In seinem heutigen Urteil hat sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in seiner jetzigen Form ausgesprochen. Dieses Gesetz sieht eine sechs Monate lange Speicherung der Verbindungsdaten von Telefonaten, E-Mails und bei der Internetnutzung vor. Zwar werden Gesprächsinhalt und besuchte Internetseiten nicht aufgezeichnet, aus den Daten lässt sich aber rekonstruieren, wer wann wie lange mit wem kommuniziert hat. Weil das Gesetz in Teilen gegen das Grundgesetz verstoße, seien die bislang gespeicherten Daten sofort zu löschen, urteilt das Gericht.
Weiter kritisieren die Richter die Datenspeicherung, die ohne konkreten Anlass erfolgt, und fordern verschärfte Regelungen zum Schutz der gespeicherten Daten – etwa eine anspruchsvolle Verschlüsselung und getrennte Speicherung. Die Vorratsdatenspeicherung an sich hat das Gericht jedoch nicht gekippt. Geklagt hatten rund 35.000 Menschen, darunter Politiker der Grünen und der FDP und der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar.
Besonders gestört hatte man sich an einem Passus im Gesetz, der die heimliche Verwendung der gespeicherten Daten zuließ – dies dürfe nur in Einzelfällen und nach richterlicher Anordnung geschehen, so die Richter. Auch darüber, wer die Daten verwenden darf, sollen stets die Richter entscheiden. Derzeit entscheiden das aber Polizei, Staatsanwalt und Geheimdienste.
Zulässig sei die Verwendung aber nur bei schweren Straftaten. Darüber dürfte die Musik- und Filmindustrie wenig erfreut sein, denn Nutzer von Tauschbörsen, die sich illegal MP3s oder aktuelle Kinofilme aus dem Netz herunterladen, fallen nicht in diese Kategorie. Die Abfrage von IP-Adressen ist jedoch weniger hürdenreich gestaltet als der Zugriff auf andere Verbindungsdaten.

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Zwar wird es die Vorratsdatenspeicherung auch weiterhin in Deutschland geben – das Verfassungsgericht betonte, die zugrunde liegende europäische Richtlinie nicht anfechten zu wollen – allerdings mit Einschränkungen.
- Um Datenmissbrauch vorzubeugen, soll mehr Gewicht auf die Sicherheit der Daten gelegt werden. Die technische Umsetzung überlassen die Richter dem Staat, machen aber zur Bedingung, dass sich dieser selbst darum kümmern soll und nicht die Telekommunikationsanbieter damit beauftragt.
- Auf die Daten dürfe nur zugegriffen werden bei “Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr einer gemeinen Gefahr”. Für einige Bereiche, etwa kirchliche Seelsorge, sind Ausnahmeregelungen geplant.
- Die Richter fordern, dass der Staat der Angst vor der Datenspeicherung durch Transparenz entgegentritt. Eine Verwendung gespeicherter Daten ohne das Wissen des Betroffenen ist nur in absoluten Ausnahmen gestattet.
- Grundsätzlich sollen Richter über Übermittlung und Nutzung gespeicherter Daten entscheiden und Betroffenen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, sich vor Gericht gegen Übermittlung und Nutzung zu Wehr zu setzen, sogar im Nachhinein.