Der US-Geheimdienste NSA sammelt offensichtlich seit Jahren Unmengen von Daten über Internet- und Telefonnutzer. Sofern die Darstellung der englischen Zeitung The Guardian zutreffend ist, schöpft der Geheimdienst im Rahmen der Aktion Prism die Nutzerdaten bei nahezu allen wichtigen US-Internetkonzern ab. Namentlich werden in diesem Zusammenhang Microsoft, Yahoo, Google, Youtube, Skype, Facebook, PalTalk, AOL und Apple genannt. Die betroffenen US-Unternehmen dementieren natürlich den Zugriff des Geheimdienstes auf die Daten ihrer Benutzer. Mit der sinngemäßen Formulierung „sie hätten den Schlapphüten keinen direkten Zugriff ermöglicht“. Doch das lässt nur Rückschlüsse darauf zu, dass die NSA eben auf deren Weg – vielleicht über eine frei gegebene Programmierschnittstelle – an die Benutzerdaten gelangen konnte.
Ed Snowden packte aus
Bis zum Wochenende wusste die Öffentlichkeit nicht, wer das US-Überwachungsprogramm Prism an die englische Zeitung Guardian verraten hatte. Doch nun ging die Quelle selbst an die Öffentlichkeit. Es handelt sich um Ed Snowden. Snowden ist 29 Jahre alt. Er hat rund zehn Jahre für die CIA (neben der NSA der wichtigste US-Geheimdienst) gearbeitet. Dann wande er sich an The Guardian und übergab der Zeitung viele geheime Dokumente, um das riesige Überwachungssystem der USA zu offen zu legen. Denn Snowden sieht in den Überwachungsmethoden der NSA eine „existenzielle Bedrohung für die Demokratie“. Snowden wollte erreichen, dass die Öffentlichkeit darüber informiert wird, was in ihrem Namen und gegen sie getan wird.
Flucht nach Hongkong
Snowden handelt also offensichtlich aus Überzeugung. Denn der Ärger, der Snowden jetzt droht, ist riesengroß. Snowden flüchtete deshalb nach Hongkong, das zur Volksrepublik China gehört. Dort hofft er vor dem Zugriff der Vereinigten Staaten sicher zu sein. In Hongkong gab er jetzt auch dem Guardian das Interview, in dem er seine Beweggründe erläuterte.
Snowden war für die CIA als technischer Mitarbeiter tätig. Zuletzt war er drei Monate bei dem Sicherheitsunternehmen Booz Allen Hamilton für die NSA auf Hawaii beschäftigt. Zuvor hatte Snowden vier Jahre lang für die NSA als Angestellter von verschiedenen externen Dienstleistern gearbeitet. 2003 trat er in die US-Spezialeinheit Special Forces ein, brach sich aber beide Beine während der Ausbildung und wurde deshalb entlassen. Danach war er als Wachangestellter für die NSA tätig und wechselt später zur CIA, wo er in der IT-Sicherheit arbeitete. Wieder einige Zeit später kehrte er zur NSA als Vertragsdienstleister zurück, wo er unter anderem Infrastrukturen analysierte.
Vor seiner Flucht nach Hongkong lebte Snowden auf Hawaii. Vor zirka drei Wochen kopierte er dort die Dokumente, die er dann der englischen Presse zuspielte und floh nach China. Er ließ seine Freundin zurück und verzichtete damit auch auf seinen mit immerhin 200.000 Dollar pro Jahr bezahlten guten Job. Snowden fürchtet, dass er wegen Spionage angeklagt werden könnte – ähnlich wie der Whistleblower Bradley Manning, der Wikileaks mit vertraulichen Unterlagen versorgt hatte.
Snowden sagt in seinem Interview, dass die NSA jederzeit Echtzeitzugriff auf die Daten der US-Bürger habe. Die NSA würde jeden überwachen. Standardmäßig. Die Daten würden gesammelt, gefiltert und ausgewertet und danach gespeichert.
Diese Darstellung hat der für die US-Geheimdienste verantwortliche James R. Clapper, Director of Intelligence, zurückgewiesen. Prism sei kein wahlloses Datensammelprogramm und würde US-Bürger nicht generell betreffen.

Schwaches Dementi der US-Internetkonzerne
Die genannten US-Internetunternehmen dementieren natürlich eine Zusammenarbeit mit der NSA. Da man nicht genau weiß, wie die Weitergabe der Nutzerdaten von den Internetfirmen an den US-Geheimdienst technisch gelöst ist, ist es wichtig, die genaue Wortwahl von Google, Microsoft, Facebook, Apple und Konsorten zu beachten. Einige der genannten Firmen erklärten nämlich, dass sie den US-Geheimdiensten keinen „ direkten Zugriff“ auf die Daten ihrer Nutzer geben würden und dass sie kein Backdoor-Programm für die NSA auf ihren Servern installieren würden. Doch wie sieht es mit einem indirekten Zugriff auf? Wird den US-Geheimdienstlern vielleicht eine Programmierschnittstelle zur Verfügung gestellt, über die sie die Datenbanken anzapfen können. Dazu herrscht jedoch Schweigen.
Sollte sich die Behauptung bewahrheiten, dass Google, Microsoft, Facebook und andere Giganten ihre Daten in irgendeiner Form den US-Geheimdienste zur Verfügung stellen, dann tut sich ein Alptraumszenario auf. Denn wie Fälle aus der Vergangenheit beweisen, droht durch die US-Datensammelwut selbst unbescholtenen Bürgern Gefahr. Murat Kurnaz, ein in Deutschland geborener und in Bremen aufgewachsener türkischer Staatsbürger, wurde von 2002 bis 2006 ohne Gerichtsurteil und ohne Beweise im US-Gefangenenlager Guantanamo festgehalten und dort nach seiner eigenen Aussage auch gefoltert. Bis heute wurde Kurnaz keinerlei terroristische Tätigkeit nachgewiesen, Kournaz fiel offensichtlich einem Fehler der US-Sicherheitsdienste zum Opfer. Und das könnte auch jedem anderen passieren, über den Daten im Rahmen von Prism gesammelt werden.