. Die Kompression ist standardmäßig unter Linux nicht aktiviert, denn auf bestimmten CPUs kann es auf Desktops mit 3D-Beschleunigung (Gnome, Unity, KDE, Mate mit Compositor) zu sichtbaren Pixelfehlern beim Neuzeichnen des Bildschirminhalts kommen. Einen Versuch wert ist diese Stromsparoption aber allemal, die als Kernel-Parameter über den Bootloader gesetzt wird. Dazu öffnen Sie die Konfigurationsdatei „/etc/default/grub“ des Bootloaders Grub 2 mit einem beliebigen Texteditor und mit root-Recht:
sudo nano /etc/default/grub
Dort finden Sie eine Zeile, die mit „GRUB_ CMDLINE_LINUX_DEFAULT=“ beginnt, und ergänzen die vorhandenen Bootparameter in Anführungszeichen um die zusätzlichen Angaben. Bei Ubuntu lautet die resultierende Zeile wie folgt:
GRUB_CMDLINE_LINUX_DEFAULT="quiet splash i915.i915_enable_fbc=1"
Nach dem Speichern der Datei wartet der Bootloader noch auf eine Aktualisierung, damit dieser die Änderungen übernimmt. Dazu dient in Debian, Ubuntu und Linux Mint das Kommando
sudo update-grub2
und bei Fedora und Open Suse Folgendes:
sudo grub2-mkconfig -o /boot/grub2/grub.cfg
Danach ist ein Neustart fällig, um die neue Option zu testen. Sollten sich Grafikfehler zeigen, so muss die gesetzte Option „ i915.i915_enable_fbc=1“ aus der Grub2-Konfiguration wieder heraus und der Bootloader abermals aktualisiert werden.
Hardware: Zustand des Akkus überprüfen
Die Akkus von Notebooks altern schneller als der Rest der Hardware und verlieren mit der Zeit an Kapazität. Wie es um den Akku bestellt ist, zeigt bei einem komplett aufgeladenen Notebook der Vergleich der erreichten Ladekapazität mit der vom Hersteller angegebenen Kapazität. Beides ist in den abrufbaren Leistungsdaten des Akkus hinterlegt: Bei einem Ladezustand von hundert Prozent ruft der Befehl
cat /sys/class/power_supply/BAT?/energy_now
die effektiv erreichte Akkukapazität ab. Das Kommando
cat /sys/class/power_supply/BAT?/energy_full_design
zeigt die vom Hersteller angegebene maximale Ladung eines fabrikneuen Akkus an. Teilt man den ersten Wert durch den zweiten und multipliziert das Ergebnis mit hundert, so erhält man einen Wert in Prozent, zu welchem der Akku noch maximal aufgeladen werden kann. Fällt dieser Wert nach einigen Jahren unter 50 Prozent, so wird die Arbeit mit dem Notebook nicht mehr viel Vergnügen bereiten, da die Laufzeit auch mit allen Tricks erheblich eingeschränkt ist. Der Kauf eines neuen Akkus ist ratsam. Hinweis: Auf einigen Notebookmodellen, beispielsweise auf Geräten von Dell, muss „energy_now“ durch „charge_now“ ersetzt werden und „energy_full_design“ durch „charge_full_design“, um die Werte abzufragen.
Angepasstes Xubuntu von Tuxedo
Der Linux-Hardware-Spezialist Tuxedo , ein OEM aus dem bayrischen Königsbrunn, wirbt gerne mit den besonders langen Laufzeiten seiner Notebooks. Daran hat weniger exotische Hardware einen Anteil, denn die stammt oft von taiwanischen Hersteller Clevo, sondern die Pflege gemäß den Einstellungen, wie sie auch unser Artikel vorschlägt. Tuxedo liefert seine Notebooks mit einem angepassten Xubuntu-System aus, das auf die Eigenheiten der Hardware abgestimmt ist. Mittlerweile gibt es diese Xubuntu-Variante auch in einer allgemeinen Ausgabe für PCs anderer Hersteller. Dieses Linux-System zieht zwar nicht alle Register bei Stromsparfunktionen, schlägt sich aber ausgesprochen gut im Vergleich mit einem Xubuntu von der Stange auf der gleichen Maschine.
Die Installation von „Tuxedo Xubuntu“ ist ungewöhnlich: Anstatt eines ISO-Images gibt es den bootfähigen, minimalen und textbasierten Installer „WebFAI“, der das System von Tuxedo-Servern herunterlädt und eine OEM-Installation mit festem Partitionsschema einrichtet. Das Installationsmedium für alle Rechner steht als „ WebFAI-PC “ als ZIP-Datei zum Download bereit (44 MB). „WebFAI-Notebook“ funktioniert dagegen nur auf Tuxedo-Geräten.