“Ich bin am über den Mars spaziert. Ich konnte nach unten schauen und die rostfarbige Erde zwischen meinen Füßen sehen. Wenn ich mich herumgedreht habe, erkannte ich Felsen und Erdreich bis zum Horizont. Wenn ich dann tatsächlich ein paar Schritte vorwärts schritt, konnte ich neue Objekte sehen. Und zwar Objekte, die ich erforschen könnte, wenn ich mich hingekniet hätte.
Das alles fand statt, nachdem ich ein Loch in eine Felswand gesprengt und eine virtuelle Minecraft-Höhle betreten hatte. Dann habe ich einen echten Schalter mit der Unterstützung eines Ingenieurs, der leuchtende Pfeile in der Luft herumschob, um spezielle Werkzeuge zu kennzeichnen, verdrahtet.”
Microsoft HoloLens: Erste Hinweise zum Innenleben
So enthusiastisch beschreibt ein Kollege unsere US-Schwesterpublikation PC-World seine ersten Erfahrungen mit Microsoft HoloLens. Microsoft hatte seine neue Augmented-Reality-Brille völlig überraschend gegen Ende seines Windows-10-Events vorgestellt. Und damit Windows 10 die Schau gestohlen.
Alex Kipmann – der maßgeblich an der Entwicklung von Microsoft Kinect beteiligt war – ist auch an der HoloLens beteiligt. Sowohl bei Kinect als auch bei HoloLens geht es um die Frage, wie Anwender mit Maschinen umgehen können. „Es ist eine Mischung aus der virtuellen und der realen Welt“, sagte Kipmann.
HoloLens wurde unter den Gewölben des Microsoft-Besucherzentrums erdacht. Und genau dort durften einige US-Journalisten, darunter Kollegen der PC-World, HoloLens ausprobieren. Eigene Audio- oder Filmaufnahmen waren allerdings nicht gestattet.

©Susie Ochs
HoloLens ist nicht Microsofts Version von Google Glass
Der HoloLens-Prototyp, den Microsoft vorgestellt hat, wirkt mit dem großen Augenschirm wie etwas, das das Daft Punk Duo tragen würde. In der HoloLens sind ein Paar Linsen zu sehen, auf welche das Bild projiziert wird. Ein Stirnband sichert das Ganze. Auch wenn Konkurrent Google Glass eine Einblendung verwendet um Informationen anzuzeigen, fühlt sich HoloLens weit intensiver an – es bietet ein echteres „Augmented Reality“-Erlebnis.
Microsoft stellt HoloLens vor – AR-Brille mit eingebauter CPU
Die Entwickler-Version von HoloLens ist sehr viel unrunder als der Prototyp vom Windows-10-Event. Es ist eine zweiteilige Apparatur, mit einem speziellen „holographischen Prozessor“ (HPU), welcher an einem NUC (eine Art Mini-PC) angeschlossen wird, der um die Brust des Trägers gebunden wird. Die Brille selbst ist Teil von etwas, das wie eine Fliegerhaube aussieht und mit Riemen am Kopf befestigt wird. Bei dieser Hardware geht es zum jetzigen Zeitpunkt weit mehr um Funktion als um die Form.

©Microsoft
Was man als Träger der HoloLens „sieht“, ist eine smarte Version von Augmented Reality, beschränkt auf ein Rechteckt in der Größe eines großen Phablets und das in etwa 15 Zentimeter Entfernung vor dem Gesicht. Darin entsteht die Magie: Virtuelle Bilder treffen auf die Realität. HoloLens „weiß“, wo diese sind, so dass Sie herumgehen, knien oder auf diesen stehen können und die Bilder bleiben an Ort und Stelle. Es ist wirklich verblüffend. Und eine Kinect-artige in der HoloLens eingebaute Kamera kann die Objekte um Sie herum einscannen. Dazu nachher mehr.
Es gibt einige Wege um mit dem Gesehenen zu interagieren. „Klicken“ geht indem Sie Ihre Hand in kurzer Entfernung vor Ihr Gesicht halten und Ihren Zeigefinger heben und wieder senken. Dann „klickt“ es dorthin, wohin Sie sehen und zwar durch einen Mauszeiger, der Ihrem Blick folgt. HoloLens funktionierte bei Microsoft-Mitarbeitern, die an die Gesten gewöhnt waren, perfekt. Bei unserem PC-World-Kollegen klappte es dagegen nicht so gut.
Sie können HoloLens übrigens auch Befehle geben, die als Makros gespeichert werden können.
Das beste zuerst: Der Spaziergang auf dem Mars
Microsoft und die US-Weltraumbehörde NASA arbeiten bei HoloLens zusammen. Das Ergebnis dieser Kooperation ist faszinierend.
Nachdem unser PC-World-Kollege die HoloLens an seinem Kopf befestigt hatte, sah er sich erst einmal den Planeten Mars lange an. Microsoft und die NASA nutzten dafür Bilder der Marslandefahrzeuge und erstellten daraus ein 3D-Modell, so dass man buchstäblich auf der Marsoberfläche spazieren kann. Die Idee war, dass NASA-Ingenieure die 3D-Karte nutzen können, um die nächste Route für den Rover festlegen und Objekte, die eine genauere Untersuchung zu lohnen scheinen, „markieren“ können, erklären die Microsoft-Führungskräfte. Wenn Sie auf einen Wegpunkt klicken, welcher mit einer kleinen virtuellen Flagge markiert ist, können Sie sich hinknien und „unter“ die Felsen spähen.
Als Zyniker könnte man das auch nur als eine Version von Google Maps auf dem Mars mit etwas virtueller Realität bezeichnen. Und doch ist es faszinierend.

©Microsoft
Einen Lichtschalter anschließen. Via Skype-Anleitung!
Microsoft-Mitarbeiter fragten unseren Kollegen, ob er nicht einen echten Lichtschalter anschließen könne. Dabei würde ihm Alice assistieren.
Nachdem ihm die HoloLens aufgesetzt wurde, rief er „Alice“ mit einer 2D-Version von Skype an, die in sein Blickfeld schwebte. Alice erschien und erklärte den Auftrag für den PC-World-Kollegen: Mit Hilfe von tatsächlichen Werkzeugen und ihren Anweisungen sollte unser Kollege einen neuen Lichtschalter installieren. Alice’ Version von Skype erlaubte ihr zu das Gleiche zu sehen, was auch der HoloLens-Träger sah. Zudem konnte sie Pfeile und Diagramme zu seiner Unterstützung einsetzen. Zur weiteren Vereinfachung konnte er ihr Skype-Fenster außerhalb von seinem Sichtfeld „anpinnen“. Der Kollege tat, was ihm gesagt wurde, ein Ingenieur schaltete den Strom an und schon wurde es Licht.
Eigentlich gab es dabei nur eine einzige kleine Enttäuschung: Alice war nur ein 2D-Videofenster. Origineller wäre es natürlich gewesen, wenn Alice als 3D-Avatar über die Schulter geschaut hätte.
Holo Builder: Minecraft leibhaftig spielen
Die Holo-Builder-Virtual-World-Demo war die spaßigste Erfahrung. Da die HoloLens Objekte im Umfeld scannen kann, kann Microsoft einen kleinen Raum in ein dreidimensionales Minecraft-Level verwandeln. Mit Lava, Höhlen und Zombies. Bei einer Aufgabe wurde von dem HoloLens-Tester verlangt, dass er einige mit TNT-Sprengstoff gefüllte Fässer anzünden und ein Loch in einen Tisch sprengen sollte. Nach noch etwas mehr Dynamiteinsatz fand unser Kollege dann eine weitere Höhle.
Ein überraschend gut funktionierendes Holo-Studio
Sie kennen vielleicht Project Spark , Microsofts Gamedesigner-Projekt. Holo Studio ist ähnlich gemacht und sieht vielversprechend aus.

©Mark Hachmann
Holo Studio bietet eine Kollektion von virtuellen Objekten zum Zusammenfügen an, mit denen man einen Koala, einen LKW oder einen X-Wing-Flügler erstellen kann. Die Tools waren solide und machten einen erstaunlich guten optischen Eindruck – das war fast ein fertiges Produkt und nicht mehr nur ein Demo. Zwar durften die anwesenden Journalisten damit nicht selbst experimentieren, aber Microsoft-Mitarbeiter erstellten 3D-Objekte aus dem Handgelenk, malte diese an und fügte diese zusammen und das alles sogar mit Hilfe von Sprachbefehlen wie „Copy“, um diverse Schritte immer wieder zu wiederholen.
Nichts für Spinner im öffentlichen Raum
Ich fragte eine der Microsoft-Mitarbeiterinnen, die uns HoloLens erklärte, ob es wahrscheinlich sei, dass sie in Zukunft mit der AR-Brille draußen herumlaufen würde. „Nein“, sagte sie, da HoloLens für die Arbeit und das Spielen drinnen gedacht sei. Das ist klug, weil damit die „Glasshole“-Beschimpfungen vermieden werden (mit denen sich viele Träger der Google-Brille konfrontiert sehen) und HoloLens zu einem Produkt für Freunde und Kollegen wird.
Und wann werden wir HoloLens kaufen können? Laut Microsoft soll es irgendwann während der Windows 10-Ära erscheinen – wann auch immer das ist.
Dieser Artikel stammt von unserer Schwesterpublikation PC-World.