“I, Claudius” (Ich, Claudius, Kaiser und Gott)

Der BBC-Klassiker aus den 70er Jahren ist auf DVD erhältlich. Für Interessierte an der Geschichte Roms ist diese Serie ein Muss. Aber auch wer sich sonst nicht für Augustus, Caligula und Co begeistert, kann mit “I, Claudius” viele spannende und witzige Abende mit intelligenter Unterhaltung der Spitzenklasse verbringen.

Attraktive Frauen räkeln sich lasziv auf der Liege, eine Kaisergemahlin grübelt darüber, wen sie als nächstes vergiften soll, ein römischer Kaiser vergnügt sich mit seinen drei Schwestern und der Hauptdarsteller hinkt stotternd und sabbernd über den Bildschirm – Film-Liebhaber wissen, von welcher Serie die Rede ist: “I, Claudius” (deutscher Titel: “Ich, Claudius, Kaiser und Gott”) – die frivole Kultproduktion der BBC sorgt für Spaß, Spannung und geschichtliche Information auf hohem Niveau.

Im Jahre 1934 veröffentliche Robert Graves (1895 – 1985; in Deutschland als Robert von Ranke Graves bekannt) die beiden zusammen gehörenden Romane “I, Claudius” und “Claudius the God” (beide Romane sind sowohl in Englisch als auch gekürzt in Deutsch erhältlich). In dieser fiktiven Autobiografie lässt Graves den römischen Kaiser Claudius (10 v.Chr. – 54 n.Chr, Kaiser seit 41 n.Chr.) dessen Leben und das der julisch-claudischen Kaiserfamilie erzählen. Und dieses Leben hatte es in sich…

©2014

Augustus

Die britische Sendeanstalt BBC drehte 1976 auf der Basis der Romanvorlage eine Mini-Serie für das Fernsehen. In den 80er Jahren liefen die zwölf Folgen auch im deutschen TV. Im Jahre 2002 hat die BBC die Serie als hervorragend ausgestattete DVD-Ausgabe neu aufgelegt.

Aufwändige Action-Szenen mit waffenstarrenden Massenaufmärschen und sich überschlagenden Wagenrennen à la Ben Hur oder Gladiator sucht man bei “Claudius” vergebens. Statt mit einfallsloser “Hau-alles-zu-Mus”-Theatralik glänzt die BBC-Miniserie durch intelligente Dialoge und eine dramaturgisch ausgeklügelte Handlung. Mit trockenem und mitunter rabenschwarzen Humor, viel Wortwitz und gelungener Situationskomik. Das bedeutet aber nicht, dass Action völlig fehlt, Gewalt kommt durchaus und mitunter sogar drastisch praktiziert zur Anwendung. Auch an Erotik fehlt es nicht – nicht umsonst ist die Serie in Großbritannien erst für Zuschauer ab 15 Jahre freigegeben.

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Claudius

Das Geschehen spielt überwiegend in den Villen der julisch-claudischen Herrscherfamilie, im Kaiserpalast auf dem Palatin (einer der sieben Hügel in Rom. Der Kaiserpalast war in dieser frühen Phase des römischen Kaiserreiches noch weniger bombastisch ausgebaut, als ihn Touristen heute erleben.) sowie an verschiedenen Plätzen in der Stadt Rom und gelegentlich auch außerhalb der Hauptstadt.

Die Kulissen sind auf das Notwendige beschränkt, die Zahl der Statisten ist überschaubar. Doch dafür liefern die Hauptdarsteller eine mehr als überzeugende, mitunter sogar glänzende Leistung ab. Brian Blessed spielt den Augustus als gewitzten Landesvater, Tiberius grummelt zunehmend verbiesterter durch die Szenen und beweist für die ihm zwangsweise angetraute Livia nur roboterhafte Zuneigung, Caligula avanciert mit seiner Vorliebe für gewöhnungsbedürftigen Humor und seinem eigenwilligen Liebesleben zum Schrecken aller Schwiegermütter und Moralisten und Derek Jacobi spielt Claudius genau so, wie man ihn sich gemeinhin vorstellt: Körperlich gehandicapt, doch geistig hellwach, wenn auch manchmal etwas weltfremd und seinen Ehefrauen und Beratern willensschwach ausgeliefert.

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Pallas und Narcissus zusammen mit ihrem Kaiser

Eine Klasse für sich sind ganz besonders die Darstellerinnen – kein Wunder bei der historischen Vorlage. Wenn Augustus-Gemahlin Livia (sie verachtet Claudius), Claudius’ dritte Gattin Messalina (sie betrügt Claudius) oder Agrippina (sie ermordet Claudius) als vierte und letzte Ehefrau von Claudius zur Tat schreiten, bleibt jedem Macho das Lachen im Halse stecken. Dann wird einem klar, dass wirklich hinter jedem starken Mann eine starke Frau steht – auch wenn sie einen Dolch in der Hand hält.

Kaiser Claudius schreibt kurz vor seinem Tod an seinen Memoiren (das bildet die Rahmenhandlung der Serie). Dabei erinnert er sich an sein ereignisreiches Leben (die Binnenhandlung). An den Kaiserhof, an dem eine Intrige die nächste jagt. An Livia, die Ehefrau des ersten Kaiser Augustus, die nur ein Ziel kennt: Ihr Sohn Tiberius soll der Nachfolger des Augustus werden. Und dafür bringt sie jeden Rivalen unter die Erde.

Claudius erinnert sich aber auch an seine eigenen Kindheits-Tage, die alles andere als glücklich waren. Denn Claudius war stets krank, er zog den rechten Fuß nach, litt unter einem nervösen Kopfreißen und zu allem Verdruss stotterte er auch noch. Kein Wunder, dass ihn niemand ernst nahm, obwohl er geistig voll dar war. Sein kränkliches Erscheinungsbild und die Missachtung seiner Mitmenschen rettete ihn aber das Leben. Denn ein “Trottel” konnte niemandem gefährlich werden und deshalb gab es keinen Grund, Claudius zu ermorden. Am römischen Kaiserhof war das ein extrem lebensverlängerndes Argument …

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Livia

Auf Augustus folgte Tiberius als Kaiser nach. Der unglückliche Tiberius mied jedoch die Menschen und zog sich schließlich nach Capri zurück. In Rom errichtete derweil sein Prätorianer-Präfekt Sejan eine Schreckensherrschaft. Bis auch er ermordet wurde.

Tiberius ergeht es aber nicht viel besser, er wird mit einem Kissen erstickt. So kommt Caligula an die Herrschaft. Seine willkürliche Terrorherrschaft bedroht das Leben aller am Hofe Lebenden, auch Claudius entgeht nur mit Mühe dessen Jähzorn.

Für seine drei Schwestern zeigt Caligula dagegen innige Zuneigung, körperlicher wie geistiger Natur. Seine Art, Frauen Komplimente zu machen, hat sich dagegen nicht durchgesetzt: “Ein so schöner Nacken wird doch, sobald ich befehle, durchgeschnitten werden”. Fast zwangsläufig ist daher Caligulas Tod unter den Schwerthieben seiner Prätorianer.

Zur Überraschung aller wird Claudius von der Truppe zum neuen Kaiser erhoben. Und die Missgeburt, wie ihn seine Mutter bezeichnete, bewährt sich hervorragend. Er reformiert die Verwaltung des riesigen Reiches, verbessert die Rechtssprechung (das Töten eines Sklaven gilt jetzt als Mord), leitet ein enormes Bauprogramm in die Wege (unter anderem mit Ostia, dem Hafen von Rom) und erobert England.

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Tiberius

Wenig Glück hat der Kaiser aber mit seinen Frauen. Seine dritte Ehefrau ist Messalina, eine Nymphomanin. Wehe dem Mann, der ihr nicht zu Willen ist. Sie liefert sich mit der berühmtesten Prostituierten von Rom einen Wettbewerb um den größten Männerverschleiß in einer Nacht (heute würde man das wohl als “Gangbang” bezeichnen). Schließlich heiratet sie einen jungen Senator, obwohl sie immer noch mit dem Kaiser liiert ist. Die beiden Turteltauben wollen Claudius stürzen.

Jetzt greifen dessen Berater ein. Narcissus und Pallas, seine ehemalige Sklaven, holen zum Gegenschlag aus und lassen Messalina und deren Anhängerschaft hinrichten. Doch Claudius kann nicht ohne Frau leben, er heiratet erneut. Ausgerechnet Agrippina (die Jüngere), die einen missratenen Sohn in die Ehe mitbringt: Nero. Nachdem Claudius Nero adoptiert und faktisch zum Nachfolger gemacht hat, ist er überflüssig: Agrippina vergiftet ihn mit seinem Lieblings-Pilzgericht.

“Ich, Claudius” ist keine historische Dokumentation, sondern eine Unterhaltungsserie, genauso wie die Buchvorlage ein Roman und keine wissenschaftliche Abhandlung ist. Das wird oft missverstanden, wie einige “Filmbesprechungen” bei Amazon.de zeigen.

Zwar orientiert sich sein Roman – und damit auch die Mini-Serie – stark an überlieferten antiken Autoren wie Sueton (der in seiner Darstellung vor allem an den Skandalen der Kaiser interessiert war), Tacitus (der politisch motiviert die Kaiser negativ schildert), Flavius Josephus oder Cassius Dio. Graves übernahm aber bewusst die drastischen Zerrbilder der antiken Quellen ohne diese auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

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Messalina

So mutiert Caligula zum Monster schlechthin, Tiberius erscheint als der reinste Anti-Kaiser und für die Tatsache, dass Messalina mit Claudius eine 35 Jahre älteren Mann geheiratet hat und vielleicht deshalb so ausdauernd neue Liebhaber suchte, zeigt Graves in seinem Roman kein Verständnis. Ganz zu schweigen von der Rolle der Livia, die für die Serie als notorische Giftmörderin herhalten muss.

Diese plakative Überzeichnung der Charaktere sowie der eine oder andere historische Detailfehler tun dem Wert der Serie jedoch keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Für Interessierte an der Geschichte Roms ist diese Serie ein Muss. Aber auch wer sich sonst nicht für Augustus, Caligula und Co begeistert, kann mit “I, Claudius” viele spannende und witzige Abende mit intelligenter Unterhaltung der Spitzenklasse verbringen.

Einen Haken hat das Vergnügen allerdings: Die Sprache. Nicht, was Sie jetzt vielleicht denken – Latein müssen Sie nicht beherrschen, um der ränkeschmiedenden Livia und der liebeshungrigen Messalina folgen zu können. Stattdessen ist Englisch gefragt, die Serie liegt nämlich nur in dieser Sprache vor. Unser Tipp: Schalten Sie die englischsprachigen Untertitel dazu, dann können Sie dem Geschehen leichter folgen.

Die Serie lief zwar in den 80er Jahren unter dem Titel “Ich, Claudius, Kaiser und Gott” auch im deutschen Fernsehen, die ARD besitzt aber anscheinend die Lizenzrechte nicht mehr.

Das Gesamtpaket umfasst vier Film-DVDs mit jeweils drei Folgen (jede Folge dauert 50 Minuten) und eine Bonus-DVD. Auf dieser finden Sie unter anderem das obligatorische “Making of” inklusive Interviews mit einigen Hauptdarstellern. Außerdem können Sie sich Szenen anschauen, die herausgeschnitten wurden.

Ein echtes Juwel ist die Geschichte der ersten Verfilmung des Romans von Ranke Graves. Bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde nämlich ein Versuch unternommen, das Meisterwerk über Claudius auf Zelluloid zu bannen. Die Szenen, die damals gedreht wurden und noch erhalten sind, befinden sich auf der Bonus-DVD zusammen mit einem ausführlichen Kommentar.

Die DVD-Edition ist freigegeben für Zuschauer ab 15 Jahre. Sie ist bei Amazon.de für 75 Euro erhältlich.

Übrigens: Eine prägnante Kurzbiografie zu Kaiser Claudius finden Sie der Zeitschrift G/Geschichte 10/2004 .