Nach der Benutzerstatistik von Flickr ist das beliebteste Aufnahmegerät keine Kamera mehr, sondern das Smartphone. Das Apple iPhone 4/5 führt öffentliche Statistiken mit großem Abstand an. Tatsächlich nagen Smartphones arg am Kameramarkt, der sich laut den Verkaufszahlen des Fotoindustrie-Verbands im Sinkflug befindet. Im Jahr 2014 gingen in Deutschland für 1,45 Milliarden Euro Kameras über den Ladentisch beziehungsweise über den Online-Handel, während es im Jahr zuvor noch 1,52 Milliarden Euro waren. Gehören damit Digitalkameras mit ihrem wuchtigen, teuren Zubehör zum alten Eisen? Keinesfalls, denn Trends auf Flickr, Twitter und Nischen wie die Konfliktfotografie geben nur einen Teil der Entwicklung wieder. Vielmehr sind Kamerahersteller mit geänderten Ansprüchen der Anwender konfrontiert. Eine Knipse oder simple Zweitkamera will kaum noch jemand. Aber auf der anderen Seite des Spektrums, in dem digitalen Spiegelreflexkameras (DSLRs) und spiegellose Systemkameras zu Hause sind, ist die Nachfrage stabil und steigt bei Spiegellosen und Action-Kameras für Videoaufnahmen sogar. Das sind genau jene Kameramodelle, die kein Loch ins Budget reißen, sich aber trotzdem für Experimente und ausgefallene Aufnahmen eignen. Die Lust an anspruchsvollen Fotos aus der eigenen Kamera ist also auch nach Instagram und Co weiterhin eine Motivation bei der Wahl einer Kamera. Digitalfotografie ist von Haus aus ein lohnendes Feld für Fotografie-Experimente, denn die Resultate sind sofort auf dem Kamera-Display oder kurz darauf am PC im RAW-Konverter sichtbar. Die folgenden kleineren Do-it-yourself-Projekte und Tipps für ambitionierte Hobbyfotografen zeigen einfallsreiche Improvisation mit ungewöhnlichen Materialen. Nicht als Ersatz für professionelles Equipment, sondern um auf den Geschmack zu kommen.
Kamera-Zubehör im Eigenbau
Ausleuchtung: Lichtmalerei mit Punkten auf dem Tablet
Lange Belichtungszeiten bei schwacher Ausleuchtung erlauben im Studio Lichtmalereien mit dem Tablet für interessante Hintergründe und surreale Beleuchtungseffekte. Wählen Sie dazu die Beleuchtung des Motivs so in einem stark abgedunkeltem Zimmer, dass sich eine Belichtungszeit von 10 bis 20 Sekunden ergibt. Auf einem Tablet laden Sie in einem Bildbetrachter ein vorbereitetes Bild mit farbigen Streifen oder Punkten. Nachdem der Verschluss der Kamera auslöst, schieben Sie das Tablet langsam hinter dem Motiv vorbei. Durch die lange Belichtungszeit ergibt sich mit wenig Aufwand ein Hintergrund aus leuchtenden Streifen.

©David Wolski
Schweißmasken-Glas: Behelfsmäßiger ND-Filter
Für Aufnahmen mit möglichst langer Belichtungszeit, die etwa Fußgänger nahezu unsichtbar macht und einen malerischen Effekt auf bewegte Wasseroberflächen hat, gibt es im Fachhandel neutrale Graufilter (ND-Filter). Diese dunkeln die einfallende Lichtmenge je Filterdichte um mehrere Blendenstufen ab und sorgen so auch bei Tageslicht für längere Belichtungszeit. Gute Filter gibt es für verschiedene Gewindegrößen ab 30 Euro. Aber auch ein dunkelgrünes Schweißglas für zwei Euro kann für experimentelle Bilder oder erste Versuche schon ähnliche Resultate liefern. Schweißglas für Schweißmasken mit Dichtegrad 10 gibt es in Baumärkten in Scheiben mit den Abmessungen von 90 x 110 Millimetern – ideal für die Verwendung an der Kamera. Befestigen Sie das Glas vor dem Objektiv, indem Sie die Gegenlichtlende umgekehrt aufstecken und an dieser mit je einem Gummiband auf jeder Seite das Glas fixieren. Die nötigen Belichtungszeiten ermitteln Sie am besten manuell mit mehreren Testaufnahmen über einen getimten Selbstoder Fernauslöser. Da der improvisierte Schweißglas-Filter einen starken Grünstich erzeugt, ist hier eine Aufnahme im RAW-Format und eine spätere Farbkorrektur Voraussetzung für brauchbare Aufnahmen, sofern es sich nicht um Schwarzweißbilder handeln soll.

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Porträts: Reflektierender Sonnenschutz
Grelles Sonnenlicht erzeugt tiefe, harte Schatten, die in der Landschaftsfotografie sehr reizvoll sind, aber bei Porträts und Stillleben nicht immer erwünscht sind. Eine einfache Möglichkeit, mit vorhandenem Sonnenlicht zu arbeiten, es zu streuen und abzulenken, bieten Reflektoren. Eine ausgerichtete Reflektorfläche wirft ganz ohne zusätzliche Lichtquelle einen Teil des Lichts gezielt und in geringer Intensität auf das Motiv zurück und hellt damit dunkle Bereiche auf. Reflektoren für Fotografen gibt es im Fachhandel in vielen Größen, Formen und sogar Farben und zählen zur erschwinglichen Kategorie nützlichen Fotozubehörs. Ein Set runder Faltreflektoren mit einem Meter Durchmesser ist schon ab 20 Euro zu haben. Aber erste Versuche kann man auch mit anderen Materialien machen: Ein reflektierender Sonnenschutz aus beschichteter Folie für die Frontscheibe eines Autos leistet ebenfalls gute Dienste für den Anfang oder wenn gerade nichts anderes zur Verfügung steht. Ein Vorteil von Sonnenschutzfolien für wenige Euro ist, dass sie in robuste Folie eingeschweißt sind, Befestigungsriemen an den Rändern haben und zudem das Licht gut streuen. Da die reflektierende Folie nicht glatt, sondern mit vielen kleinen Knicken strukturiert ist, wirft sie diffuses Licht ohne störende Brennpunkte zurück. Stabilität erreicht man, indem man den Sonnenschutz mittels Klammern oder Klebeband auf einem Karton aufspannt und mit dem Riemen an einem ausgezogenen Stativ befestigt. Besonders hilfreich ist hier aber ein helfendes Paar Hände, besonders bei Außenaufnahmen. Die besten Ergebnisse liefert eine Ausrichtung des Reflektor gegenüber der Lichtquelle und in einem Winkel von 45 Grad.

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Eimer-Stativ: Fester Halt für Lampen und Reflektor
Zum Ausleuchten einer Szene mit Lampen und Reflektoren sind nie genug Befestigungspunkte beziehungsweise Stative vorhanden. Ein provisorisches Stativ können Sie mit einfachen Mitteln aus dem Baumarkt oder aus dem eigenen Fundus auf die Schnelle selbst improvisieren. Wählen Sie als Stativfuß einen dicht schließenden Wasserkanister mit 20 Litern Fassungsvermögen und füllen Sie diesen auf. Eine Holzlatte dient alt Stativstange, die Sie mit mehreren Wicklungen Industrieklebeband (Ductape) am Kanister befestigen. Alternativ dazu sind auch Spanngurte mit Schnellverschluss geeignet, da diese den Vorteil haben, dass sich der Aufbau leicht wieder zerlegen lässt. An der Holzlatte befestigen Sie die Beleuchtung und Reflektoren je nach Gewicht mit starken Foldback-Klammern oder mit Holzschrauben. Wichtig: Verwenden Sie nur robuste Kanister, die absolut dicht schließen, da Stromkabel von Lampen und Wasser immer eine schlechte Kombination sind.

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Eieruhr als Motor: Panorama im Zeitraffer
Ein beeindruckender Effekt bei Videoaufnahmen sind lange Panoramaschwenks im Zeitraffer. Aufnehmen können Sie Zeitraffervideos nicht nur mit Videokameras, sondern auch mit Digitalkameras, deren Selbstauslöser mit einem Intervall-Timer programmierbar ist und so automatisch in regelmäßigen Abständen ein Bild macht. Für langsame Panoramaschwenks ist ein selbständig und gleichmäßiger rotierender Stativkopf nötig, da sich Zeitrafferaufnahmen aufgrund der erforderlichen Präzision nicht per Hand drehen lassen. Genau dazu gibt Spezialzubehör wie den Stativkopf Flow-Mow, der nach dem Prinzip einer Eieruhr funktioniert und sich um 360 Grad in 120 Minuten drehen kann – ein optimales Intervall für Kameras.

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Der Flow-Mow ist im Handel ab 30 Euro zu haben, etwa bei Amazon , aber es gibt für die ersten Versuche auch eine günstigere Selbstbaulösung: Zufälligerweise ist die Eieruhr „Ordning“ des Möbelherstellers Ikea zu sechs Euro mit ihrem stabilen Edelstahlgehäuse so geformt, dass der obere rotierende Gehäusedeckel groß genug ist, um ein Smartphone, eine leichte Kompaktkamera, Handheld-Videokamera oder auch Action-Kamera wie die Gopro daran zu befestigen. Die komplette Kamera darf aber nicht schwerer als 500 Gramm sein, damit das Eieruhrwerk nicht stehen bleibt, und der Schwerpunkt muss genau auf der sich drehenden Achse liegen. Da diese Eieruhr in 60 Minuten eine ganze Drehung macht, muss das Aufnahme-Intervall des Timers kürzere Abstände als fünf Sekunden beherrschen, da sonst der Schwenk im Zeitraffer nicht flüssig wirkt. Eine Demonstration des Eieruhr-Stativs mit einer Gopro ist in diesem Video zu sehen.

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Blitzdiffusor: Plastikbehälter zum Aufstecken
Direktes Anblitzen von Motiven liefert selten akzeptable Ergebnisse und sollte möglichst vermieden werden. Ein direkter Blitz führt zu hässlichen Schatten und schalen, meist überbelichteten Farben im Bildmittelpunkt. Außerdem führt frontales Blitzen bei Porträts häufig zum leidigen Rote-Augen-Effekt, den nicht alle Kameras automatisch ausgleichen. Frontales Blitzlicht, etwa aus dem integrierten Aufhellblitz von Kameras, ist nur dann sinnvoll, wenn es darum geht, tiefe Schatten unter grellem Licht mit einem Aufhellblitz auszugleichen. Besser ist aber immer der indirekte Licht eines aufgesteckten Geräts mit dreh- und schwenkbarem Blitz. Dieses kann gegen eine Wand oder Zimmerdecke gerichtet werden und die Szene dann zum Preis von etwa zwei Blendenstufen mit dem reflektierten, weicheren Licht gleichmäßig ausstrahlen. Nur stehen nicht überall geeignete Wände herum. Die Lösung ist ein aufsteckbarer Diffusor mit großer Abstrahlfläche, die den Blitz weicher macht.

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Ein Aufsteckdiffusor lässt sich mit wenig Aufwand aus einem verschließbaren Küchenbehälter aus weißem Kunststoff selbst bauen. Schneiden Sie dazu in die Wand des Behälters eine rechteckige Öffnung, in die sich der Blitz gut hineinklemmen lässt. Die Innenflächen können Sie mit einem einem weißen oder reflektierendem Material bekleben, falls der Kunststoff zu lichtdurchlässig ist.
Das erste Fotostudio: Klein, aber mein
Dosenkühler: Schutzhülle für Objektive
Wechselobjektive sind am besten in einem schützenden Objektköcher aufgehoben, wenn sie sich nicht gerade an der Kamera befinden. Das gilt besonders für den Transport, denn schon kleine Zusammenstöße mit anderem Zubehör können hässliche Schrammen im Kunststoffgehäuse des Objektivs hinterlassen. Am besten man besorgt die passenden Schutzhüllen gleich bei Kauf eines Objektivs. Wer Optiken ohne Köcher hat, kann eine Schutzhülle aus Schaumstoff-Kühlbeuteln („Koozies“) für Getränkedosen improvisieren. Die Dosenkühler mit einem Innendurchmesser von 67 Millimetern kosten pro Stück weniger als zwei Euro und passen für alle Objektive, die ungefähr die Abmessung einer 0,33-Liter-Dose haben.

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Hugin: Panoramafotos aus mehreren Bildern selbst gemacht
Panoramen sind besonders in der Landschaftsfotografie reizvoll, um dramatische Stimmungen einzufangen. Für Android-Smartphones gibt es Googles Foto-App Photosphere für Panoramafotos schon einige Jahre. Ab Android 4.2 ist die Panoramafunktion in der vorinstallierten Foto-App Google Kamera enthalten. Seit dem Jahr 2012 gibt es diese kostenlose App von Google auch für Apple iPhone/iPad bei iTunes. Auch Kamerahersteller wie Canon haben Panoramaprogramme in die Firmware vieler Modelle integriert, um die Bilder dann am PC mit einer Zubehör-Software wie Canon Photostitch zusammenzufügen. Wenn die Ergebnisse dieser Programme nicht den Erwartungen entsprechen oder die Kamera schlicht kein Panoramaprogramm hat, dann können Sie mit der Open-Source-Software Hugin Panoramen aus überlappenden Serien von Einzelbildern selbst erstellen.

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Hugin ist ein Werkzeug für Fortgeschrittene und verlangt Ihnen zum Einstieg etwas Geduld ab, zumal die Dokumenation in Englisch ist. Man darf um längere Experimente nicht verlegen sein, bis alle Funktionen des Programms ergründet sind. Empfehlenswert ist, erst einmal mit kleinen Panoramen aus zwei Einzelbildern zu beginnen. Der Aufwand lohnt sich: Hugin ist eines der besten Panorama-Tools. Wichtig: Für gute Ergebnisse sollte immer die Brennweite aus den Metadaten der Aufnahmen eingetragen werden. Manuell hinzugefügte Kontrollpunkte zwischen überlappenden Bildern verbessern das Ergebnis ganz erheblich. Eine deutschsprachige Anleitung zu Hugin findet sich auf dieser Webseite .
RAW-Format Für anspruchsvolle Fotos unerlässlich
Lichtquellen haben unterschiedliche Farbtemperaturen, und ein sorgfältiger Weißabgleich anhand der Kameraeinstellungen ist für natürlich wirkende Farben unentbehrlich. Die Bildprozessoren von Digitalkameras liefern eine Automatik zur Abbildung natürlich wirkender Farben, aber die Resultate sind nicht immer hinreißend. Gerade unter besonderen Lichtverhältnissen wie warmen Abendlicht, der „Goldenen Stunde“ und bei einem Mix inhomogener Lichtquellen bleibt der automatische Weißabgleich meist auf der Strecke. Am Ende sollten Sie Ihrem eigenen Auge vertrauen und eine eigene Bildsprache entwickeln. Schließlich machen Sie das Bild. Das Gespür für ein gutes Motiv ist oft wichtiger als die Technik, und die liefert lediglich die Werkzeuge fürs gute Bild.

Generell empfiehlt sich stets die (zusätzliche) Aufnahme im RAW-Format. Dieses unkomprimierte Format, das Systemkameras, DSLRs und bessere Kompaktkameras optional speichern, nimmt für jeden Pixel die Daten des Bildsensors unverändert auf. Zur Ausgabe eines fertigen Bilds zur Weitergabe oder Weiterverarbeitung ist ein Konverterprogramm nötig, das die zahllosen Optimierungsmöglichkeiten ausschöpft, die auch nach dem Auslösen zur Bildoptimierung zur Verfügung stehen. Dazu gehören Belichtung und Nachbelichtung, Entrauschen, Weißabgleich, Farbsättigung, Kontrast und Histogramm. Wenn der Hersteller keine geeignete Bildbearbeitungs-Software anbieten sollte, dann eignet sich das Open-Source-Programm Rawtherapee hervorragend als Alternative, um alle Vorzüge des RAW-Formats kennenzulernen. Es unterstützt alle wichtigen Herstellerformate und bildet zudem einen kompletten Workflow recht komfortabel ab.

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Reparaturen Selbsthärtender Silikonklebstoff
Unterwegs bedeuten Beschädigungen an Kamera oder Equipment viel Ungemach und schlimmstenfalls das Ende des Foto-Trips. Für provisorische, aber haltbare Reparaturen an Gehäusen von Objektiven und Kameras ist es sinnvoll, auf Reisen eine Packung der selbsthärtenden, modellierfähigen Silikonmasse „Sugru“ mitzunehmen. Sugru ist mit rund 90 Euro-Cent pro Gramm sagenhaft teuer – dreimal fünf Gramm gibt es beispielsweise bei Amazon für 13 Euro. Aber nach der Aushärtezeit von 24 Stunden ist die zunächst per Hand formbare Silikonmasse enorm fest, temperaturstabil, wasserbeständig. Sie hält auf nahezu allen Materialien und bleibt leicht elastisch. Sugru wird in kleinen Tüten zu fünf Gramm geliefert und besteht anders als Epoxidharz nur aus einer ungiftigen Komponente. Es eignet sich zur Reparatur von angeknacksten Gehäusen, Gegenlichtblenden, Deckeln, abgerissenen Griffen und ausgerissenen Gewinden. Mit seiner Formbarkeit kann es ganze Gummi- und Kunststoffteile wie etwa eine Suchermuschel ersetzen.
Dieser Artikel stammt aus dem Sonderheft PC-WELT Hacks – Raspberry Pi & Arduino

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