Das Linux-System Linux Mint 20 (Codename Ulyana) benutzt als technischen Unterbau das Linux-System Ubuntu. Denn dieses wird von der Firma Canonical hervorragend mit Treibern und Systemupdates versorgt. Von Ubuntu übernimmt Mint also viele Details, etwa den Linux-Kernel 5.4 und dass es das System nur noch für 64-Bit-Hardware gibt sowie Updates bis April 2025. Außerdem kommt Linux Mint mit aktualisierter Standardsoftware, etwa mit Libre Office 6.4.2. Das Mint-Team hat aber darüber hinaus wieder an vielen Stellen gefeilt, die sich zum Teil in allen drei Mint-Editionen zeigen, zum Teil nur in der bevorzugten Hauptedition mit Cinnamon. Verfügbar ist Linux Mint in den Editionen Cinnamon, Mate und XFCE.
Moderate Systemvoraussetzungen
Keine Mint-Edition stellt hohe Hardwareansprüche. Als Minimalanforderung nennt das Mint-Team für alle drei Ausgaben ein GB RAM und 15 GB auf Festplatte, was allerdings selbst für die XFCE-Edition knapp ausfällt. Wir empfehlen zwei GB RAM für XFCE, vier GB RAM für Mate und Cinnamon. Für ein Linux Mint im jahrelangen Dauerbetrieb sollten für System, Updates, Timeshift-Snapshots und Softwareinstallation wenigstens 50 GB bereitstehen – für Benutzerdateien entsprechend mehr. Eine ältere Dualcore-CPU ist für XFCE ausreichend, für Cinnamon und Mate darf es auch etwas moderner sein.
32-Bit-Varianten gibt es in der Nachfolge von Ubuntu, das diesen Abschied vorwegnahm, ab sofort nicht mehr. Mint-Nutzer, die hardwaretechnisch auf 32-Bit-Unterstützung angewiesen sind) müssen bei der Mint-Version 19.3 bleiben, das immerhin noch bis April 2023 Updates erhält.
ISO-Downloads und Hauptedition
Linux Mint 20 erhalten Sie über die Projektseite https://linuxmint.com/download.php , die zu den eigentlichen Spiegelservern für den Download weiterverlinkt. Der für alle Varianten jeweils knapp zwei GB umfassende Download ist kostenlos. Das ISO-Image muss dann zum Beispiel mit Win 32 Disk Imager (gratis, für Windows 8.1, 10) bootfähig auf USB kopiert werden, um es danach am Zielrechner zu booten und das System aus dem Livemedium zu installieren.
Upgrade von 19.3 auf Version 20
Nutzer von Linux Mint 19.3 müssen die neue Version natürlich nicht neu installieren, sondern können auf Version 20 upgraden. Wie genau, das ist leider die einzige Informationslücke zu Mint 20, die wir aufgrund des Redaktionsschlusses offenlassen müssen: Das Mint-Team hat die Upgrademöglichkeit angekündigt, aber noch nicht veröffentlicht. Der komfortabelste Weg über die grafische „Aktualisierungsverwaltung“ scheidet laut einer Blogantwort von Mint-Chef Clem Lefèbvre offenbar aus.
Es läuft wohl eher auf eine ebenfalls bereits bekannte Upgradevariante hinaus, die im Terminal durchgeführt werden musste. Dazu war früher die Installation des kleinen Tools „mintupgrade“ erforderlich, um anschließend mit
mintupgrade download
mintupgrade upgrade
den Download und die Installation der neuen Komponenten zu erledigen. Welchen Weg das Mint-Team im aktuellen Fall vorsieht, erfahren Sie auf https://blog.linuxmint.com/ .
„Willkommen“ zur Farbauswahl

Der „Willkommen“-Assistent (mint-welcome), der zunächst als Autostart angelegt ist, sich aber natürlich abschalten lässt, zeigt die bekannten Ersteinrichtungsschritte wie Timeshift-Schnappschüsse, Treiberverwaltung und Systemaktualisierung. Hinzugekommen ist nun in allen drei Editionen als oberster Punkt ein globaler Farbwähler sowie ein Schalter für helle oder dunkle Anwendungsoptik. Diese pauschale Einstellungsoption ist wesentlich einfacher als der bekannte Punkt unter „Einstellungen –› Themen“, der für Fensterrahmen, Symbole, Steuerung (Programmoptik) und Schreibtisch (Menü und Leiste) je eigene Optionen vorsieht. Anfänger oder Anwender, die sich damit nicht aufhalten möchten, werden die neue Farbwahl unter „Willkommen“ schätzen. Die an gleicher Stelle unmittelbar folgende „Leistenanordnung“ im „Willkommen- Fenster“ ist zwar nicht neu, verdient aber auch unter Mint 20 wieder einen Warnhinweis: Die Wahl des Leistenlayouts als „Traditional“ oder „Modern“ sollte nur bei der Ersteinrichtung nach der Installation genutzt werden. Sie setzt die Leistenkonfiguration komplett auf Standardeinstellungen zurück. Geänderte Position und Größe der Leiste(n), Bestückung durch Applets, Konfiguration von Einzelapplets – alles geht dabei verloren.
Unterm Strich hat der erweiterte „Willkommen“- Dialog in Mint 20 ein gewisses Unschärfeproblem: Die bisherigen Punkte Leistenlayout, Timeshift, Treibersuche sind Erstanpassungen, die man tatsächlich nur einmal erledigen muss und sollte. Der neue Punkt „Schreibtischfarben“ ist hingegen eine Optikoption, die man auch öfter ansteuern kann.
Der Warpinator

Das vom Mint-Chef Clément Lefèbvre entwickelte Tool Warpinator wurde zu einem Highlight von Mint 20 ausgerufen. Das Paradoxe an diesem Zubehör: Es funktioniert zwar richtig gut, aber wirklich brauchen wird es am Ende trotzdem keiner. Das Werkzeug erlaubt den einfachen, verschlüsselten Datenaustausch im lokalen Netzwerk – ohne Server und ohne Samba-Freigaben. Voraussetzung ist nur, dass auf allen Systemen der Warpinator läuft, wofür die Editionen von Linux Mint 20 durch einen automatischen Autostart sorgen. Damit auch andere, zumindest die Ubuntu-basierten Linux-Distributionen mitspielen können, liefert Lefèbvre sein Tool über sein PPA aus ( ppa:clementlefebvre/grpc ). Der Einsatz auf anderen Distributionen scheint aber noch nicht ganz problemlos, zumal wir sogar Kompatibilitätsprobleme zwischen Mint 20 und Mint 19.3 beobachten mussten.
Wenn die Kommunikation funktioniert, zeigt der Warpinator alle Rechner im Netzwerk, auf denen er ebenfalls läuft. Das Versenden von Dateien ist dann ein Kinderspiel: Man klickt einfach auf den Rechner, der Dateien empfangen soll, und zieht mit der Maus die gewünschten Dateien in das Warpinator-Fenster. Das war’s. In welchem Ordner die Dateien landen sollen, kann jeder Mint-Nutzer über die Einstellungen des Warpinators selbst entscheiden. Der Durchsatz des Tools ist schwer in Ordnung, nahe am Optimum der allgemeinen Netzwerkleistung. Im Prinzip ist das ein hübsches Werkzeug, aber ist es wirklich praxisnah? Was macht der Windows-Rechner, was machen andere Linux-Rechner? Und selbst in einer homogenen Rechnerumgebung ausschließlich mit Mint-(20)-Systemen funktioniert der Austausch nicht voraussetzungslos, denn die Software muss auf jedem System laufen. Obendrein beseitigt der Warpinator keinen Leidensdruck: Es gibt das sehr ähnliche Nitroshare – und das ist plattformübergreifend (für Linux, Windows und Mac). Außerdem lassen sich Freigaben aus dem Home-Verzeichnis im Dateimanager ohne Samba-Administration mit wenigen Mausklicks anlegen.
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Cinnamon mit neuer Monitorskalierung

Eine Neuheit in Mint 20 betrifft ausschließlich die Cinnamon-Hauptedition und dürfte das eigentliche Highlight der Version darstellen – die fraktionale Skalierung des Monitorbildes. Diese Skalierung gilt unabhängig von der eingestellten Auflösung, die stets bei den empfohlenen nativen Werten bleiben sollte. Die Funktion wurde insbesondere für große Monitore entwickelt und bietet unter „Systemeinstellungen –› Bildschirm“ Skalierungswerte zwischen 75 und 200 Prozent in 25-Prozent-Stufen. Noch besser wird diese Funktion durch die Fähigkeit, im Multimonitorbetrieb verschiedene Skalierungswerte für die verschiedenen Monitore anzuwenden. Die Option ist mit „Teilweise Skalierung“ (für fraktionale Skalierung) allerdings unglücklich ins Deutsche übersetzt. Beachten Sie, dass die neue Monitorskalierung durch die Schriftenskalierung unter „Systemeinstellungen –› Schriftauswahl –› Skalierungsfaktor“ ergänzt und verfeinert werden kann.
Programmstarts mit Nvidia-Grafik

Der optimale Umgang mit Hybridgrafik, wie sie insbesondere auf Notebooks aus Stromspargründen verbreitet ist, ist unter Linux nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Linux Mint 20 bietet jetzt bessere Unterstützung für Nvidia-Optimus. Ein neues Applet in der Systemleiste ermöglicht das generelle Umschalten zwischen dem stromsparenden Grafikchip und der leistungsstarken Nvidia-GPU. Zusätzlich erhalten die Programme im Hauptmenü ein Kontextmenü, um das jeweilige Programm mit der „Nvidia GPU“ zu starten.
Cinnamon: Dateimanager wird schneller

In der Cinnamon-Edition wurde der zugehörige Dateimanager Nemo überarbeitet. Es wird dadurch spürbar schneller, insbesondere in Ordnern mit Bilddateien. Die pragmatische Vorgehensweise des Mint-Teams priorisiert einfach die Navigation gegenüber dem Inhalt: Nemo wartet nämlich nicht mehr darauf, dass vorhandene Bilder eingelesen und davon die Miniaturansichten errechnet sind, sondern zeigt die Dateien zunächst mit dem Standardicon. Das macht die Ordnernavigation und den Dateizugriff reaktionsschneller. Man kann bereits in der Dateiliste blättern oder eine Datei suchen, während Nemo noch die generischen Symbole anzeigt. Die informativeren Miniaturansichten blendet Nemo nach und nach ein, wenn genügend Zeit ist, diese zu berechnen.
Weitere kleine Optimierungen
- Alle Livesysteme von Linux Mint 20 erhalten unter dem Virtualisierer Oracle Virtualbox automatisch mindestens die Bildschirmauflösung 1024 x 768. Das ist nicht so marginal, wie es auf den ersten Blick erscheint, weil bei noch geringerer Auflösung wesentliche Schaltflächen oder Titelleisten außerhalb des sichtbaren Bereichs geraten. Die Benutzung des Livesystems oder die Installation als virtuelle Maschine stellte daher viele Nutzer vor erhebliche Rätsel. Die neue Minimalauflösung entschärft das Problem deutlich, aber nicht absolut: Anwender sollten trotzdem wissen, dass sich Mint-Fenster mit gedrückter Alt-Taste verschieben lassen, ohne dafür die Titelleiste erreichen zu müssen.
- Alle Installationen mit apt im Terminal verwenden ab Mint-Version 20 automatisch die Option „recommends“. Das heißt, dass bei einer Softwareinstallation nicht zwingend notwendige, aber ergänzende Pakete gleich mitinstalliert werden – beispielsweise Mediencodecs bei der Installation eines Players. Diese Maßnahme ist für normale Anwender zu begrüßen, wer sie dennoch verhindern will, kann das mit dem Schalter „-no-install-recommends“ erreichen.
- Die winzigen Verbesserungen für die XApps werden keinem Anwender auffallen: Hier gibt es eine Druck-Schaltfläche für den Xreader (PDF-Reader), dort einen Vollbild-Button für den Xviewer (Bildbetrachter). Das bleibt marginal, wird aber vom Mint-Team gerne erwähnt, weil die X-Apps (die Zubehörtools Xed, Xviewer, Xreader, Xplayer, Pix) eine von Linux Mint initiierte Entwicklung sind, um Anwendungen für alle (Gnome-)Desktops zu vereinheitlichen. Die X-Apps sind daher unter allen drei Mint-Oberflächen identisch.
- Optik, Symbole, Themen: Die Taskleisten-Symbole im Systembereich wurden in allen Mint-Editionen für große Monitore optimiert und harmonisiert – mit dem Ziel, einheitliche Größen und schlichte moderne Optik zu erreichen (schlichte zweidimensionale Symbole in Schwarzweiß). Und wie immer bei neuen Mint-Versionen gibt es neue Bildschirmhintergründe sowie veränderte Farbsets unter „Einstellungen –› Themen“.
Das Verbot für die Ubuntu-Snaps

Bei den distributionsunabhängigen Containerformaten setzt Linux Mint schon seit einigen Versionen auf Flatpak, das in der „Anwendungsverwaltung“ (Mintinstall) als eine eigene Kategorie angeboten wird. Ein Blick in diese alternative Softwarequelle lohnt immer, weil hier manche Software wesentlich aktueller vorliegt als in den offiziellen Paketquellen (allerdings zum Preis enormer, teils unzumutbarer Installationsumfänge). Das von Canonical/Ubuntu forcierte Konkurrenzformat Snap hat genau dasselbe Ziel, nämlich die frühe und systemunabhängige Bereitstellung aktueller Softwareversionen. Dieses Snap-Format ist dem Mint-Team ein Ärgernis, weil es nicht offen ist, sondern von Canonical kontrolliert wird (Store: snapcraft.io).
Hauptauslöser der Fehde ist der Browser Chromium, den die Ubuntu-Paketquellen (die Linux Mint mitbenutzt) nur noch als Snap-Paket anbieten. Damit ist Chromium nur noch erreichbar, wenn die Snap-Umgebung installiert ist, was Linux Mint wiederum strikt ablehnt.
Dass Linux Mint 20 keine Snap-Unterstützung mitbringt, ist also keine Überraschung. Version 20 geht nun aber noch einen Schritt weiter: Es untersagt dem Systembenutzer auch die manuelle Nachinstallation der Snap-Umgebung. Auf den einschlägigen Befehl
sudo apt install snapd
antworten die Mint-Editionen sinngemäß „Paket existiert nicht“. Aber das ist natürlich Unsinn, und diese Sperre kann auch ganz leicht überwunden werden. Es genügt, die verantwortliche Verbotsdatei zu löschen oder zu verschieben:
sudo rm /etc/apt/preferences.d/nosnap.pref
Danach ist die Installation der Snap-Umgebung möglich und somit auch wieder der Zugriff auf den Ubuntu Snapstore, allerdings geht das nur im Terminal über „snap install […]“.
Was fehlt in Linux Mint 20?
1. Aufgrund des eben thematisierten Snap-Verbots kann der Chromium-Browser – normalerweise – nicht installiert werden.
2. Die Installationsoption, das Home-Verzeichnis des Erstbenutzers zu verschlüsseln, hat Version 20 weiter an Bord. Und werden später in der grafischen Benutzerverwaltung zusätzliche Konten eingerichtet, haben Mate und XFCE diese Option ebenfalls im Angebot („Persönlichen Ordner verschlüsseln“). Jedoch lässt ausgerechnet die Hauptedition mit Cinnamon diese Einstellung weiterhin vermissen. Hier hilft nur der Gang ins Terminal:
sudo adduser --encrypt-home [kontoname]
Anschließend legen Sie das Kontopasswort fest und bestätigen alle Abfragen mit der Eingabetaste.
3. Seit Ubuntu 18.04 gibt es eine neue Samba-Version, welche die automatische Suche nach Samba-Freigaben verhindert. Beim Klick auf das „Windows-Netzwerk“ melden die Mint-Dateimanager neuerdings gar nichts mehr, auch keinen Fehler. In der Adressleiste erscheint kommentarlos mit
smb:///
ein nicht ganz verkehrtes Angebot, jedoch mit einem Slash zu viel. Mit „smb://[Rechnername]“ oder „smb://192.168.178.10“ (Beispiel) kommen Sie aber jederzeit zur gewünschten Freigabe.