In einigen Städten und Ballungszentren gibt es sie schon seit mehreren Jahren: VDSL-Anschlüsse mit 50 MBit/s. Viel mehr Bandbreite über die altehrwürdigen Kupferkabel zu übertragen, die vor Jahrzehnten im Erdreich und in den Häusern verlegt wurden, erschien lange Zeit als unmöglich. Inzwischen gibt es eine Möglichkeit, die Geschwindigkeit auf bis zu 100 MBit/s im Download und 40 MBit/s im Upload zu steigern – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die Technik trägt den Namen „Vectoring“.
Rückblende: Von DSL zu VDSL2 Um die neue Technik zu verstehen, führt man sich am besten zunächst die Funktionsweise von herkömmlichem (A)DSL und VDSL vor Augen. Grundsätzlich arbeiten alle DSL-Techniken so, dass sie ein sehr großes Frequenzspektrum der früher nur als Telefonanschluss genutzten Kupferdoppelader nutzen, um möglichst hohe Übertragungsraten zu erzielen. Dies ist aber nur über eine Distanz von einigen Kilometern möglich. Und je weiter die Entfernung zwischen dem DSL-Modem des Benutzers und dem des Providers ist, desto niedriger ist die maximale Geschwindigkeit. Denn das Signal schwächt sich auf die Entfernung gesehen immer weiter ab, und die elektromagnetischen Störungen treten immer stärker in den Vordergrund. Hauptursache dafür ist, dass die einzelnen Telefonleitungen nicht oder nur unzureichend abgeschirmt sind.
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Die DSL-Gegenstellen der Provider (DSLAM) sind bei herkömmlichen (A)DSL-Anschlüssen in den Vermittlungsstellen zu finden, von denen es pro Ort oder Stadtteil etwa ein bis zwei Stück gibt. Je näher Sie an einer Vermittlungsstelle wohnen, desto kürzer ist die Länge Ihrer Telefonleitung und desto höher ist die Bandbreite. Bei 16 MBit/s im Download und 1 MBit/s im Upload ist aber normalerweise Schluss. Um noch höhere Bandbreiten zu erreichen, ist es nötig, die Leitungslänge auf einige wenige hundert Meter zu verkürzen. Das ist praktischerweise genau die Entfernung, die im Durchschnitt zwischen Telefondose und Verteilerkasten am Straßenrand liegt. Also haben die Provider – allen voran die Telekom – vor ein paar Jahren damit begonnen, Verteilerkästen mit DSLAMs auszustatten und diese per Glasfaser an ihr Hauptnetz anzuschließen. Das für diese kurze Leitungslänge ausgelegte Übertragungsverfahren nennt sich VDSL2 und ermöglicht in der Praxis Übertragungsraten von bis zu 50 MBit/s im Download und bis zu 10 MBit/s im Upload. Da die Kosten für die Aufrüstung der Verteilerkästen beträchtlich sind – bundesweit gibt es davon rund 330 000 Stück –, hat die Telekom bisher erst rund 40 000 mit VDSL2 erschlossen, hauptsächlich in Großstädten und Ballungsgebieten.
VDSL2 mit 100 MBit/s: Vectoring macht’s möglich Wie zuvor beschrieben, erreicht man mit VDSL2 in der Praxis bis zu 50 MBit/s. Unter Idealbedingungen wäre aber locker das Doppelte drin. Hemmschuh ist allerdings ein Effekt, der als „Übersprechen“ bezeichnet wird. Die Kupferleitungen zwischen Kabelverteiler und Häusern sind in dicken Kabelbündeln eng aneinander geflochten. Erst an den einzelnen Häusern verzweigen sie sich dann. Von einer mit VDSL2 beschalteten Leitung gehen besonders starke elektromagnetische Impulse aus. Wenn sich in einem Kabelbündel mehrere dieser Leitungen befinden, stören sie sich gegenseitig und bremsen sich aus – so dass am Ende nicht viel mehr als 50 MBit/s möglich sind. Damit wollten sich die Telekommunikationsausrüster, also die Hersteller der von den Providern eingesetzten Netztechnik, nicht zufriedengeben und haben jahrelang nach Lösungen gesucht. Herausgekommen ist eine Technik, die als „Vectoring“ bezeichnet wird.
Ist ein DSLAM mit Vectoring nachgerüstet, überwacht er in Echtzeit alle VDSL2-Leitungen eines Kabelstrangs, berechnet die gegenseitigen Störungen voraus und eliminiert sie weitestgehend. Das Verfahren wird gerne mit der aktiven „Rauschunterdrückung“ verglichen, die manche Kopfhörer bieten: Diese filtern Umgebungsgeräusche dadurch heraus, dass sie sie aufnehmen, invertieren und das invertierte Signal zusammen mit dem Audiosignal ausgeben. Netzwerkausrüster Alcatel Lucent gibt an, dass durch Vectoring jede Leitung so viel Leistung bringen würde, als wäre sie die einzige aktive Leitung im Kabelstrang.
Problem: Provider mussten und müssen sich einigen Damit das Verfahren funktioniert, müssen nach derzeitigem Stand der Technik alle VDSL2-Leitungen eines Kabelstrangs am gleichen DSLAM angeschlossen sein. Es ist also nicht möglich, dass zwei Anbieter ihre Technik in den gleichen Kabelverzweiger einbauen. Und genau in diesem Punkt herrschte anfangs Uneinigkeit zwischen der Telekom und den Wettbewerbern. Die Telekom hatte zunächst bei der Bundesnetzagentur beantragt, die Zugangsmöglichkeiten für Wettbewerber an den Kabelverzweigern einzuschränken.Damit waren die anderen Netzbetreiber natürlich nicht einverstanden und haben laut und deutlich protestiert. Nach mehreren Anhörungen hat die Bundesnetzagentur Ende August ihre Entscheidung bekannt gegeben, nach der die Telekom den Wettbewerbern auch künftig grundsätzlich den Zugang zu den Leitungen am Kabelverzweigern gewähren muss. Sie kann den Zugang allerdings unter besonderen Bedingungen verweigern, damit sie selbst oder ein anderes Unternehmen dort Vectoring einsetzen kann. Alle Marktteilnehmer können also Kabelverzweiger mit Glasfaser erschließen und Vectoring nutzen. Sie müssen dann aber anderen interessierten Betreibern ein “angemessenes” Vorleistungs-Produkt ( Bitstromzugang ) anbieten.
Die Telekom hat inzwischen bekannt gegeben, mit dem Vectoring-Ausbau begonnen zu haben und ab dem zweiten Halbjahr 2014 erste Anschlüsse mit 100 MBit/s schalten zu können.
Parallel suchen übrigens mehrere Telekommunikationsausrüster nach Lösungen, um Vectoring auch Provider-übergreifend zu ermöglichen. Eine davon sieht so aus, dass die DSLAMs der unterschiedlichen Provider in einem Kabelverzweiger miteinander vernetzt werden und die Informationen zur Störungskompensation miteinander austauschen.