Ein praktischer Einstieg in das Thema Virtualisierung ist unter Linux nicht schwer. Der Einsatz von Virtualisierern auf dem Desktop ist längst nicht mehr die Domäne von erfahrenen Spezialisten und Betriebssystembastlern. Während bei Virtualisierungstechnik für Unternehmen heute die Management-Software zur Verwaltung ganzer Netzwerke virtueller Maschinen im Vordergrund steht, geht es bei Virtualisierungsumgebungen für Desktop-Anwender um schnelle Einrichtung und einfache Bedienung.
Der Beitrag konzentriert sich auf bewährte Programme, die für Anwender interessant sind, um beispielsweise nach dem Umstieg auf Linux noch eine Windows-Installation in einer virtuellen Maschine bereitzuhalten. Viele der Programme sind für die private Nutzung kostenlos oder lassen sich mit einer zeitlichen Einschränkung testen. Die im jeweiligen „Steckbrief“ genannte Download-Adresse bietet passende Installationspakete für diverse Linux-Distributionen und Architekturen.
Die Grundlagen von Virtualisierung in Linux
Vmware Workstation: Der Klassenbeste

Veteran und Platzhirsch ist die Vmware Workstation , die auf die erste Virtualisierungslösung Vmware Virtual Platform für Intel-CPUs der x86-Plattform von 1998 zurückgeht. Die Workstation wird als Produkt seit 1999 gepflegt und liegt mittlerweile in der zehnten Generation vor. Vmware Workstation ist für Anwender zugeschnitten und bietet deshalb eine ausführliche grafische Oberfläche. Der Typ-2-Hypervisor emuliert Hardware wie Chipsatz, Festplatten-Controller und Netzwerk eine Spur schneller als die Konkurrenz. Den deutlichsten Vorsprung zeigen die Grafiktreiber für Direct X und Open GL für Gastsysteme.

Über eine „Physical-to-Virtual-Funktion“ (P2V) können Anwender ein komplettes Betriebssystem auf einem realen Computer komfortabel in eine virtuelle Maschine überführen. Zudem ist die Workstation aber auch ein Einstieg in das Ökosystem vom Vmware: Virtuelle Maschinen lassen sich auf einen Server mit dem leistungsfähigen Typ-1-Hypervisor Vmware ESXi hochladen. Leistung und Funktionsunfang haben allerdings ihren Preis: Eine Lizenz kostet im Online-Shop von Vmware 225 Euro. Mit einer kostenlosen Registrierung erhält man aber zum Testen auch einen Evaluations-Seriennummer für 30 Tage. Da Vmware Workstation nicht Open Source ist, erfolgt die Installation unter Linux anhand einer ausführbaren Binärdatei.
Steckbrief Vmware Workstation
Kompatibilität: Vmware Workstation läuft unter Linux-Hosts mit 32 Bit und 64 Bit, setzt aber eine 64-Bit-CPU voraus. Sämtliche Windows-Versionen und Linux-Distributionen können als Gastsystem laufen. Gasttreiber ermöglichen auch Direct X und Open GL. MSDOS, Netware, BSD-Varianten, Solaris und OS/2 werden ebenfalls unterstützt. Auch eine verschachtelte Virtualisierung mit Vmware ESXi und Microsoft Hyper-V als Gast ist möglich.
Webseite: https://www.vmware.com/de/products/workstation Preis: 225 Euro, 30 Tage Evaluierung nach Registrierung möglich
Vmware Player: Der kostenlose Einstieg

Vmware Player ist der kleine Bruder der Workstation und für private Nutzer als Freeware kostenlos. Es gibt aber eine Kaufoption, die aus dem Player den Vmware Player Plus macht, der dann auch für ein kommerzielles Umfeld lizenziert ist. Das nur in Englisch vorliegende Programm war ursprünglich vor allem dazu gedacht, fertige virtuelle Maschinen, die mit Vmware Workstation oder den Server-Produkten erstellt wurden, unkompliziert auf dem lokalen Rechner auszuführen. Software-Hersteller können so vorinstallierte Testversionen ihrer Software lauffähig inklusive Betriebssystem ausliefern. Ursprünglich war der Player stark eingeschränkt und konnte selbst keine neuen virtuellen Maschinen erstellen. Seit Version 3 von 2009 kann aber auch der Player neue Maschinen erstellen, wenn auch nicht mit den ganzen Optionen, die Vmware Workstation bietet.
Um die Erstellung von VMs kümmert sich ein Assistent, der Sie durch die nötigen Schritte führt. Es wird Ihnen außerdem angeboten, die Vmware-Tools mit Treibern herunterzuladen und im Gastsystem zu installieren. Im Vergleich zu Virtual Box oder Vmware Workstation fehlt eine Funktion, mit der sich bequem Sicherungspunkte erstellen lassen. Trotzdem ist der Vmware Player ein idealer und kostenloser Einstiegspunkt in die Virtualisierungsumgebungen von Vmware.
Steckbrief Vmware Player
Kompatibilität: Funktioniert unter Linux und Windows Vista/7/8/8.1. Sämtliche Windows-Versionen und Linux-Distributionen können als Gastsystem laufen, ferner MS-DOS, Netware, BSD-Varianten und Solaris. Webseite: www.vmware.com/go/downloadplayer-de (222 MB) Preis: kostenlos für private Anwender, 89 Euro bei kommerzieller Nutzung als Vmware Player Plus
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Virtualbox: Die Open-Source-Lösung

Auf dem Linux-Desktop genießt Virtualbox aufgrund seiner Open-Source-Lizenz einen gewissen Heimvorteil, da schon seit 2007 eine freie Version der Virtualbox unter der GNU General Public License erschien. 2010 übernahm Oracle das Projekt und führte sogar die kommerzielle Version von Virtualbox mit der freien Ausgabe zusammen. Während frühe Versionen nicht mit allen Gastsystemen stabil liefen, ist Virtualbox seit Version 4 gereift und derzeit die geeignetste Virtualisierungs-Software für Desktop-Anwender auf Linux-Systemen. Pakete gibt es im RPM- und DEB-Format für die verbreiteten Distributionen. Eine grafische Qt-Oberfläche, die mit jener der Windows-Variante identisch ist und sich nach Deutsch umstellen lässt, bietet alle wichtigen Funktionen zur Erstellung und Verwaltung virtueller Maschinen. Als Gastsysteme können Windows 3.1 bis Windows 8 laufen sowie alle Linux-Systeme, BSD, Solaris, OS/2 und mit Einschränkungen auch Mac-OS X. Es erscheinen häufige Updates, um die Unterstützung von neuen Gastsystemen wie derzeit etwa Windows 10 zu verbessern.
Installieren Sie außerdem das zugehörige Virtualbox Extension Pack , das als separater Download vorliegt und unter einer Freeware-Lizenz steht. Es wird vor allem für die USB-2.0-Unterstützung benötigt und rüstet für den Fernzugriff einen RDP-Server nach. Für virtuelle Festplatten nutzt Virtualbox das eigene Image-Format VDI, kann aber auch mit fremden Formaten von Vmware, Windows Virtual PC, Parallels und Qemu umgehen. Bei der Installation richtet Virtualbox eine virtuelle Netzwerkschnittstelle ein, um zwischen Gast und Host ein Subnetz mit eigenem DHCP-Server aufzubauen. Virtuelle Maschinen dürfen aber auch direkt ins Netz. Für bessere Grafikleistung und gemeinsames Clipboard ist die Installation der Gasterweiterungen notwendig, die es für Windows und Linux gibt.
Steckbrief Virtualbox
Kompatibilität: Virtualbox läuft unter Linux und Windows Vista/7/8/8.1 (jeweils 32 Bit und 64 Bit) und unterstützt als Gastsysteme alle gängigen Windows-Versionen und alle wichtigen Linux-Distributionen, BSD, Solaris, Mac-OS X, OS/2. Gasterweiterungen mit bescheidener Unterstützung für Open GL und Direct 3D verbessern Bildschirmauflösung und Darstellungsgeschwindigkeit von Gästen. Webseite: www.virtualbox.org/wiki/Downloads (104 MB) Preis: Freie Software (GNU Public License), auch das separat zum Download angebotene „Virtualbox Extension Pack“ ist für private Nutzung kostenlos.
KVM: Virtualisierung im Kernel

Die Kernel Virtual Machine ist eine schlanke, auf Linux spezialisierte Virtualisierungslösung, die als Kernel-Modul geladen wird. Entwickelt hat KVM das israelische Start-up-Unternehmen Qumranet, das den Code von Anfang an unter die Open-Source-Lizenzen GPL 2/LGPL stellte, eng mit dem Kernel-Team zusammenarbeitete und 2008 von Red Hat gekauft wurde. Seit Kernel 2.6.20 ist KVM ein fester Bestandteil von Linux und macht bei Bedarf den Kernel selbst zu einem Hypervisor. Zwingende Voraussetzung dafür ist, dass die CPU des Systems die Virtualisierungserweiterungen von Intel (Intel VT) oder AMD (AMD-V) unterstützt. KVM übernimmt keine Emulation von Geräten, kann aber stattdessen per Paravirtualisierung einige physikalisch vorhandene Geräte wie Netzwerkkarte und Festplatten-Controller des Host-Systems an das Gastsystem durchreichen.
Für die Emulation von virtuellen Geräten wie Grafik- und Soundkarte zieht KVM bei Bedarf QEMU heran, so wie dies auch Virtualbox tut. Auch wenn KVM überwiegend zur Virtualisierung von Linux-Systemen als Server eingesetzt wird, so kann KVM mit Abstrichen bei der Geschwindigkeit auch Windows-Systeme als Gast beherbergen. Für Windows Vista/7/8 (32 Bit und 64 Bit) gibt es von Red Hat entwickelte und von Microsoft signierte Gerätetreiber, die Virtio-Driver , um paravirtualiserte Geräte des Hosts im Gast zu verwenden.
Als Kernel-Modul liefert KVM keine Desktop-tauglichen Verwaltungs-Tools mit, und der Einstieg ist deutlich anspruchsvoller als bei Vmware und Virtualbox. Ein grafisches Front-End ist der Virtual Machine Manager von Red Hat, der auch in den Repositories der anderen populären Distributionen liegt. Die Verbindung zur Grafikausgabe des Gastsystems erfolgt über VNC oder über das Protokoll Spice.
Steckbrief KVM
Kompatibilität: KVM läuft unter Linux ab Version 2.6.20 als Kernel-Modul und benötigt Qemu zur Hardware-Emulation sowie einen separaten VM-Manager für die Kommandozeile oder für die grafische Oberfläche. KVM unterstützt Linux als Gastsystem (32 Bit und 64 Bit, letzteres aber nur auf 64-Bit-CPUs) und Windows Vista/7/8. Windows benötigt als Gast die Virtio-Treiber, um in passabler Geschwindigkeit zu laufen. Webseite: Quelltext und Dokumentation unter www.linux-kvm.org , Installation in Linux-Distributionen über deren Paketmanager Preis: kostenlos, Open Source (GPL/LGPL 2)
Qemu: Ideal für Linux-Systeme

Eine Virtualisierungs- und Emulationslösung, die Linux als Host- wie als Gastbetriebssystem favorisiert, ist Qemu , das kürzlich mit vielen Neuerungen auf die Versionsnummer 2.0 gesprungen ist. Die Software ist Open Source (GNU General Public License) und stellt für virtuelle Maschinen die komplette Hardware eines PCs per Emulation nach. So ist es möglich, auch andere Prozessorplattformen nachzubilden, etwa einen ARMv7 unter einem Host-System, das auf einem Intel x86-Prozessor läuft. Die Analyse und Übersetzung der CPU-Befehle macht die virtuellen Systeme in diesem Fall aber erheblich langsamer. Qemu beherrscht aber wie Virtualbox und Vmware auch das native Ausführen von Befehlen auf einer CPU. In diesem Fall arbeitet Qemu dann nicht als Emulator, sondern als Virtualisierer.
Die Präferenz von Linux als Host-Betriebssystem liegt daran, dass Qemu ein bestimmtes Merkmal des Linux-Kernels direkt unterstützt: Die Kernel Virtual Machine (KVM) stellt eine Schnittstelle bereit zu den Prozessorerweiterungen AMD-V beziehungsweise Intel VT sowie zu einem Puffer für die Grafikausgabe und bietet damit schnelle Ausführungsgeschwindigkeiten für virtuelle Maschinen. Fehlt dieses Merkmal, dann greift Qemu wie auch bei seinen emulierten Geräten wie der VGA-Grafikkarte ohne Hardware-Beschleunigung und der Soundkarte auf die deutlich langsamere Software-Emulation zurück. Teile dieser Hardware-Emulation hat auch Virtualbox in seinen Quellcode übernommen.
Qemu ist in den verbreiteten Linux-Distributionen flott und unkompliziert über den jeweiligen Paketmanager installiert und liegt in Ubuntu 14.10 beispielsweise in Version 2.1 vor. Eine weitere Besonderheit ist, dass Qemu selbst nur ein Kommandozeilen-Tool ist. Für eine Verwaltungsoberfläche im Stil von Vmware Player und Virtualbox gibt es zusätzliche Programme. Der Virtual Machine Manager (siehe KVM) eignet sich auch für Qemu.
Steckbrief Qemu
Kompatibilität: Qemu unterstützt Linux-Systeme ab Kernel-Version 2.6.24 (32-Bit und 64-Bit). Es emuliert virtuelle Hardware und funktioniert am besten mit Linux-Gästen. Qemu kann fremde CPU-Plattformen wie ARMv7 auf x86-Rechnern per Software emulieren, was naturgemäß langsam ist. Webseite: Quelltext und Dokumentation unter https://wiki.qemu.org , Installation in Linux-Distributionen über deren Paketmanager Preis: kostenlos (Diverse Open-Source-Lizenzen)