Perspektivisch schlecht geschossene Sehenswürdigkeiten, das x-ste Foto der Liebsten: So lassen sich mindestens 90 Prozent der Urlaubsfotos zusammenfassen, die Sommer für Sommer fotografiert werden. Wer da schon ein wenig mehr vom Fotografieren versteht, der sorgt dafür, dass Personen zumindest nicht zentral auf dem Foto zu sehen sind, sondern nach dem Goldenen Schnitt positioniert sind. Und dennoch: Solche Fotos sind bestenfalls eine ästhetische Dokumentation der besuchten Orte. Es fehlt oft die Geschichte, die Emotion, die Seele. Viele Menschen versuchen, dies dann durch Texte zu erklären, sei es in Fotoportalen oder aber, wenn sie anderen die Fotos zeigen. Das funktioniert nur bedingt; besser ist es, das Bild selbst erzählt. Der Schwerpunkt der Reisefotografie liegt auf einen geliebten Ort“, sagt Foto- und Reisejournalist Jan Balster, „mit einem solchen Fleck Erde verbindet der Fotograf immer Erinnerungen, die Emotionen auslösen“. Und weil gute Reisefotografen eben diese Emotionen zulassen, statt nur durch die Kamera distanziert zu beobachten, schaffen sie den Grundstein für das perfekte, sprechende Foto.
Sonne, Basar, Gerüche, Menschen, Sprachen, Sand – all dies kann auf einer Reise Gefühle auslösen. Und die sollen nun aufs Foto. Da stellt sich die Frage: Reicht es, wenn man diese Gefühle hat, obwohl man nie zuvor an dem Ort des Geschehens war? Oder ist es wichtig, den Ort der Reise schon zu kennen, um professionelle Fotos schießen zu können? „Es ist ganz wichtig, den Ort im Vorfeld zu kennen“, sagt Jan Balster, „ vorher habe ich viele Stimmungen im Kopf, die überwiegend durch fremde Bilder entstehen“. Und dennoch sei er auch dafür offen, unvoreingenommen auf eine Fotoreise zu gehen. Letzteres bevorzugt auch die Heike Kaufhold vom Reiseblog Köln Format : „Ich liebe es, gerade solche Orte aufsuchen, von denen viele sagen ’Hier gefällt es mir nicht’ oder ’der Ort war hässlich’“, sagt sie, „das macht mich neugierig“. Um einen Ort so ablichten zu können, wie man ihn selbst erlebt hat, gehört ihrer Meinung nach viel Zeit und vor allem die nötige Ruhe dazu. Ruhe, sich noch einmal in den Ort hinein zu vernetzen, Wege abzulaufen, Platz im Lieblingscafé oder -restaurant zu nehmen und passierende Menschen zu beobachten. Dies gelänge aber nicht nach odem Motto „Ich muss noch schnell ein daar Bilder schießen“. Klar, dass eine Zentner-schwere Fotoausrüstung einen davon abhält, tolle Foto-Möglichkeiten zu finden. „Je leichter das Equipment, desto entspannter die Aufnahmen“, sagt Kaufhold.

©Jan Balster
Weniger ist mehr
Es stellt sich also schon im Vorfeld die Frage, was man auf eine Fotoreise mitnehmen soll. Immerhin beinhaltet Reisefotografie eine Fülle an Fotografie-Stilen – da wäre ein Kameraset für alle Begebenheiten doch praktisch, oder nicht? „In meinen Augen klar ein Nein“, sagt Jan Balster, „doch das muss Jeder für sich entscheiden. Ich selber habe sehr wenig, da ich nicht bereit bin, einen LKW zu ziehen“. Eher bemüht Jan Balster sich, sein Equipment stetig zu verkleinern, so dass nur das Wesentliche mitkommt. Zu Analogfoto-Zeiten hatte er immer zwei Kameragehäuse, vier Objektive, einen Telekonverter, neun Filter, ein Stativ, 60 bis 80 Fotofilme und eine Kompaktkamera dabei; heute ist sein Equipment nur halb so üppig. „Und wer in abgelegene Regionen der Welt mit einem langsamen Verkehrsmittel oder gar zu Fuß reist“, empfiehlt Balster, „sollte seine Kamera auf Batteriebetrieb umrüsten und genügend Batterien einpacken“. Der Grund: Batterien sind überall zu beschaffen, eine Steckdose oder gar neue Kameraakkus findet man nicht überall.

©Jan Balster
Auch rät der Reisejournalist, lieber mehrere Speicherkarten mit weniger Kapazität statt nur eine Karte mit der gesamten Kapazität für den ganzen Urlaub einzupacken. „Geht mal eine Speicherkarte kaputt“, sagt er, „hat man Ersatz und verliert nicht gleich alle bereits geschossenen Fotos oder seine gesamte Speicherkapazität“. In Sachen Datensicherung hat auch schon die Reisebloggerin Angelika Schwaff schlechte Erfahrungen machen müssen. „Einmal hat eine externe Festplatte mit etlichen, vielleicht tausenden Fotos auf einer Reise ihren Geist aufgegeben“, erzählt Schwaff, „ein erheblicher Verlust für mich. Ich habe knapp Tausend Euro für die Datenrettung ausgeben müssen.“ Seitdem sichert sie Ihre Fotos immer doppelt. Ein empfehlenswerter Tipp.
Sprachen sind sehr nützlich
Jan Balster arbeitet als Bild- und Reisejournalist. Mit dem Auto, Fahrrad, auf dem Pferd oder zu Fuß bereiste er die verschiedensten Länder der Welt. Russland und Zentralasien sind seine Favoriten; noch in diesem Jahr erscheint von ihm ein Bildband über die Mongolei. Wir sprachen mit ihm über das Fotografieren von Menschen auf Reisen.
Wenn Sie Menschen fotografieren, fragen Sie da erst oder haltenSie direkt die Kamera drauf?
Jan Balster: Respekt ist die erste, zweite und dritte Regel. Immer fragen, egal in welchem Land, egal wie viele oder wenig Richtlinien oder juristische Spitzfindigkeiten – wie in Deutschland – existieren. Ein „Nein“ muss unbedingt akzeptiert werden. Besonders materiell arme Menschen möchten oft nicht fotografiert werden und trotzdem existieren tausende Menschenbilder besonders von Afrikanern und Asiaten, welche sich juristisch nicht wehren können.
Besteht denn nicht die Gefahr, dass das authentische Motiv verloren geht, wenn man im Vorfeld fragt?
Jan Balster: Wenn die Szene durch meine Frage nicht verändert wird, so erbitte ich die Fotoerlaubnis vorher. Ansonsten frage ich erst nach dem Auslösen. Dann mache ich aber aus Respekt noch ein paar Fotos hinterher, welche ich dann, wenn gewünscht, gleich an den abgelichteten Menschen verschenke.
Nicht jeder Amateurfotograf ist „frech“ genug, auf Menschen zuzugehen. Haben Sie hier Tipps?
Jan Balster: Ein Partner, der nicht fotografiert, kann hier hilfreich sein. Er kann nach dem Weg fragen oder eine andere Auskunft erbeten – und so ins Gespräch kommen. Sprachen sind sehr nützlich und sind die erste Hürde nach dem Respekt. Für den Anfang tun auch ein Lächeln und zwei, drei Worte in der Landessprache Wunder.

©Angelika Schwaff
Urbanes Leben einfangen
Ist nun die Kameratasche vollständig, das Rüstzeug für gute Fotos vorhanden, dann stelle sich immer noch die Frage: Mit welchen Tipps gelingen gute Reisefotos? Wie schießen Sie, Frau Schwaff, beispielsweise gute Fotos vom Stadtleben? „Das kann schwierig werden“, sagt die Reisebloggerin, „denn erstens will man keine Persönlichkeitsrechte verletzen, wenn man in einer Stadt unweigerlich Menschen vor der Linse hat, und zweitens kann die Enge in einer Stadt auch enorm den Blickwinkel und damit das Bild einschränken“. Eine schöne Stadtdynamik können Sie zum Beispiel darstellen, wenn Sie mit einer langen Belichtungszeit und mit einem Stativ eine vorbeiziehende Menschentraube „verschwimmen“ lassen. Für ein Foto einer Skyline müssen Sie einfach aus großer Distanz oder Höhe fotografieren. Ein Weitwinkel-Objektiv ist für Straßenfotos besonders hilfreich. „Urbanes Leben lässt sich am besten einfangen wenn man ein Teil davon wird und nicht als Fremdkörper agiert“, rät grundsätzlich Heike Kaufhold, „mitmachen, dazustellen, mitlaufen, Leute ansprechen, Informationen sammeln, Geschäfte beobachten“. Je unauffälliger das Equipment und je weniger auffällig Sie selbstaussehen würden, desto besser seien die Bilder. Bemühen Sie sich also, nicht wie eine typischer Tourist auszusehen – das „stößt“ gute Motive förmlich ab.

©Jan Balster
Aber Reisefotografie findet ja nicht nur in der Stadt statt. Auch weite Landschaften, Berge, Täler, Ufer und Wälder sind gute Motive. „Soll eine Aufnahme berühren, so genügt es nicht, die vor einem liegende Landschaft zu knipsen“, sagt Jan Balster, „der Fotograf muss sich für Schatten und Lichter, Details und Strukturen, Gebirgszüge und Gewässer, Verläufe, Hänge, Flora und Fauna interessieren. Er muss ein Gleichgewicht der Natur herstellen und den Fotoabzug schon vor dem Drücken des Auslösers innerlich sehen.“ Besonders hilfreich sei es da, früh aufzustehen, Geduld zu haben und oft mehrmals immer wieder zum selben Ort zu gehen, bis die Stimmung passt. Vor allem spielt für Landschafts aufnahmen das jeweilige Licht eine große Rolle, eine bestimmte Stimmung einzufangen. „Das natürliche Licht ändert im Verlauf des Tages seine Farben“, sagt Angelika Schwaff. Generell gibt es das perfekte Licht natürlich nicht. Bei Portraits ist das weiche Licht des Nachmittags hilfreich, während für kontrastre-che Landschaftsaufnahmen die Blaue Stunde, also das Licht des Morgens oder des Abends, passend sein kann. „Die Helligkeit entscheidet, ob ein Foto gut oder schlecht ist“, sagt auch Heike Kaufhold, „die Helligkeit muss so passen, dass es für die jeweilige Stimmungslage perfekt ist.“
Schießen und zeigen: Das Smartphone
Ein Smartphone bietet unterwegs gewisse Vorteile, auch wenn es fotografisch limitiert ist. Vor allem die Möglichkeit, andere Menschen praktisch via Facebook. Instagram & Co. live oder sogar interaktiv an einer Geschichte teilhaben zu lassen, hat ihren Reiz. Zumindest dort, wo es ein Mobilfunknetz gibt.
„Tatsächlich fotografiere ich gerne mit meinem Smartphone“, verrät Heike Kaufhold, „es ist nicht nur leicht, sondern macht durchaus Bilder mit einer sehr guten Qualität“. Als Reisebloggerin gibt das iPhone ihr die Möglichkeit, Fotos von Reisen direkt ins Netz zu stellen und in ihren Netzwerken, Instagram, Facebook oder Twitter, zu teilen.
Mal eben schnell veröffentlichen – das ist es, was auch die Reisebloggerin Angelika Schwaff liebt: „Vor allem für meine Fotos auf Instagram ist mein iPhone 5s praktisch“, sagt sie, „die Bilder kann live hochladen und kann meinen Lesern schon vorab einen Eindruck von Land geben, in dem ich mich gerade befinde“. Auch wenn eine Smartphone aufgrund seiner Kamera groß gelobt wird, gehört hier dennoch ein wenig Können dazu: Wenn Sie Bildbearbeitungs-Apps nutzen, dann sollten Sie diese mit Bedacht und Geschicklichkeit einsetzen. Nicht tolle Filter, sondern das Motiv selber sollen für Sie im Vordergrund stehen. Und ebenfalls wichtig: „Beim Fotografieren mit dem iPhone sollten Sie solange probieren bis die Belichtung stimmt“, empfiehlt Heike Kaufhold.

©Angelika Schwaff
Geduld ist das Zauberwort
Klar, es wird nicht immer gelingen, ein Gefühl, dass Sie von einem Ort haben, perfekt zu übertragen. „Erst, wenn der Betrachter ’Ja’ sagt, wenn seine Phantasie auflebt oder er mit diesem Ort, vielleicht andere, eigene Erinnerungen belebt“ sagt Balster, „dann ist ein Reisefoto gelungen“. Für ihn zum Beispiel ist ein Bild dann gut, wenn er es nach vielen Jahren betrachtet und es ihn nicht langweilt. „Dabei muss es sich nicht um ein technisch perfektes Foto handeln“, sagt Balster, „auch ein Fehler tut manchmal gut“. Denn es geht hier letztlich nicht darum, das künstlerisch wertvollste Bild zu schaffen, sondern das festzuhalten, was etwas über den Ort erzählt. Das kann ebenso ein Blick hinter schöne Fassaden in vergammelte Innenhöfe sein wie das irgendwie doch geordnete Verkehrschaos zur Rushour in einer Stadt wie Istanbul. Wichtig ist, dass Sie herausfinden, was genau Sie emotional berührt und dies dann versuchen, ins Bild zu setzen.
Das gehört in die Reise-Kameratasche
— Spiegelreflexkamera (eine reicht völlig!)
— Minikompaktkamera und/oder Smartphone
— GoPro-Kamera, falls Action-Aufnahmen geplant sind
— Festbrennweiten-Objektiv mit Weitwinkel- und Makrofunktion
— Telekonverter zur Erweiterung des Festbrennweiten-Objektivs
— Telezooom (z.B. eine 24–70 f2.8)
— Filter (Zirkularer Polarisationsfilter, UV-Filter, Skylightfilter, Weichzeichner, Weichzeichner-Verlaufsfilter, Grauverlaufsfilter – alle weiteren Filter sind eher Spielerei.)
— ein leichtes Stativ (z.B. ein Einbein)
— viele Wechselakkus und/oder Batterie-Adapter
— mindestens 20 Speicherkarten
— Externe Festplatte
— Notebook