Der Medienwissenschaftler erklärte „Es wird Zeit, die Chancen der Computerspiele zu betrachten”. Dabei verwies er auf Berufsausbildungen, zum Beispiel die eines Piloten, in denen der Einsatz von Simulationsspielen inzwischen zum Standard gehöre. Auch vernetztes Denken könne mit Computerspielen schnell und effektiv gelernt werden: „Wenn wir unsere Blickrichtung ändern, werden wir ungeahnte Möglichkeiten entdecken.” Die Meinung, dass gewalttätige Computerspiele Kinder und Jugendliche aggressiv machen, teilt der Wissenschaftler in seinen Forschungsprojekten nicht. „Bislang gibt es weltweit bis zu 6000 Studien, die sich mit den Wirkungen von Computer- und Videospielen beschäftigten. Ihr Tenor: Es ist kein starker Zusammenhang zu einer höheren Gewaltbereitschaft festzustellen.” Eine „kurzfristige emotionale Aufladung” gebe es auch bei anderen Spielen und im Sport.
Auch im Fall von Robert Steinhäuser, dem Jugendlichen, der vor vier Jahren im Erfurter Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen erschoss, seien keine zwingenden Zusammenhänge zwischen der Tat und seiner Leidenschaft als Ego-Shooter-Spieler nachgewiesen worden. „Wenn dies so wäre, müssten bei der weiten Verbreitung des Spiels solche Amokläufe viel häufiger vorkommen”, sagte Müller-Lietzkow. Die Gewaltbereitschaft habe weit mehr Ursachen. „Mit den Computerspielen wird hier das falsche Kalb geschlachtet.”
Laut Müller-Lietzkow werde die Verbreitung von Gewaltspielen überschätzt. Denn höchstens fünf bis zehn Prozent von jährlich 3000 neuen Computer- und Videospielen fallen in diese Kategorie. Zur überwiegenden Mehrheit zählen die Genres Sport, Simulation, Strategie und Action. Nach Schätzungen von Müller-Lietzkow gibt es in Deutschland bis zu zehn Millionen regelmäßige Computerspieler, von denen gerade einmal zehn Prozent täglich mehrere Stunden vor dem Computer verbringen.