Angesichts von weit über 300 lebenden Distributionen, die auf dem Linux-Kernel basieren, scheint die Auswahl der neun Systeme auf den voranstehenden Seiten ebenso willkürlich wie unzureichend. Tatsächlich gehen aber praktisch alle existierenden Distributionen auf diese Hauptstämme zurück und sind letztlich Debian/Ubuntu-, Arch-, Gentoo-, Slackware-oder Red-Hat-Linux. Muss man nun 300 Distributionen kennen oder gar ausprobieren, um die passende zu finden? Gewiss nicht: 80 bis 90 Prozent lassen sich vorab wegfiltern. Bevor es in den nachfolgenden Beiträgen um konkrete Empfehlungen für unterschiedliche Einsatzzwecke und Gerätetypen geht, folgen hier einige grundlegende Überlegungen zur Einordnung.
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Non-Debian für Spezialaufgaben und für Kenner
Auf die Gefahr hin zu pauschalisieren, sind die meisten Gentoo-, Slackware-, Red-Hat-und Arch-basierten Systeme nicht mehrheitsfähig, sondern Inseln für Linux-Kenner und für spezialisierte Einsatzgebiete. Jedoch gibt es nennenswerte Ausnahmen:
1. Red Hat: Hier lassen sich zwei Distributionen herausheben, die für technisch versiertere Umsteiger in Betracht kommen:
Fedora Linux ist in fast jeder neuen Version ein Hingucker mit innovativen Funktionen. Die Installation mit Anaconda ist aber durchaus eine Hürde, die Linux-Erfahrung erfordert.
Cent-OS ist ein freier Klon des Serversystems Red Hat Enterprise mit dem außergewöhnlichen Supportzeitraum von zehn Jahren. Statt auf experimentelle Neuentwicklungen wie Fedora zielt Cent-OS ausschließlich auf Stabilität. Dies ist ideal für Server, aber auch für Linux-Desktops, die möglichst lange laufen sollen.
2. Slackware: Hier sind zwei sehr populäre Distributionen zu nennen:
Open Suse , aktuell in Version 42.1, war mehr als ein Jahrzehnt fast das einzige Linux, das mit grafischer Bedienung und Konfigurierbarkeit auf den PC-Desktop zielte. Die Distribution hat in den letzten Jahren neben der Ubuntu-Familie an Bedeutung eingebüßt und tendiert neuerdings eher Richtung Innovation und Experimentierfreude, weniger Richtung Einsteigerfreundlichkeit.
Porteus ist die erste Wahl für ein mobiles, dabei überragend schnelles und anpassungsfähiges Surfsystem. Der spezielle Kioskmodus ermöglicht eine praktisch wartungsfreie Surfstation auf öffentlichen Geräten (Internet-Café, Foyer, Schule etc.).
3. Arch Linux: Hier gibt es zwei besonders bekannte Distributionen:
Archbang ist ein Rolling Release ohne Versionsangabe, das sich über das Paketmanagement ständig aktuell hält. Das besonders schnelle System mit puristischer Openbox-Oberfläche erfordert bei der Einrichtung gründliche Linux-Kenntnisse.
Manjaro ermöglicht durch den grafischen Installer und Paketmanager einen deutlich vereinfachten Zugang zu Arch Linux, gerät dadurch aber noch lange nicht zum übersichtlichen Einsteigerdesktop.
4. Gentoo: Namhafte Gentoo-Distributionen sind Sabayon und das bewährte Notfallsystem System Rescue CD . Beide, das schnelle Desktopsystem Sabayon wie das Notfallsystem richten sich an erfahrene Linux-Anwender, wobei Sabayon im Vergleich zum purem Gentoo einen Installationsassistenten und einen grafischen Paketmanager mitbringt.
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Die Dominanz der Debian-Familie
Der Debian-Stammbaum zählt etwa 150 aktive Distributionen (unter anderem Debian, Ubuntu, Linux Mint). Damit hat Debian deutlich mehr Nachfolger als alle anderen Linux-Stämme zusammen:
• Arch Linux : etwa elf aktive Distributionen (u. a. Manjaro, Archbang)
• Gentoo Linux : etwa 13 aktive Distributionen (u. a. Sabayon, System Rescue CD)
• Slackware : etwa 45 aktive Distributionen (u. a. Open Suse, Porteus, Salix)
• Red Hat : etwa 60 aktive Distributionen (u. a. Fedora, Red Hat Enterprise, Cent-OS)
Allein die annähernd 70 Ubuntu -Derivate summieren sich auf mehr Systeme, als jeder andere Linux-Hauptstamm aufweist. Hauptgründe für die Debian-Verbreitung sind die Kompaktheit, Flexibilität und Stabilität (beim meist genutzten „Stable“-Zweigs) und die zuverlässige Paketverwaltung mit enorm großer Auswahl an Software. Viele Derivate wie Linux Mint , Netrunner , Elementary OS , Bodhi Linux , Zorin-OS oder Bunsenlabs geben ihre Debian/Ubuntu-Abstammung im Namen nicht preis. Auch Knoppix , Raspbian für Raspberry Pi, Steam-OS für Spielerechner oder das NAS-System Open Media Vault – sie alle basieren auf Debian.
Den Anwender-und Desktopbereich dominieren komfortable Debian-Systeme wie Ubuntu, Mint oder Elementary OS eindeutig, lediglich Open Suse und Fedora haben hier noch einen (halben) Fuß in der Tür. Als Serversystem im Home-oder Home-Office-Bereich ist Debian samt seinen Derivaten Ubuntu Server und Open Media Vault ebenfalls führend, lediglich Cent-OS ist hier eine Nicht-Debian-Alternative.
Unterm Strich sind Debian-Systeme für Einsteiger, aber auch für viele pragmatische Linux-Kenner erste Wahl. Das beantwortet allerdings noch nicht die Frage, welches der 150 Debian-Systeme sich am besten eignet.
Desktop und vorinstallierte Software
Eine große Anzahl von Debian/Ubuntu-Derivaten definiert sich durch eine zielgruppenspezifische Softwareausstattung. So sind ein Edubuntu , Ubuntu Studio oder Peppermint-OS keine speziellen Systeme, die sich technisch von einem Original-Ubuntu unterscheiden: Diese Distributionen liefern nur einige oder viele Softwarepakete mit, die Sie selbst ebenso – und gezielter – auf einem Standard-Ubuntu nachinstallieren können.
Mehr Daseinsberechtigung besitzen die verschiedenen Desktopeditionen, obwohl sich auch die meisten Desktopumgebungen wie Software nachinstallieren lassen. Im Hinblick auf das Zielgerät oder auf den Zielbenutzer ist es aber sinnvoll, vorab zwischen üppiger KDE-Umgebung (etwa Kubuntu ) oder sparsamem XFCE (etwa Xubuntu ) zu unterscheiden.
Vollends zur Geschmackssache gerät der Einsatz zahlreicher weiterer Ubuntu-Derivate wie Zorin-OS oder Elementary OS, die mit eigenen oder modifizierten Desktops punkten wollen: Oft kommt man genauso weit mit einem Debian-oder Ubuntu-Original und einigen nachinstallierten Desktopelementen wie etwa einem Plank-Dock. Derzeit kann hier lediglich Linux Mint mit Cinnamon eindeutigen Mehrwert beanspruchen – sofern einem dieser Desktop zusagt.
Paketformate und Paketmanager
Der erste Einstieg in Linux bestimmt oft jahrelang die weitere Systemwahl. Das liegt nicht zuletzt an den unterschiedlichen Paketformaten für nachinstallierte Software und Updates und dem dafür verwendeten Paketmanager. Wer einmal das Paketformat DEB (Debian) und das zuständige Terminaltool apt gewöhnt ist, erlebt die Umstellung auf RPM (Slackware, Red Hat), Tar.xz (Slackware, Arch) oder Portage (Gentoo) als deutliche Hürde und umgekehrt.
Das Paketmanagement unterscheidet sich nur technisch hinsichtlich der Erkennung von Paketabhängigkeiten, sondern auch deutlich in der Bedienung. Als einsteigerfreundlich in dieser Hinsicht dürfen Open Suse mit Zypper sowie viele Debian-basierte Systeme mit apt sowie grafischen Softwarezentralen gelten.