Wenn Sie abends den Fernseher anschalten und sich das aktuell laufende Programm ansehen, tun Sie etwas, was Medienexperten inzwischen auf den schönen Namen „lineares Fernsehen“ getauft haben. Gemeint ist, dass Sie sich an den Ablauf der Formate halten, die Ihnen der Sender vorschreibt. Die wachsende Digitalisierung von Inhalten führt derzeit allerdings in vielen Haushalten zu einer Änderung der Gewohnheiten. Denn immer mehr Zuschauer machen sich unabhängig vom starren Programmablauf und rufen Serien und Filme direkt aus dem Internet ab. Fernsehen, wann immer Sie wollen – das machen Mediatheken und Anbieter von Video on Demand (VOD) möglich.
Müssen Linux-Nutzer draußen bleiben?
Dass es neben Windows und Mac-OS noch andere Betriebssysteme für den klassischen PC gibt, scheint bei den Verantwortlichen vieler TV-Angebote im Internet unbekannt zu sein – oder sie ignorieren diese Minderheit bewusst. Wer zum Beispiel das Angebot von Watchever im Browser nutzen will, benötigt das Silverlight-Plug-in aus dem Hause Microsoft. Dieser Anbieter bildet lediglich in der Wahl seiner technischen Plattform eine Ausnahme: Andere Unternehmen und Sendeanstalten setzen zumindest auf das weiter verbreitete Flash-Plug-in. Für Linux-Nutzer wird es in jedem Fall ärgerlich. Einen Adobe Flash-Player für Linux gibt es zwar, aber die aktuelle Version hinkt der Windows-Version deutlich hinterher. Kein Wunder, dass sich viele Nutzer insbesondere in Sachen Geschwindigkeit und Stabilität beklagen. Noch ärgerlicher ist indes, dass Adobe nun auch die Weiterentwicklung der Linux-Version eingefroren hat. Außer Sicherheits-Patches wird sich am Quelltext also voraussichtlich nichts ändern.
Browser Chrome – oft eine Hilfe: Für den ungetrübten Mediengenuss unter Linux sorgt oft ein Browser, den viele Nutzer eher nicht so gern auf demSystem sehen. Google Chrome verfügtüber einen integrierten Flash-Player, der regelmäßig weiterentwickelt wird. Unumstritten ist der Browser aber nach wie vor nicht. Chromium, also die freie Variante des Browsers, ist diesmal keine Lösung, da dieser Browser lediglich auf den installierten Flash-Player des Systems zugreift. Besuchen Sie also die Seite www.google.com/chrome , und entscheiden Sie sich hier für den Download. Danach müssen Sie nur noch das Binärformat passend zu Ihrer Distribution auswählen und die Nutzungsbedingungen akzeptieren. Unter Ubuntu nehmen Sie das Debian-Paket, das Sie nach dem Download einfach mit einem Doppelklick installieren.
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Mediatheken ansehen
Viele Sendeanstalten sammeln inzwischen in einer Mediathek (meist für einen begrenzten Zeitraum) bereits ausgestrahlte Sendungen. Wie so oft in der Welt von Linux hat die Community für die besonders komfortable Nutzung solcher Mediatheken ein eigenes Programm ersonnen. Es benötigt zur Wiedergabe den VLC-Player – eine unentbehrliche Software, die auch bei Nutzern von Windows und Mac-OS gleichermaßen beliebt ist. Installieren Sie den VLC-Player zunächst direkt über das Software-Center von Ubuntu.Ist dessen Einrichtung abgeschlossen, installieren Sie das Programm „Mediathek View“. Alternativ zur Nutzung des Software-Centers öffnen Sie ein Terminal und geben dort
sudo apt-get install mediathekview
ein. Das Programm ist in Java programmiert. Sofern noch keine aktuelle Java-Umgebung auf Ihrem Computer vorhanden ist, wird diese als Abhängigkeit gleich mit eingerichtet. Starten Sie das Programm direkt aus einem Terminal heraus, oder suchen Sie die Software im Dash. Sie landen beim ersten Start automatisch bei der Ersteinrichtung. Klicken Sie die Option „Vorher anpassen“ an und danach auf „Mit Standardeinstellungen starten“. Im ersten Dialog müssen Sie jetzt den Pfad zu zwei Hilfsprogrammen definieren. Um zu kontrollieren, wo auf Ihrem System der VLC-Player installiert wurde, öffnen Sie ein Terminal und geben which vlc ein. Sie erhalten den kompletten Pfad als Angabe zurück, den Sie dann in den Einrichtungsdialog eintragen. Einige Sender bieten Videos auch direkt im Flash-Format an. Damit Sie diese aufzeichnen können, benötigt Mediathekview das Programm „flvstreamer“. Ermitteln Sie im Terminal erneut mit which flvstreamer , ob diese Software bereits installiert wurde undunter welchem Pfad sie gespeichert ist.Ist flvstreamer nicht zu finden, installieren Sie ihn mit sudo apt-get install flvstreamer. Dessen Pfad tragen Sie in den Einstellungen der Software unter „Videoplayer“ ein.

Fahren Sie mit der Einrichtung des Viewers fort. Mediathekview kann Filme einfach nur wiedergeben oder auch speichern. Für beide Varianten müssen Ordner auf Ihrem Rechner angegeben werden, in denen die Daten landen. Deren Pfade ändern Sie im nächsten Schritt der Einrichtung. Mit „Weiter“ schließen Sie die Konfiguration ab. Jetzt aktualisiert das Programm zunächst seinen Datenbestand. Haben Sie einen Beitrag gefunden, der Sie interessiert, markieren Sie diesen in der Liste und drücken auf das Wiedergabesymbol. Damit öffnet sich automatisch der VLC-Player und spielt die Sendung ab. Um sich einen Beitrag zeitversetzt anzusehen, drücken Sie auf das Aufnahme-Symbol. Das Programm blendet Ihnen die Details zur Sendung in einem kurzen Dialog an. Danach können Sie das Herunterladen mit einem Klick auf „OK“ unmittelbar beginnen.
Die Kombi Mediathekview/VLC kann alle öffentlich-rechtlichen Angebote abgreifen, nicht aber die verschlüsselten von RTL und Pro7. Denn verschiedene Sendeanstalten haben damit begonnen, die Inhalte ihrer Mediatheken nur verschlüsselt anzubieten. Dazu zählt die RTL-Gruppe, die in ihrer Mediathek „RTL Now“ nur einen Teil des Angebots ohne Registrierung zugänglich macht. Adobe hat mit dem Real Time Messaging Protocol (RTMP) ein Instrument geschaffen, das zwischen einem Server und einem Flash-Player einen Tunnel aufbaut undzusätzlich die Verschlüsselung per SSL ermöglicht.
Wenn Sie Chrome als Browser einsetzen, werden Sie von dieser Veränderung gar nichts bemerken, und die Sendung wird einfach wiedergegeben. Das sieht beim Einsatz älterer Versionen des Flash-Players anders aus. Nach Berichten in der Linux-Community spricht einiges dafür, dass die Schwierigkeiten mit der Wiedergabe durch die Installation von „HAL“ und seinen Abhängigkeiten zu beheben seien.
Natürlich wurde inzwischen auch ein Spezialprogramm für den Konsum solcher Streams entwickelt: Rtmpdump kann auf der Kommandozeile eingesetzt werden und wird etwa auch in einigen anderen Projekten eingesetzt, darunter auch dem „flvstreamer“.

Streams für später aufnehmen
Ein Mausklick genügt und Sie zeichnen Ihre Wunschsendung auf, sofern Mediathekview die Quelle kennt. Undgerade darin liegt eine der größerenSchwierigkeiten, denn diese Adresse zu einem interessanten Beitrag wird von den Sendern nicht öffentlich gemacht. Wenn Sie ein Video im Browser abrufen, wird beim Beginn des Streams dessen Adresse meist kurz in der Statusleiste der Software angezeigt. Eher selten lässt sich die URL aus dem Quelltext der Internetseite herausfinden. Den Quelltext sehen Sie sich mit einem Rechtsklick auf die aktuelle Seite an. Sie müssen auf der Seite nach Hinweisen auf Dateien mit der Endung avi, mov, flv, mp3, wmv oder mp4 suchen. Ist eine solche Referenz vorhanden, können Sie versuchen, den Stream aufzuzeichnen.
Der bereits erwähnte VLC-Player leistet hier sehr gute Dienste. Starten Sie die Software, und wählen Sie aus dem Menü „Datei“ das Kommando „Konvertieren/Speichern“. Im nachfolgenden Dialog finden Sie das Register „Netzwerk“. Dort tragen Sie die URL ein und entscheiden sich für das Speichern, um mit der Aufzeichnung zu beginnen. Um die Adresse von Streams herauszufinden, die mittels RTMP verschlüsselt werden, nutzen Sie die Server-Komponente des bereits genannten Programms Rtmpdump.
Rein technisch leiten Sie damit den eingehenden Datenverkehr Ihres Systems um und lassen ihn mit der Server- Komponente der Software analysieren. Diese gibt Ihnen dann die URL aus, die Sie für die Aufzeichnung benötigen. RTMP nutzt den Port 1935 –und dessen Datenverkehr leiten Sie um. Öffnen Sie ein Terminal, und tragen Sie dort ein:
sudo iptables -t nat -A OUTPUT -p tcp --dport 1935 -j REDIRECT
Eine Rückmeldung des Systems erhalten Sie nicht. Wenn Sie aber im Browser einen Stream abrufen, der per RTMP verschlüsselt wird, bleibt das Fenster leer. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die Umleitung funktioniert hat. Im Terminal starten Sie dann die Server-Komponente von Rtmpdump:
rtmpsrv
Auf der Konsole erhalten Sie einen Link des ursprünglichen Streams. Diesen markieren Sie mit der Maus und kopieren ihn in die Zwischenablage. Damit haben Sie die URL, die Sie für die Aufzeichnung benötigen. Damit Sie den Stream auch aufzeichnen können, beenden Sie den Server mit der Tastenkombination Strg-C auf der Konsole. Jetzt müssen Sie die Umleitung des Streams wieder rückgängig machen. Das erreichen Sie mit dem folgenden Kommando:
sudo iptables -t nat -D OUTPUT –p tcp --dport 1935 -j REDIRECT
Erst jetzt füttern Sie das Programm IhrerWahl für die Aufnahme mit derURL zum Stream. Auf die Dauer wäre es natürlich viel zu umständlich, diese Kommandos für die Umleitung oder deren Aufhebung manuell einzugeben. Legen Sie sich dafür ein Alias, also einen Abkürzungsbefehl für die Konsole an. Wenn Sie diesen eingeben, wird die Konsole Ihr Kürzel auflösen und stattdessen den längeren Befehl verwenden.
Mit gedit ~/.bashrc öffnen Sie die entsprechende Datei in den Editor gedit. Fügen Sie dort zwei Zeilen ein:
alias umleion='[Umleitung]' alias umleioff='[Umleitung aufheben]'
Verwenden Sie ein eigenes Alias-Kürzel, das Sie sich gut merken können. Statt der Stellvertreter in Klammern verwenden Sie die oben genannten Befehle von iptables. Das Aufzeichnen von Streams, die RTMP nutzen, funktioniert in den allermeisten Fällen reibungslos. Allerdings kann es dabei gelegentlich immer auch einmal zu Aussetzern oder Artefakten in der Darstellung kommen. Eine absolut zufriedenstellende Lösung für dieses Problem gibt es derzeit noch nicht.
Linux und Anbieter von Streaming-TV
Die Begeisterung vieler Unternehmen für das Fernsehen über Internet hat im vergangenen Jahr spürbar nachgelassen. „Echtes“ IP-TV, also die Verbreitung des Signals der Sender per Internet zu einer Set-Top-Box des Kunden, wird inzwischen nur noch von der Telekom (Entertain) und Vodafone angeboten, nachdem sich O2 dazu entschlossen hat, Alice-TV einzustellen. Das sieht beim Streaming der Signale zum Browser des Zuschauers oder einer speziellen App auch nicht viel besser aus. De facto ist derzeit lediglich Zattoo übriggeblieben. Mit Magine hat sich ein weiterer Anbieter angekündigt, in den vergangenen neun Monaten aber immer noch keinen öffentlichen Start hingelegt. Zattoo hatte sich zwar bereits an einem Linux-Client versucht, das halbherzige Experiment aber nach einer Weile aufgegeben.
Vor die Wahl gestellt, eine Software für Linux anzubieten oder einen Client für Android und iOS, fällt die Wahl leider regelmäßig auf die Tablet-Versionen.