Nachdem bekannt geworden war, dass die Mozilla Foundation sich Gedanken über die Zukunft des Mail-Clients Thunderbird macht und drei Modelle vorgeschlagen hatte , äußerten viele Thunderbird-Anhänger die Befürchtung, dass das Ende des freien Mail-Clients drohe. Mozilla versucht nun zu beschwichtigen.
Asa Dotzler, Director of Community Development bei Mozilla, versichert in einem Blog-Eintrag , dass kein Ende der Thunderbird-Weiterentwicklung geplant sei. Derzeit würden zwei Vollzeit-Entwickler an Thunderbird arbeiten und das werde sich auch nicht in absehbarer Zeit ändern, verspricht Dotzler. Dotzler nutzt die Gelegenheit, um nochmals darauf hinzuweisen, dass das Ziel der diskutierten Pläne rund um Thunderbird nicht sei, den Mail-Client „umzubringen“. Genau das Gegenteil sei das Ziel. „Das Ziel der öffentlichen Diskussion ist herauszufinden, wie das, was Thunderbird schon erreicht hat, verbessert werden kann, in dem den Thunderbird-Entwicklern eine andere Organisationsstruktur gegeben wird“, schreibt Dotzler.
Es folgt ein Aufruf an alle Fans von Thunderbird, sich an der aktuellen Diskussion über die drei Modelle zu beteiligen. „Wenn ihr es (Thunderbird, Anm. d. Red.) nutzt und abhängig davon seit und wenn in ihr wollt, dass es schneller besser wird, ist es der richtige Zeitpunkt aufzustehen und etwas zu tun“, fordert Dotzler. Dazu würde beispielsweise gehören, dass man alle gefundenen Bugs meldet und die Vorabversionen testet, Patches entwickelt und die Werbetrommel für Thunderbird bei Freunden und innerhalb der Familie rührt.
Dotzler erinnert auch an die Ursprünge von Firefox, das seinerzeit zu Beginn Phoenix hieß, ein kleines Projekt war und keinerlei organisatorische Strukturen besaß. Dennoch gelang es dem Neuankömmling damals, die Mozilla Suite binnen kürzester Zeit zu übertrumpfen. Ähnliches könnte auch Thunderbird gelingen, wenn es seine richtige Organisation gefunden hat und einen gewissen Grad an Community-Unterstützung.
Auch Mitchell Baker, Chefin der Mozilla Corporation, die den Stein in der vergangenen Woche zum Rollen gebracht hatte, wendet sich erneut in einem Blog-Eintrag an die Community . Sie liefert eine Antwort darauf, wieso Firefox und Thunderbird nicht innerhalb derselben Organisation weiterentwickelt werden können, wenn doch genügend Geld da ist. Das Problem dabei sei, so Baker, zu versuchen, zwei unterschiedliche Dinge gleichzeitig gut zu machen. Ein Produkt würde immer darunter leiden und im Falle einer Entscheidung zwischen Firefox oder Thunderbird, würde Thunderbird immer den Kürzeren ziehen.
Das Entwickler-Team könnte sich jeden Tag die Frage stellen, ob es Thunderbird weiterentwickeln will, das seinen Nutzern dient. Oder ob es Firefox weiterentwickeln soll, das noch viel mehr Nutzern dient und die gesamte Web-Industrie beeinflusst. Selbst die Einstellung neuer, weiterer Entwickler würde dieses Problem nicht lösen, weil man sich weiterhin die Frage stellen müsse, auf welches Produkt man sich fokussiert. Aus diesem Grund sei es richtig, sich eine neue Organisation für Thunderbird zu überlegen, schließt Mitchell Baker.
Im Endeffekt deutet Baker damit ein wichtiges Thema an, ohne es konkret auszusprechen: Welche Zukunft haben Offline-Applikationen überhaupt noch? Thunderbird richtet sich an Anwender, die per Mail-Client ihre Mails auf dem Desktop-Rechner verwalten wollen. Firefox dagegen bietet Technologien, von denen alle Anwender profitieren, die im Internet surfen und dort auch Web-Applikationen nutzen.
So ist beispielsweise Google Mail sehr beliebt und bei Firefox 3.0 wird ein höherer Wert darauf gelegt, den Entwicklern von Web-Applikationen eine bessere Plattform zu bieten.
Technologien für Web-Applikationen, die ihre Daten auch Offline ablegen können, hat Google bereits mit Google Gears in der Entwicklung. Und diese Technologien werden in Firefox 3.0 und aufwärts einfließen.
Derzeit geht der Trend eindeutig zu solchen Web-Applikationen. Die Vorteile für den Anwender: Nie wieder Software installieren und von jedem Rechner aus auf Daten zugreifen. Die Vorteile für Google & Co.: Das Betriebssystem/die Plattform spielt eine immer geringere Rolle. Ob Mails, Bilder oder Dokumente – alles ließe sich auch über Web-Applikationen verwalten, bearbeiten und verbreiten. Die Speicherkapazität eines lokalen Rechners ist endlich, diese Beschränkung gilt in der Online-Welt nicht.
Wo Licht ist, ist auch Schatten: Die lokal auf dem Rechner abgelegten Daten lassen sich durch den Anwender sichern. Zur Not wird einfach die Internet-Verbindung gekappt. Doch wer garantiert, dass auf die online abgelegten Daten wirklich nur der berechtigte Anwender Zugriff hat? Wer kontrolliert ein nach Gewinnmaximierung arbeitendes Unternehmen, das nicht nur zum Wohle seiner Anwender arbeitet, sondern auch immer seine Aktionäre bei Laune halten muss?
Was halten Sie von dieser Entwicklung? Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann nur noch Web-Applikationen zu nutzen? Auf welche bisher reinen Desktop-Applikationen könnten Sie am ehesten künftig verzichten?