Von Rüdiger Spies
Was bisher geschah: IBM bekommt das OK für die Übernahme von Cognos, SAP muss mit der endgültigen und vollständigen Integration von Business Objects noch etwas warten, Microsoft kauft die Suchmaschinen Technologie von FAST und bietet erneut für Yahoo, Oracle macht den Deal mit BEA perfekt und Sun übernimmt die Open-Source-Datenbank mySQL.
IBM ist nun auch endgültig offiziell eine Größe im Applikationsgeschäft und kann sich nicht mehr hinter Middleware verstecken. Die große Produkt- und Service-Ankündigung zu Information on Demand und neue Cognos-Angebote vom 6. Februar 2008 unterstreichen diese neue Unternehmensrichtung klar und deutlich. Nach der Übernahme von AptSoft (Business Event Processing) und den Aufmerksamkeit erregenden Ankündigungen von Atlantic (enger Datenaustausch etc. zwischen Lotus Notes/Domino und SAP) sowie den starken Ankündigungsauftritt bei Master Data Management im Januar 2008 werden wir noch viele weitere Schritte von IBM in diesem Jahr im Applikationsbereich erwarten können.
SAP hat mit dem gemeinsamen Marktauftritt mit Business Objects klargemacht, dass der Konfrontation mit Oracle (und Hyperion) nicht ausgewichen werden soll. Bei SAP werden wir im Laufe von 2008 ein “Kurs-Halten” erleben können: OnDemand via SAP ByDesign, Migrationen auf jeweils neueste Version des on-premise ERP-Systems, erneuter Fokus auf Datenanalysen und Mittelstandsoffensiven.
Oracle wird in 2008 beweisen müssen, dass die Middleware Fusion und die Fusion Applications zum Fliegen kommen. Oracle wird vermutlich versuchen, die BEA-Akquisition als Vorwand für Verzögerungen bei den neuen Fusion Applications zu benutzen und nur vordergründig neue Fusion-Angebote vorstellen. Außerdem muss Oracle einen Weg aus der Einbahnstraße der Akquisitionsstrategie finden. Auf Dauer wird das Geschäftsmodell nicht zukunftsweisend.
Sun hat nun endgültig die Chance zu beweisen, dass es nicht nur eine reine Hardware-Company ist. Mit einem mehr oder weniger vollständigen Middelware-Stack bieten sich für Sun völlig neue Chancen für Projekte und Marktauftritte.
Und Microsoft muss schließlich ein Mittel gegen das überalterte Geschäftsmodell und gleichzeitig gegen Google finden. Die Idee der relativ geringen Einmalgebühren für Kaufsoftware à la Windows und Office von möglichst vielen Kunden ist langfristig nicht mehr tragfähig. Das allgegenwärtige Internet entzieht Microsoft nach und nach den Wachstumsboden, zumal sich auch bereits Länder und Regierungen gegen den Einsatz von Software aus Redmond entscheiden. Microsoft muss einen Weg finden, einen kontinuierlichen Umsatzstrom aus dem Internet zu generieren. Eine strategische Integration von Yahoo würde Microsoft wieder mehr Spielraum ermöglichen.
Google selbst wagt sich auf bisher unbekanntes Terrain auf dem Mobilfunkmarkt (Android) mit den Marktmechanismen der Opern-Source-Community, und hat dabei die besten Voraussetzungen, sein bisheriges auf Anzeigen im stationären Internet basierendes Geschäftsmodell auch auf das mobile Internet auszudehnen.
Damit sind bei den größten Playern am Markt die Zeichen klar auf starke Veränderungen gesetzt. IDC erwartet im Laufe des Jahres 2008 weitere deutliche Signale, die den begonnenen, beschleunigten Umwälzungsprozess untermauern. Anwender sollten auf jeden Fall bei zukünftigen Investitionsentscheidungen immer einen ‘Plan B’ – eine Exit-Strategie heraus aus den neu zu erwerbenden Technologien – von Anbeginn mit einbeziehen.
Rüdiger Spies ist Independent Vice President Enterprise Applications bei IDC in München