Kaum ein Fall vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen hat in den vergangenen Jahren so viel Irritation hervorgerufen wie die tausendfachen Redtube-Abmahnungen Ende 2013. Im Dezember erhielt eine bislang unbekannte Zahl von Adressaten eine Abmahnung mit dem Vorwurf, sie hätten verbotenerweise urheberrechtlich geschützte Pornofilme von dem Erotikportal Redtube gestreamt, also angeschaut. Verbunden mit den Abmahnungen war die Aufforderung, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben und 250 Euro Schadensersatz und Gebühren zu zahlen. Inzwischen hat das Landgericht Köln, das zuvor selbst die Herausgabe der Personen- und Adressdaten zu den IP-Adressen der beschuldigten Urheberrechtsverletzer beschlossen hatte, ersten Beschwerden der Betroffenen stattgegeben. Deren Rechte sehen die Richter nun durch die Auskunftserteilung aus dem Vorjahr verletzt, das Gericht hätte die Nutzerdaten nicht herausgeben lassen dürfen . Ein klarer Verstoß also gegen das Grundrecht des Telekommunikationsgeheimnisses (Art. 10 GG). Begründet hat das Landgericht seinen Rückzieher unter anderem damit, dass es sich entgegen dem ursprünglichen Antrag nicht um Downloads, sondern um Streams handelt. Das bloße Ansehen von urheberrechtlich geschützten Videos aber „stelle grundsätzlich noch keinen relevanten rechtswidrigen Verstoß im Sinne des Urheberrechts, insbesondere keine unerlaubte Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG dar“, heißt es nun in der Begründung. Inhaltlich wurde damit nicht über die Abmahnungen entschieden, es ging nur darum, ob die frühere Auskunftserteilung von Kundendaten rechtmäßig war – und das war sie nicht.
Legal oder illegal – So ist die Rechtslage im Web

Redtube: Gericht sieht Fehler bei der Herausgabe von IP-Adressen
Die Auffassung, dass Streaming kein Verstoß gegen das nur dem Inhaber des Urheberrechts zustehende Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG darstellt, vertritt auch der neue Justizminister Heiko Maas. Er hält „ das reine Betrachten eines Videostreams nicht für eine Urheberrechtsverletzung “, und damit hat sich die Bundesregierung nach Bekanntwerden der massenweisen Abmahnungen auf die Seite der Nutzer gestellt. Im konkreten Fall hatte der im ursprünglichen Auskunftsersuchen – versehentlich oder bewusst – fälschlicherweise verwendete Ausdruck „Download“ die Richter offenbar getäuscht, was jetzt zur Kehrtwende führte. Doch auch darüber hinaus ist in der Redtube- Angelegenheit vieles noch ungeklärt. So ist nach wie vor unklar, ob die Schweizer Firma The Archive AG, die als vermeintlicher Rechteinhaber die Herausgabe der Nutzerdaten vor Gericht erwirkte, überhaupt die Urheberrechte an dem betreff enden Filmmaterial besitzt. Experten halten zudem die Software Gladii, mit der die IP-Adressen ermittelt wurden, für völlig untauglich – ebenso wie das „Gutachten“ zu dieser Software, welches die Mainzer Kanzlei Müller, Müller, Rößner eingesehen und veröffentlicht hat. So sage das Gutachten nichts darüber, dass das Computerprogramm die erfassten IP-Adressen korrekt gesammelt hat, monieren Kritiker. Auch im Gutachten ist stets von „Download“ die Rede, nicht aber vom Streamen – darum aber ging es in der Praxis. Kritische Juristen stufen es deshalb als „völlig untauglich“ und „ohne Aussagekraft“ ein. Das alles ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den Merkwürdigkeiten rund um Redtube. Inzwischen ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den Geschäftsführer der Regensburger Kanzlei U+C, Thomas Urmann, wegen des Verdachts auf Erpressung und Betrug. Diese Kanzlei hatte die massenhaften Abmahnungen im Dezember verschickt. Die noch keineswegs abgeschlossene Aufarbeitung zeigt, mit welch harten Bandagen gekämpft wird. Denn angesichts tausender Fälle geht es dabei auch um sehr viel Geld.

Was ist denn nun für den Internetnutzer legal, was ist verboten?
Abseits der Pornoplattform Redtube stellt sich bei vielen anderen Alltagsszenarien die Frage, was erlaubt ist und was nicht mehr. Dazu erläuterte uns der auf IT- und Medienrecht spezialisierte Kölner Fachanwalt Christian Solmecke im Interview verschiedene Fälle rund um Download und Streaming von Musik und Videos. Die Quintessenz lautet: Längst nicht alles, was die Musik- und Filmindustrie sowie die von ihnen beauftragten Anwälte als verboten deklarieren, ist tatsächlich illegal. So ist ein entscheidender Punkt bei der juristischen Bewertung der private Charakter: Denn man darf beispielsweise eigene Musik-CDs oder MP3s kopieren und im Freundes- und Bekanntenkreis oder an Familienmitglieder weitergeben. Allerdings dürfen immer nur einzelne Kopien angefertigt werden. Die Gerichte beschränken die zulässige Anzahl auf maximal sieben Kopien. Verboten sind Privatkopien allerdings dann, wenn dabei der Kopierschutz umgangen wird. Dies nämlich würde eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Deshalb sind Kopien von Film-DVDs oder Blu-rays in aller Regel nicht erlaubt, weil die Datenträger meist mit einem Kopierschutz versehen sind. Juristisch in Ordnung hingegen sind Musikaufnahmen von Internetradios. Der Nutzer könne sich grundsätzlich darauf verlassen, dass das Webradio legal ist, argumentiert Solmecke. Folglich darf man die Songs auch für den privaten Gebrauch speichern. Das Gleiche gilt beim Anschauen und Downloaden von Youtube-Videos. Zwar gebe es zu dieser Frage noch keine Urteile, doch auch hier ist der Download nach Solmeckes Auffassung durch die Privatkopieregelung gedeckt. Unerheblich ist, ob man bei Musikvideos den gesamten Film herunterlädt oder nur die Musik extrahiert. Entscheidend ist, dass die Filme aus Sicht des Nutzers gemäß UrhG § 53, Abs. 1 nicht „offensichtlich rechtswidrig“ eingestellt wurden, da dort zahlreiche Künstler und Plattenlabels ihre Videos zu Werbezwecken hochladen. Der Nutzer kann daher in aller Regel darauf vertrauen, dass Youtube-Videos nicht „offensichtlich rechtswidrig“ sind, und darf sie folglich herunterladen. Das alles gilt nur für private Zwecke; das Anbieten urheberrechtlich geschützter Inhalte ist dagegen in aller Regel verboten. Dies gilt auch, wenn damit keine kommerziellen Ziele verfolgt werden.
Diese rechtlichen Fallstricke lauern im Web

Wichtiger Unterschied: Urheberrecht und AGBs von Online-Plattformen
Zu unterscheiden vom (gesetzlichen) Urheberrecht sind allerdings Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen des jeweiligen Anbieters oder Betreibers einer Plattform. So verstößt der Film-Download aus einer TV-Mediathek meist gegen die Nutzungsbedingungen der Plattformen, eine Urheberrechtsverletzung stellt das Abspeichern auf dem Rechner daheim allerdings nicht dar. Ähnlich verhält es sich beim Speichern von Musik aus Streaming-Diensten, die meist als Flatrate zum Immer- und Überall-Hören gebucht werden. Nach Einschätzung von Solmecke verbieten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Simfy, Spotify und Co. das Speichern der Songs. Wer die Musik aus den Streaming-Diensten über Hilfsprogramme herunterlade, müsse deshalb mit vertragsrechtlichen Konsequenzen rechnen, beispielsweise indem der Anbieter den Accountsperre – und das auch ohne eine Verletzung des Urheberrechts. Das Gleiche gilt für das Speichern von Filmen aus Online-Videotheken sowie das Abspeichern von E-Books aus Flatrate-Leihdiensten wie Skoobe oder den öff entlichen Bibliotheken über das Onleihe-System. Bei E-Books kommt allerdings wieder der Kopierschutzaspekt zum Tragen. Denn die meisten kommerziellen elektronischen Bücher sind DRM-geschützt und dürfen deshalb selbst für den privaten Gebrauch nicht kopiert werden – dabei würde ja der Kopierschutz geknackt.

©Sony
In Tauschbörsen stehen „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“
Der Download von urheberrechtlich geschützten Inhalten aus Tauschbörsen, häufig auch „Peer to Peer“ (P2P) genannt – ist illegal. Denn urheberrechtlich geschützt ist dort fast alles, also die dort angebotene Musik, Filme, E-Books, Software und so weiter. Der Kölner Jurist warnt deshalb deutlich: „Die Privatkopieregelung greift hier nicht, da es sich bei einer Datei in einer Tauschbörse um einen off ersichtlich rechtswidrigen Inhalt handelt. Der Nutzer muss erkennen, dass der Inhalt dort ohne Einwilligung des Urhebers verbreitet wird. In diesen Fällen scheidet eine Privatkopie aus“. Deshalb hat Solmecke eine Art Gradmesser zur Abmahngefahr nach dem Motto „Filesharing – Abmahngefahr: sehr hoch“ oder „Musik im Internet aufnehmen – Abmahngefahr: niedrig“ ins Netz gestellt . Diese Seite fasst die wichtigsten Szenarien nochmals zusammen.

©Microsoft
Die Rechtslage bei Software
Bei Computerprogrammen verhält sich die Rechtslage insofern anders, als hier die individuellen Nutzungsbedingungen des Software-Herstellers gelten. Das sind die Bestimmungen, denen jeder Anwender bei der Installation oder beim ersten Programmstart zustimmen muss, oft auch mit „EULA“ (End User License Agreement) bezeichnet. Auch ohne sie im Detail zu lesen, gilt meist: Bei kommerzieller Software sind die mehrfache Verwendung und damit das Kopieren – sofern nicht ausdrücklich eine Mehrfachlizenz gekauft wurde – praktisch immer verboten. Erlaubt ist nur die eigene Sicherungskopie, wenn der Hersteller nicht von sich aus zwei Exemplare ausliefert. Weitere Privatkopien sind ebenso wenig gestattet wie eine Weitergabe einer Software-Kopie. Gebrauchte Software darf nach einem höchstrichterlichen Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Sommer 2013 (Aktenzeichen I ZR 129/08) grundsätzlich wiederverkauft werden. Anders lautende Lizenzbedingungen wie im konkreten Rechtsstreit zwischen den Unternehmen Oracle und Usedsoft sind nichtig, urteilten die Karlsruher Richter. Im Januar dieses Jahres veröffentlichte der BGH dazu auch die lang erwartete Urteilsbegründung .