Die schwere Limousine rauscht mit hoher Geschwindigkeit über die Autobahn. Weiter vorne quält sich auf der rechten Fahrspur ein Sattelschlepper, dahinter ein Kleinwagen. Plötzlich schert dieser aus, um den Lastwagen zu überholen. Normalerweise wäre jetzt beim Fahrer der Limousine Stress angesagt – zuerst die Schrecksekunde, dann massiv auf die Bremse treten. Aber das Assistenzsystem reagiert schneller, als der Adrenalinspiegel des Fahrers steigt – es reduziert sanft oder – falls nötig – auch mit Vehemenz das Tempo – und zwar ganz ohne dass der chauffierte Fahrer seinen Bremsfuß strapazieren muss.
Das passiert bei einem Verkehrsunfall im Auto So geht das heute, vorausgesetzt man hat ein ACC an Bord. Ein was? Adaptive Cruise Control nennt sich dieser kleine Assistent, auf Deutsch: Abstandsregeltempomat. Die einzelnen Hersteller haben dazu noch eigene Marketingnamen eingeführt – etwa Adaptive Geschwindigkeitsregelung bei BMW oder Distronic beziehungsweise Distronic Plus bei Mercedes-Benz (nur die Plus-Variante führt eine Notbremsung durch). Dazu gibt es noch weitere Sicherheitsassistenten wie den City-Notbremsassistenten, der das Fahrzeug auch dann zum Stehen bringt, wenn das eigentliche ACC ausgeschaltet ist.
Fahrerassistenzsysteme machen Autos sicherer
Damit das Heer der Assistenten seine Aufgabe korrekt durchführen kann, ist es auf Sensoren angewiesen. Je nach Funktion werden natürlich unterschiedliche Sensoren genutzt, zudem stützen mittlerweile viele Assistenzsysteme der neueren Generationen ihr Lagebild auf die Auswertung der Signale mehrerer Sensoren gleichzeitig.
Unterschiedliche Ausstattung des ACC mit Radarsensoren
Bleiben wir zunächst beim ACC. Hier kommt es vor allem darauf an, die Fahrbahn voraus im Blick zu haben. Dazu werden in erster Linie Radarsensoren eingesetzt, heute vor allem im 77-GHz-Bereich, teilweise auch im 24-GHz-Band. ACC-Systeme arbeiten bei vergleichsweise hohen Geschwindigkeiten. Deswegen müssen sie auch eine vergleichsweise große Reichweite besitzen – Long-Range-Radars blicken bis zu 250 Meter weit nach vorne, Midrange-Ausführungen bis etwa 160 Meter.

©Bosch
Welchen Typ ein Fahrzeughersteller verwendet, hängt davon ab, wie hoch die Geschwindigkeit ist, bei welcher das ACC noch sicher funktionieren soll. So sind etwa Audis Oberklasse-Fahrzeuge der Typen A7 und A8 mit Langstrecken-Radarsensoren von Bosch bestückt. Damit sind sie in der Lage, weit nach vorne zu blicken und Ziele zu erkennen, die noch ein gutes Stück entfernt sind, damit der Assistent auch bei hohem Tempo die Geschwindigkeit des Fahrzeugs komfortabel herunterregeln kann, anstatt erst kurz vor knapp hektisch zu bremsen. Die genannten Luxusschlitten sind zudem mit je zwei Frontradarsensoren bestückt, um eine möglichst gute Datenbasis zu schaffen – zwei Sensoren sehen einfach besser als nur einer.
Sicherheit macht Autos schwerer
Der A4, immerhin ein Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse, muss mit nur einem Sensor auskommen, sein kleiner Bruder A3 gar “nur” mit einem Midrange-Sensor. Auch das aktuelle Golf-Modell VII arbeitet mit einem solchen Sensor. Im Vergleich zum Langstreckensensor ist der Radarstrahl der Midrange-Version nicht so stark gebündelt, sondern erfasst Ziele, die auch ein wenig außerhalb der Mitte liegen. Dadurch eignet er sich auch für die Implementierung von Notbrems-Funktionen bei niedrigen Geschwindigkeiten.

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Damit diese nach vorne gerichteten Sensoren auch freies “Blickfeld” haben, sind sie an einer passenden Stelle im Auto eingebaut – typischerweise an der Fahrzeugfront hinter dem Kühlergrill. Dort sind sie gegen kleinere bis mittelgroße Rempeleien geschützt. Kleinere Blechschäden überstehen sie meist ohne Blessuren. Bei bestimmten Fahrzeugen lassen sich diese Radarsensoren sogar von Hand entfernen, bevor es damit ins Gelände geht. So ist das beispielsweise beim Jeep Grand Cherokee von Chrysler (Fiat) der Fall.
ACC & Co – clevere Sicherheits-Assistenten verhindern Unfälle Mit ACC und Notbremsassistent sind die Einsatzmöglichkeiten von Radarsensoren aber nicht erschöpft. Auch Hindernisse neben und hinter den Fahrzeugen sollen erkannt werden – etwa beim Herausfahren aus einer Parklücke. Hier ist eine breite Streuung der Radarstrahlen gefragt. Ist rechts und links hinten je ein Sensor mit einem “Blickwinkel” von 120 Grad verbaut, so lässt sich ein Bereich von bis zu 240 Grad überwachen.

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Sensoren für Spurwechselassistenten
Auch Spurwechselassistenten verlassen sich in manchen Fällen auf Radarsensoren, die den Bereich hinter dem Fahrzeug abtasten. Nähert sich dort ein anderes Fahrzeug, so gibt es akustischen Alarm. Hier werden typischerweise Midrange-Sensoren verbaut; Bosch will im kommenden Jahr einen eigens für diesen Zweck konstruierten Sensor mit einer Reichweite von 100 Meter und einem Öffnungswinkel von 150 Grad auf den Markt bringen.

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Sensoren für Parkassistenten
Anstelle der teuren Radargeräte nutzen die Parkassistenten der allermeisten Fahrzeuge Ultraschallsensoren. Verbaut in den hinteren und je nach Ausstattung auch in den vorderen Stoßfängern, senden sie ein akustisches Signal im nicht hörbaren Bereich – eben Ultraschall – aus. Wird dieses von Hindernissen reflektiert und wieder registriert, so warnt das System den Fahrer mittels eines intermittierenden Piepstons, der umso hektischer wird, je näher das Hindernis ist. Typischerweise sind je Stoßfänger vier bis sechs dieser Sensoren vorgesehen, um die sensorische Abdeckung zu gewährleisten. Die Reichweite beträgt drei bis maximal sieben Meter.
Lidar: Laser-Scanner auf Infrarotbasis
Ebenfalls eine preisliche Alternative zu Radarsystemen sind Laser-Scanner auf Infrarotbasis. Eingebürgert hat sich auch die Bezeichnung Lidar (Light Detection and Ranging). Eingesetzt werden sie in der Regel zur vorwärtsblickenden Distanzmessung und damit zur Erkennung von Hindernissen. Der Notbremsassistent von VWs Kleinstwagen up! beispielsweise wird von einem solchen System gesteuert. Untergebracht sind diese Systeme im Fahrzeug-Innenraum zwischen Innenspiegel und Frontscheibe. Damit sind sie einigermaßen sicher vor Verschmutzung – es sein denn, ein Besitzer klebt die österreichische oder schweizerische Mautvignette ausgerechnet vor den Sensor. Auch bei Unfällen sind sie gut geschützt – wenn ein Unfall einmal so schwer ist, dass der Laser-Sensor in Mitleidenschaft gezogen wird, hat der Fahrer danach wohl dringendere Sorgen als die Reparaturkosten für den Laser.

Vorteile und Nachteile von Lidar
Laser liefern, so ist aus der Industrie zu hören, ein schärferes Bild mit besserer Auflösung als Radarsensoren. Diese Auslösung lässt sich, wie bei der Radartechnik, noch durch die Verwendung zweier parallel arbeitender Sensoren verbessern. Gängige Ausführungen haben jedoch eine deutlich geringere Reichweite als ihre Radar-Konkurrenten; für ACC-Systeme sind sie daher nicht die erste Wahl. Für Notbrems-Assistenten und andere Funktionen, die bei niedriger Geschwindigkeit den Komfort oder die Sicherheit erhöhen, sind sie eine beliebte Alternative zu Radarsystemen. Während Bosch sich in diesem Markt nicht betätigt, ist Konkurrent Continental mit seinen Sensoren offenbar recht erfolgreich, unter anderem sorgt er in den Ford-Modellen Focus und Fiesta, im Skoda Citigo, im Seat Mii und im Fiat Panda für eine schnelle automatische Bremsreaktion.

Bekannt wurden Lidar-Sensoren eigentlich vor allem durch die Google-Roboterautos: Auf deren Dach kreiste ein topfartiges Gerät. Auch die Bosch-Versuchsfahrzeuge für autonomes Fahren sind an diesem Teil zu erkennen. Es handelt sich dabei um einen Sensor der US-Firma Velodyne Lidar. In Serienfahrzeugen ist es jedoch nirgendwo verbaut – die Technik eines rotierenden Strahls erfordert einfach eine exponierte Position am Fahrzeug, was den ästhetischen Anforderungen der meisten Designer wohl zuwiderläuft.
(Stereo)-Kameras
Eine Sensor-Kategorie, die immer stärker im Kommen ist, sind Kameras. Hinter der Windschutzscheibe und teilweise sogar in einem gemeinsamen Gehäuse mit Lidar-Systemen untergebracht, sind sie in der Lage, auch komplexe Aufgaben wahrzunehmen. So kann etwa ein Radar- oder Lidarsystem nicht unterscheiden, ob es sich bei diesem Gegenstand am Straßenrand um eine Mülltonne handelt oder ein spielendes Kind. Eine Kamera kann das aber mithilfe nachgelagerter Algorithmen zur Bildauswertung. Ausgeführt als Stereo-Kamera, liefert sie sogar räumliche Informationen. Zudem kann eine Kamera die Signale für mehrere Fahrerassistenzsysteme erzeugen, etwa für eine Radfahrer-Erkennung und für die automatische Identifikation von Verkehrszeichen (Volvo). Die Bedeutung von Kameras als Sensoren für Fahrerassistenzsysteme wird in den nächsten Jahren noch erheblich zunehmen, sagen Zulieferer und Autohersteller unisono.