Billige Bluetooth-zu-ODB2-Adapter, das Vorhandensein der OBD-Schnittstelle in praktisch jedem Auto und gut dokumentierte Kommunikationsprotokolle in Kombination mit allgegenwärtigen Smartphones schaffen neue Möglichkeiten der Vernetzung von Auto und Handy. Wir zeigen Ihnen in diesem Artikel, wie Sie die neuen technologischen Möglichkeiten zu Ihrem Vorteil nutzen. Vielen PKW-Herstellern ist die amerikanische Abgasgesetzgebung ein Graus. Der enorme Fokus auf Stickoxid-Emissionen zwingt zum Bau von Fahrzeugen, bei denen der Verbrauch zweitrangig war. Zudem piesackten die Amerikaner gerade europäische Hersteller schon früh mit der Pflicht zum Einbau standardisierter Schnittstellen zur Selbst- und Ferndiagnose. Wo bis Ende der 1980er jeder Hersteller – wenn überhaupt eine elektronische Motorsteuerung vorhanden war – sein eigenes Süppchen aus Steckern, Signalpegeln und Protokollen kochte, zwang das „Californian Air Ressource Board“ (CARB) ab 1991 zu einem kleinsten gemeinsamen Nenner hinsichtlich der Diagnosefähigkeit, 1996 folgte OBD-II mit den bekannten 16-poligen trapezförmigen Steckern, welches ab 2001 auch in der EU umgesetzt wurde. Die Umstellung auf die einheitliche kalifornische Methode erforderte Entwicklungsaufwand und zusätzliche Investitionen, jedes einzelne Fahrzeug wurde zudem durch die zusätzlich verbauten Chips teurer. An Protokollen und Pinbelegungen erfolgten seither einige Änderungen, auf die wir später im Detail eingehen wollen, zunächst ist relevant, dass die Verbreitung von OBD2 mittlerweile so groß ist, dass die zur Kommunikation verwendeten Chips in Tausenderchargen unter drei Euro erhältlich sind.
Clevere Auto-Apps für Android, iPhone und iPad
Schnittstelle für 20 Euro
In diesem Artikel wollen wir uns auf den ELM327 konzentrieren. Es handelt sich dabei um den Chipsatz des kanadischen Entwicklers ELM Electronics, der primär auf Hobby-Anwender und den semiprofessionellen Bereich, sowie kleine freie Werkstätten zielt, wo keine allzu großen Ansprüche an Echtzeitfähigkeit, Datendurchsatz und Verlässlichkeit stellen. Auf Deutsch: Alle Anwendungen, bei denen es primär um das Auslesen von Fahrzeugdaten oder mit kurzen Nachrichten zu bewerkstelligende Einstellungen geht (Setzen der Uhrzeit, Löschen von Fehlercodes oder Aktivieren von Peripherie wie CD-Wechsler) sind die Domäne dieses Chips. Auf Fahrzeugseite implementiert er alle zwischen 1996 und 2008 spezifizierten Protokolle und deckt damit wohl 95% des Fahrzeugbestandes ab. Auf der anderen Seite stellt er eine serielle RS232-Schnittstelle bereit, über die heutzutage kaum ein PC – geschweige denn ein Smartphone oder Tablet – mehr verfügt, er wird deshalb gerne mit einem USB-Seriell-Konverter oder einem Bluetooth-Chipsatz kombiniert. Vom ELM327 schwappen längst Millionen chinesischer Kopien nach Europa und Amerika, bei denen es nicht immer möglich ist, festzustellen, ob es sich um eine (legale) Blackbox-Entwicklung handelt, die lediglich das ELM327-Protokoll neu implementiert oder einen (illegalen) Klon des gesamten Dies. Mit Bluetooth-Schnittstelle und Stromversorgung über OBD2 sind diese Klone für 10 bis 30 bei Ebay oder Amazon erhältlich. Leider schwankt die Qualität erheblich: So sind wir auf Adapter gestoßen, die Pairing-Probleme haben, nicht alle fahrzeugseitigen Protokolle sauber umsetzen oder sich immer wieder „verschlucken“. Timingund Handshake-Probleme können im Extremfall sogar dazu führen, dass Ihr Auto bei eingestecktem Adapter nicht startet. Prinzipiell erfüllen die billigen Adapter ihren Zweck im Hobbysegment absolut ausreichend, wenn Sie sicherstellen, dass Sie einen nicht mit Ihrem Fahrzeug funktionierenden Adapter schnell zurückschicken können. Ist ein echter Werkstatteinsatz geplant, greifen Sie besser zu den wesentlich teureren Originalen, da insbesondere spät festgestellte Inkompatibilitäten zu bestimmten Protokolloder Fahrzeugfamilien sehr ärgerlich sein können.

Vereinheitlichte Protokolle
Ein Vorteil für die Entwickler von Anwendungen und Apps ist, dass die Kommunikation zwischen Tester und Fahrzeug weitgehend vereinheitlicht ist. Sowohl US amerikanische als auch die europäische Abgasgesetzgebung schreiben bestimmte Nachrichtenund Antwortformate für abgasrelevante Messund Fehlerwerte vor. Zu den so abrufbaren Messwerten gehören Drehzahl, Geschwindigkeit, Drosselklappenstellung, Ansauglufttemperatur, Kühlmitteltemperatur Lambdasondenspannung und Luftmasse – zudem können viele weitere Werte wie Kraftstoffdruck im Commonrail, Katalysatortemperaturen, Status der Batterie bei Hybriden und einige mehr freiwillig bereitgestellt werden. Bereits mit den auf allen Fahrzeugen abrufbaren Werten lassen sich so Smartphoneoder Tablet-Apps entwickeln, die schöne Zusatzanzeigen für Ladedruck oder Kühlmitteltemperatur bereitstellen, wo das Fahrzeug selbst bestenfalls Warnlampen bei Überschreitung eines Sollwertes anbietet. Bereits diese zusätzliche Funktionalität kann die Investition in Adapter und App rechtfertigen: Wer Ladedruck und Öltemperatur kennt, fordert von Turbomotoren erst dann die ganze Leistung, wenn diese warmgefahren sind. Aus Drehzahl, Geschwindigkeit und Drosselklappenstellung können lassen sich sehr gut Schaltempfehlungen ableiten, mit denen oft 20% oder mehr Kraftstoffersparnis möglich sind. Kombiniert mit Google-Maps, GPS und Beschleunigungssensor ergeben sich ganz neue Möglichkeiten der Nordschleifenprahlerei (plausibles Logging der Rundenzeiten) – aber auch Szenarien, in denen protokollierte Übertretungen auf öffentlichen Straßen zu noch schnellerem Führerscheinentzug führen können. Einziger Nachteil bei der Fülle an spezialisierten Apps ist, dass die serielle Bluetooth-Verbindung nur explizit von einem Programm geöffnet werden kann – die gleichzeitige Verwendung von „Torque“ für zusätzliche Anzeigen und „Ecoshifter“ für Schaltempfehlungen ist damit leider nicht möglich.

Billige Diagnose
Gerade für Hobbybastler ergeben sich günstige Diagnosemöglichkeiten mit dem Smartphone. Tritt ein Fehler auf, der durch die Motorkontrollleuchte (In Fachsprache „MIL“ = „Malfunction Indication Light“) signalisiert wird, helfen die vielen Apps zur Fehlerdiagnose bei der Eingrenzung. Bereits die kostenlosen Apps kennen zumeist die frei verfügbaren Fehlercodes, welche den Großteil – weil abgasrelevant – der Ursachen für das Aufleuchten des Lämpchens aus machen. Für wenige Euro sind Apps erhältlich, welche die zusätzlichen, herstellerspezifischen Codes kennen. Ein großer Vorteil dieser Diagnoseform ist, dass Sie mit dem Smartphone schnell Fehler auslesen, die nach zehn Starts ohne Auftreten als „geheilt“ gelöscht werden. Derartige Fehler verursachen bei der Werkstatt oft lange Gesichter, wenn Sie ausgerechnet nach drei Tagen Wartezeit auf den Werkstatttermin nicht mehr gespeichert sind. Und schließlich kann der kundige Hobbybastler in vielen Fällen ganz auf die Werkstatt verzichten: Eine defekte Lambdasonde, einen kaputten Drosselklappenpotentiometer oder einen zugesetzten Luftmassenmesser diagnostizieren Sie schnell selbst und beschaffen Ersatz gegebenenfalls günstig beim Autoverwerter (bitte nur Luftmassenmesser und Drosselklappenteil, nicht die Lambdasonde).

Mit Torque das Auto auslesen
Torque von Ian Hawkins ist eine weit verbreitete Lösung zum Monitoring von Fahrdaten und Auslesen von Fehlercodes. Die Plugin-Fähigkeit erlaubt Erweiterungen und erleichtert Android-Programmierern deren Entwicklung. Torque ist in einer kostenlosen (mit Werbung versehenen) und einer kostenpflichtigen Variante (3,55 Euro) mit größerem Funktionsumfang erhältlich. Für die ersten Tests mit einem ELM327-Bluetooth-Adapter genügt die Gratisversion. Installieren Sie diese also auf Ihrem Smartphone. Finden Sie den trapezförmigen OBD2-Port. Dieser muss sich innerhalb von 60 Zentimetern Entfernung vom Lenkrad befinden und ohne Werkzeug zugänglich sein, meist befindet er sich auf der Fahrerseite im Fußraum, gelegentlich in der Mittelkonsole unter einer Gummimatte oder hinter dem Aschenbecher – unsere Fotos zeigen einen VW Caddy. Stöpseln Sie den ELM327-Bluetooth-Adapter bei ausgeschalteter Zündung auf den OBD2-Port und schalten Sie anschließend die Zündung an (bei Fahrzeugen mit Startknopf in der Regel, indem Sie den Startknopf bei nicht durchgedrückter Kupplung betätigen).

Öffnen Sie die Bluetooth-Einstellungen Ihres Telefones und koppeln Sie mit dem ELM327-Bluetooth-Adapter – dieser dürfte sich meist mit dem Gerätenamen „OBDII“ oder „OBD2“ ausweisen. Öffnen Sie Torque und wechseln Sie hier in die Einstellungen: Als Verbindungstyp ist Bluetooth zu wählen und als Bluetooth-Gerät der soeben gekoppelte Adapter „OBDII“. Starten Sie den Motor, schalten Sie Torque ein und wischen Sie nach links zum Drehzahl-Widget – dieses sollte spätestens nach einigen Sekunden die Drehzahl korrekt anzeigen. Nach einer Probefahrt können Sie Torque dann im Detail anpassen: Konfigurieren Sie zuerst metrische Einheiten (bar statt psi und Liter statt imperialer Gallonen) und geben Sie im Fahrzeugprofil Fahrzeuggewicht, Motorart und Tankinhalt an. Torque liefert dann relativ gut angenäherte Werte für die abgerufene Leistung und den gegenwärtigen Ladedruck.

Chiptuning für 39 Euro?
Von Zeit zu Zeit tauchen auf Ebay und anderen Marktplattformen Flash-Werkzeuge auf, mit denen es für wenig Geld möglich sein soll, per PC die Software des Steuergerätes flott auszutauschen und ohne sichtbare Eingriffe rund zwanzig Prozent Mehrleistung zumeist aus aufgeladenen Motoren herauszuholen. Die Vorgehensweise entspricht mutmaßlich klassischem Chiptuning: Über die ECU-OBD-Schnittstelle oder direkt den Stecker des Motorsteuergerätes wird das Kennfeld ausgelesen und verändert neu eingespielt. Die Nachteile hemdsärmeliger Lösungen, die in den Kabelstrang eingreifen, Messwerte auf dem Weg zwischen Sensor und Steuergerät ständig modifizieren, existieren bei dieser Lösung nicht: Schlechte Diagnosefähigkeit, Probleme bei Abgasuntersuchungen und das auffällige Zusatzsteuergerät, welches die Betriebserlaubnis erlöschen lässt (ungünstig bei Verkehrskontrollen oder Unfallgutachten) Parameter stören nicht bei Smartphone-Apps wie Torque, können aber fatal sein, wenn eine mehrere Megabyte große Kennfeld-Datei zum Steuergerät übertragen wird. Selbst wenn sich ein aus dem Internet heruntergeladenes oder auf der beiliegenden CD befindliches Kennfeld auf das eigene Steuergerät flashen lässt, heißt das noch lange nicht, dass es bis ins letzte Detail passt: Bezieht sich das heruntergeladene Kennfeld auf die gleiche Brennraumform? Entsprechen Turbolader und Kat dem Referenzfahrzeug? Ist die Verdichtung und das Fabrikat der Einspritzdüsen identisch? Es hat gute Gründe, dass seriöse Tuner Kundenfahrzeuge auf den Leistungsprüfstand stellen und die Einhaltung der Abgasgrenzwerte kontrollieren, denn andernfalls hat man maximal zwei Jahre (bis zur nächsten durchgefallenen AU) Spaß am Chiptuning. Oft genug hört der Spaß auch deutlich früher auf: So mögen viele Diesel der Zweiliterklasse eine Anhebung der Leistung von etwa einhundert Kilowatt um gut 20% zulassen und motorseitig durchaus vertragen – insbesondere Kupplung, Getriebe und Achswellen müssen aber nicht immer die gleiche Leistungsbereitschaft aufweisen. Der Autor dieser Zeilen durfte sich bereits über eine fast zehnprozentige Serienstreuung eines kleinen französischen Diesels freuen, bezahlte dieses dezente Leistungsplus aber nach weniger als Einhunderttausend Kilometern mit einer neuen Kupplung.

Unser Tipp daher: Sollten Sie wirklich eine Leistungssteigerung über 10% in Betracht ziehen, konsultieren Sie einen Profi. Dieser wird prüfen, welche Maßnahmen auf der Kühlungsseite zu treffen sind, er kann der Verschleißzustand Ihres Motors ermitteln und herausfinden, ob die Peripherie die Leistungssteigerung verträgt. Die entstehenden Kosten – meist ein hoher dreistelliger Betrag alleine für die Leistungssteigerung – lohnen sich bereits, wenn Sie anstreben, das Fahrzeug länger als bis zur nächsten TÜV-Prüfung zu fahren. Und sollte die Leistungssteigerung dann um 20% oder höher ausfallen, kommen Sie an zusätzlichen Investitionen für Kupplung, Achswellen, Bremsanlage etc. sowieso nicht vorbei. Echtes Tuning ist leider nicht für wenige Euro zu haben, sondern erfordert – so der Ursprung des englischen Begriffes – immer eine ausgewogene Abstimmung aller Komponenten aufeinander.
Fazit
Gerade in Kombination mit den Sensoren eines Smartphones eröffnen sich viele Möglichkeiten für die Präzisierung von Navigationsanwendungen. So kann das Auslesen der tatsächlichen Geschwindigkeit massiv dabei helfen, auch im Tunnel die Position zu kennen oder die Kenntnis eines Streckenprofils kann besser bei Schaltempfehlungen helfen, als es derzeit der Fall ist. Spritsparen ist ebenfalls eine gute Anwendung. Und natürlich kann die Kombination aus App und Adapter auch mal dazu benutzt werden, die Lateralbeschleunigungen der neuen Niederquerschnittsreifen auszutesten oder die 0–100-Zeiten des Familiendiesels aus dem Prospekt noch um zwei Zehntel zu unterbieten. Auch das Mitloggen der Fahrstrecke und die Diagnose bei Fehlern kann nützlich sein.
