Das aktuelle Linux Mint 21 erschien 2022, was aber der Aktualität keinen Abbruch tut: Der Mint-Versionszähler ist unabhängig von der Jahreszahl und wird erst 2024 die „22“ erreichen.
Linux Mint 21 „Vanessa“ basiert auf Ubuntu 22.04 LTS und wird als Langzeitversion fünf Jahre versorgt – also bis 2027. Genau wie seine Ubuntu-Basis nutzt Version 21 den nicht mehr ganz taufrischen Linux-Kernel 5.15 vom Oktober 2021, der aber wichtige Verbesserungen für die Dateisysteme Ext4, BTRFS und NTFS sowie für Samba-Netzwerkfreigaben enthält.
Wie gewohnt gibt es ebenfalls eine „Edge“- Version von Linux Mint 21 mit jüngerem Kernel, auf die hier allerdings nicht im Detail eingegangen werden soll.
Traditionell bietet Linux Mint 21 neben der Hauptedition mit dem angestammten Cinnamon-Desktop die alternativen Ausgaben mit Mate und XFCE an. Diese zusätzlichen Mint-Editionen erhalten natürlich alle allgemeinen Neuerungen bei Kernel, Systembasis, Installer, X-Apps und Programmversionen, verbleiben jedoch mit Mate 1.26 und XFCE 4.16 bei den Desktop-Versionen des Mint-Vorgängers. Deshalb gibt es keinen Grund, auf diese Editionen im Folgenden spezieller einzugehen.
Siehe auch: Windows 10/11 vs. Linux – Das große Duell
Keine der drei Editionen stellt hohe Hardwareansprüche: Als Minimalanforderung nennt das Mint-Team ohne Differenzierung für alle drei Ausgaben mindestens 2 GB RAM (empfohlen: 4 GB RAM) sowie 20 GB (empfohlen: 100 GB) auf Festplatte. Dies sind Ansprüche, die heutzutage allenfalls für virtuelle Maschinen eine Überlegung wert sind. Wer dort RAM sparen möchte, der kommt für die XFCE-Edition tatsächlich auch noch mit 2 GB RAM aus. Eine ältere Dualcore-CPU mit 2-GHz-Takt ist für XFCE ausreichend, für Cinnamon und Mate darf es auch etwas moderner sein.
Download & Installation
Linux Mint 21 „Vanessa“ bekommen Sie wie gewohnt über die Projektseite, die zu den eigentlichen Spiegelservern für den Download verlinkt. Der Download umfasst für sämtliche Varianten circa 2,4 GB und ist kostenlos. Das ISO-Image kann dann mit den üblichen Mitteln (Etcher, Win 32 Disk Imager, Gnome-Disks) bootfähig auf USB kopiert werden, um es anschließend am Zielrechner zu booten und das System mit dem Livemedium zu installieren.
Mehr Details: Linux Mint – So klappt die Installation & Einrichtung
Frische Software mit klassischem Firefox

Firefox als klassisches DEB-Paket: Der Browser nennt sich „Mozilla Firefox for Linux Mint“ und wird nun offensichtlich vom Mint-Team aktuell gehalten.
IDG
Erwartungsgemäß liefert Mint 21 neben erneuerter Kernel- und Ubuntu-Basis frische Softwarepakete mit – unter anderem Firefox, Thunderbird und Libre Office. Aus unserer Sicht ist eine der größten und erfreulichsten Überraschungen in Linux Mint 21 der Firefox als klassisches DEB-Paket, das fortan offenbar vom Mint-Team gepflegt wird. Der Browser heißt jetzt „Mozilla Firefox for Linux Mint mint-001 – 1.0“ (siehe „Hilfe –› Über Firefox“). Somit bleibt Linux Mint bei der Verweigerung von Snap-Containern und verschmäht die einfache Übernahme des Firefox-Snaps aus den Ubuntu-Quellen.
Damit war zwar zu rechnen, allerdings war es wahrscheinlicher, dass Mint zu einem anderen Standard-Browser wie beispielsweise Chromium greifen würde, anstatt sich die Pflege der Updates von Firefox ans Bein zu binden.
Dem Anwender sollte es recht sein: Er bekommt somit weiterhin den sympathischen Open-Source-Browser als flotte DEB-Installation. Und für Firefox bedeutet dies echte Wertschätzung und aktive Unterstützung.
Hinweis: In Ablehnung des proprietären Snap-Stores von Ubuntu/Canonical (snapcraft.io) schlägt sich Linux Mint bekanntlich auf die Seite des offenen Flatpak-Containerformats. Flatpak-Software ist sowohl über die „Anwendungsverwaltung“ als auch über das Terminal-Tool flatpak zu beziehen. Linux Mint hält sich jedoch auch in Version 21 zurück und bietet dies lediglich als Option an. Standardmäßig ist keine einzige Flatpak-Software vorinstalliert.
Lesetipp: Warum Linux sicherer ist als Windows
Setup-Optionen: Ecrypt FS & ZFS

Installer mit ZFS-Angebot: Ubuntu hat dieses überdimensionierte Dateisystem seit 2019 im Installer. Linux Mint tilgte diese Option lange Zeit, zieht aber jetzt mit Version 21 nach.
IDG
Nach wie vor hält Linux Mint fest an der einfachen Home-Verschlüsselung mittels Ecrypt FS. Die Option „Meine persönlichen Daten verschlüsseln“ erscheint im Installationsprogramm beim Anlegen des primären Benutzerkontos im Dialog „Wer sind Sie?“. Beachten Sie, dass Ubuntu diese Option mit Ecrypt FS bereits seit 2018 als zu unsicher verworfen hat. Andererseits hat Linux Mint nicht unrecht, wenn es diese Home-Verschlüsselung weiterhin als bequem (korrekte Benutzeranmeldung öffnet den „Home- Tresor“) und die Sicherheitsbedenken als akademisch einstuft.
Trotzdem: Wer auf Nummer sicher gehen will, entscheidet sich an früherer Stelle des Setups („Installationsart“) unter „Erweiterte Funktionen“ für LVM und „… Installation … verschlüsseln“.
ZFS-Unterstützung: So gar nicht zur Desktop-Ausrichtung von Linux Mint passt die neue Option des ZFS-Dateisystems im Installationsprogramm.
Diese wird jetzt erstmals vom originalen Ubuntu-Installer übernommen und findet sich im Dialog „Installationsart“ unter „Erweiterte Funktionen“. Wir raten auf sämtlichen typischen Desktop-Rechnern mit 4 bis 16 GB RAM von dieser Möglichkeit ab. ZFS ist ein beeindruckendes Dateisystem, gehört aber eindeutig auf große Server mit sehr großer Speicherausstattung und einem großen Datenträgerpool.
Als erforderliche Konsequenz dieser Installationsoption muss Linux Mint 21 dann auch eine ganze Reihe von Systemdiensten für ZFS mitbringen. Diese sind allesamt unnötig, falls Linux Mint 21 mit einem Standarddateisystem wie Ext4 installiert wird.
Bluetooth-Manager Blueman

Ablösung beim Bluetooth-Manager: Blueman ist funktionsreicher als der Vorgänger Blueberry.
IDG
Die Ablösung des bisherigen Blueberry-Applets – eine X-App des Mint-Teams – erfolgt nicht freiwillig. Das grafische Frontend für Gnome Bluetooth wurde schlicht inkompatibel und musste ersetzt werden. Als Nachfolger ist jetzt Blueman an Bord, der sich problemlos in alle drei für Linux Mint relevanten Desktops integriert (Cinnamon, Mate und XFCE).
Wie sein Vorgänger erscheint der geänderte Bluetooth-Manager als Applet in der Systemleiste. Optisch ist Blueman gegenüber seinem Vorgänger Blueberry kein Gewinn, aber dafür bietet er bessere Konnektivität für Audiogeräte und mehr Funktionen. Zur erweiterten Funktionalität gehört auch die Tatsache, dass alle Einstellungen und Bluetooth-Geräte nicht nur über das grafische Applet (blueman-tray), sondern auch komplett über das Terminal anzusteuern sind. Dafür zuständig sind die Unterprogramme blueman-manager und blueman-adapters (sowie weitere).
Wertvolle Ubuntu-Korrekturen
- Kein Ubuntu-Programmkiller: Ubuntu 22.04 LTS hat einen neuen kleinen systemd-Dienst eingeführt: systemd-oomd steht für „out of memory“ („oom“, das schließende „d“ ist Standard bei systemd-Diensten) und ist ein Killer von Benutzerprogrammen, wenn ernste Speicherengpässe drohen. Im Prinzip ist es richtig, das Gesamtsystem vor einem drohenden Stillstand zu schützen, aber systemd-oomd arbeitet offensichtlich zu aggressiv und schießt Anwendungen wie Gimp oder Libre Office allzu voreilig ab. Eine sensiblere Version ist zwar in Arbeit, aber darauf wollte sich das Mint-Team offenbar nicht verlassen. Linux Mint 21 hat den Killerdienst nicht übernommen.
- Bibliothek für Appimages: Bei Ubuntu 22.04 war es sicher lediglich ein Versehen und Linux Mint 21 hatte ausreichend Zeit, von dieser peinlichen Panne zu erfahren und sie nunmehr zu vermeiden: In Ubuntu 22.04 fehlt nämlich eine winzige Bibliothek (libfuse2), mit der Konsequenz, dass Software im relativ verbreiteten Appimage-Containerformat beim Start kommentarlos den Dienst verweigert. Die kleine Bibliothek ist natürlich schnell nachinstalliert, wenn man die Ursache kennt, aber Linux Mint 21 bringt die Datei natürlich wieder standardmäßig mit.
- Kein Dualboot-Problem: Nach Installationen von Ubuntu 22.04 neben Windows fehlt unter Umständen der Eintrag für Windows im Grub-Menü. Das ist kein destruktiver Bug, da das Windows-System existiert und funktioniert und nur der Menüeintrag fehlt. Schuld ist die abgeschaltete Grub-Komponente os-prober zur Erkennung von weiteren Betriebssystemen. Linux Mint 21 hat diese Komponente wieder standardmäßig aktiviert. Die Maßnahme ist benutzerfreundlich, andererseits auch kontrovers zu bewerten, denn der os-prober wurde nach Sicherheitsbedenken in verschiedenen Distributionen deaktiviert – dies trifft nicht nur unter Ubuntu zu.
Kleinigkeiten bei den X-Apps
Schon Linux Mint 18 (2016) hatte die ersten X-Apps eingeführt. Es handelt sich hierbei um Gnome-Zubehör wie Gedit (Texteditor) oder Totem (Videoplayer), das unabhängiger von Gnome werden und optisch für alle GTK-Oberflächen passen soll, also etwa zu den drei Mint-Desktops Cinnamon, Mate sowie XFCE. Xed (Gedit), Xplayer (Totem), Xviewer (Eog) und Xreader (Evince) waren die frühesten Vertreter, inzwischen sind die Eigenentwicklungen Warpinator (Netzaustausch), Bulky (Renamer), Thingy („Zuletzt verwendet“-Bibliothek) hinzugekommen. Version 21 übernimmt nun auch Timeshift in die vom Mint-Team gepflegten X-Apps.
Für die Mint-Nutzer bedeutet dies gut gepflegte Zubehörprogramme, die in anderen Distributionen gänzlich fehlen (Warpinator, Thingy, Bulky, Webapp-Manager) oder dort nicht dieselbe Funktionalität bieten (Xed, Xplayer, Xviewer, Xreader). Die funktionalen Vorteile bleiben aber oftmals bei marginalen Details. Auch für Mint 21 meldet der Mint-Chef Lefèbvre nur Kleinigkeiten bei Xviewer, Bulky und Webapp-Manager.
Letzterer ist ein hübsches Tool, um Websites wie ein isoliertes lokales Programm abzulegen, und unterstützt dabei jetzt neben Firefox und Chrome weitere Browser. Das Snapshot- und Sicherungstool Timeshift ist seit Versionen als oberste Benutzerpflicht fest in Linux Mint integriert. Diese Software gehört ab sofort ebenfalls zu den X-Apps des Mint-Teams. Dies geschieht nicht ganz freiwillig, nachdem der bisherige Timeshift-Entwickler neue Wege einschlägt.

Mint beherrscht das Webp-Bildformat: Während Ubuntu mit Eog (oben) das Format verweigert, ist die X-App (Xviewer) in Linux Mint 21 dafür gerüstet (unten).
IDG
Eine wirklich nützliche Ergänzung ist die Webp-Bildunterstützung: Das von Google seit 2010 entwickelte Webp-Bildformat wird langsam, aber unaufhaltsam populärer. Insbesondere Websites profitieren von der Kombination guter Bildqualität bei geringer Größe. Browser haben mit dem Format längst kein Problem mehr, Dateimanager oder Bildviewer hingegen schon.
Unter Ubuntu zeigt der Dateimanager keine Thumbnails für Webp-Bilder und der Bildbetrachter (eog) meldet „Format unbekannt“. Unter Linux Mint 21 beherrscht das Format sowohl die X-App Xviewer als auch der Dateimanager Nemo (via „Thumbnailer“, siehe unten). Die Übernahme als Hintergrundbild ist ebenfalls problemlos.

Nautilus in Ubuntu und Nemo in Mint: Während Nautilus (oben) nur ein generisches Icon anzeigt, kann Nemo (unten) dank des Epub-Thumbnailers Inhaltliches anbieten.
IDG
Thumbnailers für mehr Icons: Eine kleine, aber hübsche Komfortfunktion ab Linux Mint 21 nennt sich Thumbnailers. Dahinter verbirgt sich eine kleine Sammlung von X-Apps (zum Beispiel xapp-epub-thumbnailer), welche die Vorschaufunktion im Dateimanager Nemo verbessern. Es handelt sich also um keine Benutzerprogramme, sondern um Hintergrundhelfer für Nemo und sie treten nur dann in Aktion, wenn in den Nemo-Einstellungen unter „Vorschau“ die Vorschaubilder aktiviert sind (dies übrigens lediglich bei lokalen Dateien, nicht im Netzwerk). Aktuell unterstützte Formate sind Appimage, MP3, Epub, Webp, RAW-Bilder.
Cinnamon 5.4: Umbau ohne Highlights
Alle Informationen bis hierher gelten für alle Mint-Editionen. Dieser letzte Abschnitt bezieht sich ausschließlich auf den Cinnamon-Desktop der Hauptedition. Die Änderungen bei Cinnamon 5.4 sind unter der Haube zwar bedeutsam, haben jedoch nur geringe Auswirkung auf Funktionalität und Bedienung. Dem Mint-Team ging es insbesondere darum, den Fenstermanager Muffin (eine inzwischen uralte Abspaltung des Gnome-Fenstermanagers Mutter) wieder näher an seine „Mutter“ zu bringen. Damit wird es künftig wieder einfacher, nützliche Codeanpassungen bei Gnome/Mutter nach Cinnamon/Muffin zu portieren.
Dies hat vorerst zum Teil auch nachteilige Konsequenzen: Denn Cinnamon lässt die detaillierte Anpassung der Fenstereffekte unter den Tisch fallen. Eine Basiskonfiguration unter „Systemeinstellungen –› Effekte“ bleibt aber bestehen.
Ein echtes Opfer des aktualisierten Desktops ist die beliebteste aller Cinnamon-Erweiterungen „Transparente Leisten“ (siehe „Systemeinstellungen –› Erweiterungen –› Herunterladen“). Sie lässt sich installieren, funktioniert jedoch nicht mehr. Ob auch andere Erweiterungen betroffen sind, haben wir nicht systematisch getestet.

Sticky Notes (Desktop- Notizen): Das kleine Zubehör erhält jetzt eine Kopieroption – eine Marginalie, die der Haupttext unter den Tisch fallen lässt.
IDG
Andererseits verspricht Cinnamon 5.4 verbesserte fraktionelle Skalierung (siehe „Systemeinstellungen –› Bildschirm“), ein verbessertes Applet „Schreibtisch anzeigen“ zur Desktop-Anzeige und eine vereinfachte Konfiguration für „Aktive Ecken“ sowie verbesserte Menü-, Sound- und Power-Applets in der Systemleiste. Alle diese Neuerungen dürften sich aber primär auf Fehlerbehebungen beziehen und sind nicht funktionsreicher als bisher.
Neues Leistensymbol: Eine kleine Zusatzinformation ist dazugekommen. Automatisierte Vorgänge wie die Systemaktualisierung oder Timeshift-Snapshots melden sich nun mit einem Zahnradsymbol in der Systemleiste. Dies soll darüber informieren, dass das System durch Hintergrundprozesse beansprucht ist und unter Umständen etwas langsamer reagiert. Beachten Sie, dass dieses Symbol nichts über die tatsächliche Systembelastung aussagt, die eventuell trotz dieser Prozesse moderat bleibt.
Wayland: Trotz Umbauarbeiten bleibt der Cinnamon-Desktop weiterhin ausschließlich beim Xorg-Fensterprotokoll. Diesbezüglich liegt Cinnamon derzeit technisch deutlich hinter Gnome und KDE. Die ganz große Eile ist für dieses Linux-Langzeitprojekt aber nicht geboten, zumal sich auch für Wayland-taugliche Desktops aktuell immer noch X11/Xorg empfiehlt.