Als Nintendo 2006 seine Konsole Wii auf den Markt brachte, landete das japanische Unternehmen einen großen Überraschungserfolg. Die Spielekonsole verkaufte sich wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Und das, obwohl sie den Konsolen von Sony und Microsoft technisch deutlich unterlegen war. Den Erfolg verdankte die Wii ihrer revolutionären Steuerung. Statt mit einem klassischen Gamepad wurde die Wii mit einem Controller mit Bewegungssensoren bedient: dem Wiimote. Die am Fernseher positionierte Kamera erkannte Gesten und Armbewegungen, die als Steuerbefehle an die Konsole weitergeleitet wurden. So musste beim virtuellen Tennis der Controller wie ein Schläger geschwungen werden, beim Bowling war eine ausholende Armbewegung gefragt, um die imaginäre Kugel gerade auf die Bahn zu bringen. Erfolgreich wurde die Wii vor allem deshalb, weil sie nicht nur die klassischen Konsolen-Spieler ansprach, sondern auch Anwender, die mit Videospielen zuvor nie etwas zu tun gehabt haben. Wii-Spiele wurden zum beliebten Familien- und Partyspaß. Gemeinsames Daddeln statt einsames Spielen von Ego-Shootern war plötzlich angesagt. Inzwischen ist der Hype um die Nintendo Wii längst Geschichte, Sony und Microsoft haben den Konsolen-Thron gemeinsam zurückerobert. Microsoft hat mittlerweile bei seiner Xbox One versucht, die bei vielen Kunden offensichtlich beliebte Gestensteuerung zu übernehmen. Kinect heißt die Lösung, mit der die Spieler die Konsole mittels Gesten und Sprache steuern können. Wirklich erfolgreich ist das Zubehör bis heute aber nicht. Zum einen, weil die meisten Xbox-Spieler an Partyspielen wenig Interesse haben. Zum anderen aber hauptsächlich, weil Kinect teuer für rund 150 Euro zur Konsole hinzugekauft werden müsste.
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Gestensteuerung am PC
Gestensteuerung ist nichts, was den Spielekonsolen vorbehalten wäre. Auch auf PCs und Notebooks lässt sich die Technik problemlos einsetzen. Hier profitieren viele Anwender außerdem davon, dass inzwischen fast jedes Notebook eine Webcam von Haus aus mitbringt. Damit wäre die „Erkennungs-Hardware“ für die Gestensteuerung also bereits vorhanden. Fehlt nur noch die passende Software! Wer seinen PC mit seiner Webcam steuern will, kann dafür eine Vielzahl kommerzieller und kostenloser Software einsetzen. Die kommerzielle Software, die sich hauptsächlich an professionelle Anwender richtet und mindestens mehrere Hundert Euro kostet, lassen wir in diesem Artikel einmal außen vor – es gibt genügend Freeware-Programme, mit denen sich die Webcam zur Steuerung nutzen lässt. Eine der bemerkenswertesten Lösungen in diesem Bereich war die Freeware Flutter. Sie zielte vor allem darauf ab, Video- und Audioplayer wie iTunes oder den Windows Media Player mit Gesten steuern zu können. Zum nächsten Titel springen, auf Pause drücken, Lautstärke verändern: Hierfür brauchte man dank Flutter keine Maus mehr. Stattdessen genügten vorgegebene Gesten, die die Software automatisch erkannt und interpretiert hat. So reichte ein Handheben und eine ausgestreckte Hand, um dem Programm „Stop“ zu signalisieren. Mit Flutter wurde man zu einem DJ, der aus einem Science-Fiction-Film entsprungen sein könnte. Leider ist Flutter inzwischen Geschichte. Google hat sich das Startup einverleibt, die Website offline und die kostenlose Software vom Markt. Wer jetzt im Internet nach Download-Portalen sucht, die Flutter noch anbieten, sollte vorsichtig sein. Meist versteckt sich dahinter nur lästige Spyware.
Große Auswahl nützlicher Programme
Doch auch ohne Flutter hat die Freeware-Welt im Bereich Webcam-Steuerung einiges zu bieten. Dabei ist die Bandbreite groß. Angefangen von Lösungen, die vor allem als Steuerungsmöglichkeit für Menschen mit Handicap gedacht sind bis hin zu Software, die vor allem Spaß machen soll, ist alles vertreten. Wie Sie mittels Webcam Ihren PC oder Ihr Notebook steuern, ist von Software zu Software verschieden. So setzen manche Lösungen ausschließlich auf Kopfbewegungen. Bei anderen kommen die Hände zum Einsatz. Hier muss der Anwender vorgegebene Handbewegungen zur Steuerung ausführen. Zudem setzen Lösungen auf die Steuerung mit Gegenständen. Hierbei hält der Nutzer einen beliebigen Gegenstand in der Hand und führt mit ihm die gewünschten virtuellen Mausbewegungen aus. Die Software-Entwickler setzen auf diese Technik, weil Gegenstände von Webcam und Programm leichter zu identifizieren sind als Handgesten. Im Folgenden stellen wir Ihnen nun einige kostenlose Gestensteuerungs-Lösungen vor.
Camera Mouse

Die Freeware Camera Mouse wurde am College in Boston entwickelt und soll Menschen mit Handicap dabei helfen, PCs und Notebooks bequem steuern zu können. Die Software wurde bis heute schon über 2,5 Millionen Mal heruntergeladen. Starten Sie das Programm. Sobald Sie sich auf dem Webcam-Monitor sehen, suchen Sie sich mit einem Klick ein Körperteil aus, mit dem Sie die Maus künftig steuern wollen. Ein grünes Kästchen erscheint nun und sollte in diesem Fall dem Auge nun permanent folgen.

Klicken Sie auf „Settings“, bevor Sie Auge, Nase oder Mund die Steuerung übernehmen lassen können. Unter „Control“ können Sie einstellen, wann die Gestensteuerung gestartet oder beendet werden soll. Wichtig ist zudem die Option „Clicking“. Hier stellen Sie ein, wann die Software einen Klick ausführen soll. Standardmäßig ist das der Fall, wenn Sie eine Sekunde bewegungslos auf einer Stelle am Desktop verweilen. Der Cursorsteuerung per Kopf steht nun nichts mehr im Wege. Sie können natürlich jederzeit sämtliche Einstellungen ändern. Zum Beispiel von Auge auf Nase wechseln!

NPointer

NPointer von NeuroTechnology bietet seinen Nutzern sogar noch mehr Komfort als Camera Mouse. Hier können Sie nämlich unter diversen Möglichkeiten auswählen, wie Sie Ihren PC mittels Webcam steuern wollen. Auch hier können Sie mit Kopfbewegungen die Maus lenken. Alternativ stehen Ihnen aber auch eine Gesten- sowie eine Sprachsteuerung zur Verfügung. Hersteller ist ein Unternehmen, das sich auf Technologien im Bereich biometrischer und künstlicher Intelligenz spezialisiert hat.
GiMeSpace Cam Control

Einen etwas anderen Weg verfolgt die Software GiMeSpace Cam Contro. Hier können Sie den Mauszeiger ausschließlich mit Gesten steuern. Wie Sie diese auszuführen haben, wird vom Programm vorgegeben. So lässt sich beispielsweise mit gekreuzten Händen ein Bild vergrößern oder verkleinern. Im Gegensatz zu den anderen Lösungen ist GiMeSpace Cam Control nicht ohne eine gewisse Einarbeitungszeit bedienbar. Hat man das Konzept jedoch einmal verinnerlicht, funktioniert die Lösung tadellos.
CamSpace
Während die bislang vorgestellten Lösungen als ernsthafte Anwendungs-Software verstanden werden wollen, steht bei CamSpace vor allem der Spaß im Vordergrund. Das Bedienkonzept erinnert sehr stark an das von der Nintendo Wii. Auch hier steuern Sie alle Anwendungen mit einem Controller. Nur, dass dieser Controller in Wirklichkeit ein beliebiger Alltagsgegenstand sein kann. Ein Telefon, ein Kochlöffel oder ein Edding. Voraussetzung ist nur, dass Webcam und Software diesen Gegenstand möglichst leicht erkennen und identifizieren können. In einem düsteren Zimmer seinen PC mit einem schwarzen Rasierapparat steuern zu wollen, ist also keine gute Idee. Ansonsten sind Ihrer Kreativität keine Grenzen gesetzt.
Tipp: So nutzen Sie einen Xbox-Controller am PC
Cody
Wer Gefallen an CamSpace gefunden hat, sollte sich auch Cody genauer anschauen. Hier kommt nämlich endgültig der Nintendo-Spaß zurück. Cody ist eine Spielesammlung, die speziell für die CamSpace-Gestensteuerung konzipiert wurde. Der Software-Hersteller betitelt Cody zwar als Lernspiel-Sammlung, tatsächlich steht aber der Fun-Faktor deutlich an erster Stelle. Eine Installation lohnt sich definitiv für jeden, der eine Webcam zur Verfügung hat! Hinweis: Um Cam-Space und Cody vollständig nutzen zu können, müssen Sie Credits kaufen, mit denen sich zusätzliche Anwendungen und Spiele freischalten lassen.

Bei Cody steuern Sie die Maus mit einem beliebigen Alltagsgegenstand. Hauptsache, er ist schön bunt! Wählen Sie nach dem Programmstart zunächst „Deutsch“ als Sprache aus und klicken Sie – jetzt noch mit der Maus auf die „Weiter“-Schaltfläche. Sie können jetzt einen oder auch mehrere Benutzer erstellen. Das macht deshalb Sinn, weil Sie die Spiele auch zu zweit spielen und Ergebnisse abspeichern können. Suchen Sie sich nun einen farbigen Controller – zum Beispiel einen Prittstift – aus und platzieren Sie ihn mittig im Kasten. Halten Sie den Controller waagerecht. Hat die Software den Controller erkannt, erscheint ein grünes Häkchen. Ziehen Sie den Controller nach unten, um die Justierung abzuschließen. War die Justierung erfolgreich, feiert der animierte Cody das mit einem Jubelsprung. Ein Schritt fehlt noch, bevor der Prittstift als Mausersatz zum Einsatz kommen kann. Kalibrieren Sie den Controller abschließend, indem Sie ihn zu den Pfeiltasten führen und dann in die Mitte ziehen. War die Kalibrierung erfolgreich, können Sie mit dem Spielen loslegen!

Fazit
Die PC-Bedienung mit Gesten, Kopfbewegungen und Sprachsteuerung ist zweifellos erst einmal ungewohnt und zunächst auch nicht so komfortabel wie eine klassische Maussteuerung. Aber sie ist eine Alternative, die sich in der Praxis ohne Frage bewährt. Auch ohne viel Geld in die Hand nehmen zu müssen, findet man eine Vielzahl nützlicher Programme.

Sinnvoll eingesetzt werde können die Programme beispielsweise von Menschen mit Handycap, die ihren PC nicht per Maus steuern können. Aber auch abseits dieses ernsthaften Anwendungsgebiets finden sich interessante Lösungen. Wer den Spaßfaktor der Nintendo Wii auf seinem Notebook oder PC noch einmal erleben will, greift zur Freeware Cody. Doch Vorsicht: Nehmen Sie sich für die nächsten Stunden dann nichts vor, denn das macht einfach viel Spaß.

Hardware zur Computerbedienung
Es gibt inzwischen eine Reihe interessanter Ansätze, den Computer auch über neue Hardware-Interfaces anders und intuitiver zu bedienen, als man das bisher gewohnt ist. Ein sehr spannendes Projekt war (und ist vielleicht noch) Haptix Multitouch bzw. Touch+ von ractiv.com, das eigentlich ein erfolgreich gegründetes Kickstarter-Projekt war. Bislang ist allerdings nur die Hardware existent, eine neu entwickelte Stereo-Kamera im Webcam-Format. Leider läuft offenbar die Treiberentwicklung nicht so, wie gewünscht; seit Oktober 2014 hüllt sich das Unternehmen in Schweigen. Kommt der Treiber, könnte Touch+ eine extrem leistungsfähige Steuerung für Anwendungssoftware ebenso wie für Spiele bieten, weil es von der Maus bis hin zu einen Grafiktablet diverse Eingabemöglichkeiten ersetzen kann.

In dieser Richtung werden weltweit eine Menge „Geräte“ entwickelt, angefangen von Infrarotsensoren, die Handbewegungen erkennen und als Mausgesten verstehen bis hin zu Kleidungsstücken, die bestimmte Funktionen oder Steuerungsaufgaben übernehmen können. Fast schon ein Klassiker ist in diesem Kontext ja Kinect für Windows, das seit Mitte letzten Jahres in der Version 2 erhältlich ist.

Etwas trivialer, aber nichts desto trotz sehr komfortabel ist es, seinen Rechner beispielsweise vom iPad aus zu bedienen. Und das funktioniert beispielsweise mit der Software Remote Mouse . Sie besteht aus einer kleinen Server-Komponente, die auf dem Rechner installiert wird und der App für IOS, Android oder Windows Phone. Verbunden werden die Geräte über WLAN und dann kann es schon losgehen. In der kostenpflichtigen Version gibt es übrigens noch eine Steuerung für die gängigsten Medienplayer, ansonsten nutzt man das Tablet als Touchpad, Tastatur und Nummernblock.
